«Brauchen Stimulus wie die Abwrackprämie»

Interview BMW-Motorradchef Hendrik von Kuenheim

BMW Motorrrad musste im ersten Quartal ein Minus von 18 Prozent hinnehmen. Im Interview mit der Autogazette spricht Motorradchef Hendrik von Kuenheim über wegbrechende Märkte, die Absatzerwartung für 2009 und das schreckliche Wort Rabatt.

Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hat auch die Motorradsparte von BMW getroffen. Im ersten Quartal dieses Jahres konnte das Unternehmen nur noch 17.232 Maschinen verkaufen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Minus von 18 Prozent. «Zwar liegen uns noch nicht die April-Zahlen aus Übersee vor, doch auch dieser Monat hat keine Trendwende gebracht hat. Wir haben immer noch ein zweistelliges Minus», sagte BMW-Motorradchef Hendrik von Kuenheim im Interview mit der Autogazette.

Einbruch auf Heimatmarkt

Besonders drastisch fiel der Absatzeinbruch auf dem Heimatmarkt Deutschland mit rund 35 Prozent aus. «Der deutsche Motorradmarkt bewegt sich schon seit Jahren nach unten. So eine Entwicklung gibt es bei keinem anderen europäischen Markt. Besonders bei den jungen Menschen steht das Motorrad im Wettbewerb mit vielen anderen Aktivitäten», sagte von Kuenheim.

«April brachte keine Trendwende»

BMW K 1300 R Foto: BMW

Autogazette: Herr von Kuenheim, die Absatzkrise hat nun auch BMW-Motorrad voll erwischt. Im ersten Quartal mussten Sie mit 17.323 verkauften Motorrädern ein Minus von 18 Prozent hinnehmen. Hat der so wichtige April eine Trendwende gebracht?

Hendrik von Kuenheim: Nein. Zwar liegen uns noch nicht die April-Zahlen aus Übersee vor, doch auch dieser Monat hat keine Trendwende gebracht hat. Wir haben immer noch ein zweistelliges Minus.

Autogazette: Im Dezember wollten Sie von Krise noch nichts hören. Haben Sie die Marktentwicklung falsch eingeschätzt.

Kuenheim: Die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise konnte niemand richtig einschätzen, das habe ich immer betont. Ich traue mir auch jetzt keine Prognose zu, wann Sie endet. Doch in einigen Märkten läuft es besser, z.B. in Übersee. In den USA haben wir eine Sonderkonjunktur...

Autogazette:...die sich jedoch auf einem geringen Niveau bewegt...

Kuenheim:...ja, aber wenn man leicht im Plus ist und sich der Markt gleichzeitig im Durchschnitt 30 und mehr Prozent zurück bewegt, dann ist das eine phänomenale Leistung.

«Führerschein ist exorbitant teuer»

Autogazette: Arg getroffen hat Sie insbesondere der Einbruch in Südeuropa, sonst ein Garant für gute Verkaufszahlen.

Kuenheim: In der Tat. In Spanien beispielsweise ist der Gesamtmarkt bei Maschinen über 500 ccm um 78 Prozent eingebrochen. Und Spanien ist nach Italien und Deutschland der drittgrößte Motorradmarkt.

Autogazette: In Deutschland liegt das Minus von BMW bei rund 35 Prozent. Schmerzt dieser drastische Rückgang auf dem Heimatmarkt besonders?

Kuenheim: Der deutsche Motorradmarkt bewegt sich schon seit Jahren nach unten. So einen Entwicklung gibt es bei keinem anderen europäischen Markt. Besonders bei den jungen Menschen steht das Motorrad im Wettbewerb mit vielen anderen Aktivitäten.

Autogazette: Möglicherweise ist das Motorradfahren einfach zu teuer geworden, was schon beim Führerschein anfängt.

Kuenheim: Sicher, er ist exorbitant teuer. Sie müssen dafür je nach Region zwischen 1500 bis 2000 Euro ausgeben. In Portugal können Sie das für ein Zehntel des Geldes tun. Das Motorradfahren in Deutschland wird durch den Gesetzgeber und die Fahrschulverbände unnötig schwer gemacht.

«Steuern Zahl über 90.000 Einheiten an»

Die 800er GS Foto: BMW

Autogazette: Im Vorjahr konnten Sie noch fast 102.000 Motorräder absetzen, das entsprach einem Minus von 0,8 Prozent zu 2007. Was erwarten Sie in diesem Jahr.

Kuenheim: Ich bin Optimist, für mich ist das Glas immer halb voll. Nach den ersten drei Monaten des Jahres gehe ich davon aus, dass es auch irgendwann wieder Sonnenschein geben wird. Ich hoffe, dass das Minus zum Jahresende nur noch bei zwölf bis 14 Prozent stehen wird.

Autogazette: Sie kalkulieren also mit einem Absatz von rund 90.000 Einheiten?

Kuenheim: Wir steuern im Augenblick eine Zahl von knapp über 90.000 Einheiten an.

Autogazette: Aufgrund des Absatzeinbruchs schicken Sie die Beschäftigten im BMW-Motorradwerk in Berlin-Spandau in der Woche vom 26. bis 29. Mai in Kurzarbeit. Reicht diese Woche aus, um der Krise zu begegnen?

Kuenheim: Aus heutiger Sicht lässt sich das schwer beurteilen. Doch wir haben bereits im Januar zusammenhängende Betriebsschließungen für die Sommer- und Herbstferien geplant. Die werden sicher viel Druck von der Produktionsseite nehmen. Und wir nutzen die Zeiten, um Umbau- und Wartungsarbeiten durchzuführen.

«Keine Pläne für Stellenabbau»

BMW-Motorradwerk in Berlin-Spandau Foto: dpa

Autogazette: Sie beschäftigen 2000 Beschäftigte in Berlin. Sind deren Arbeitsplätze sicher?

Kuenheim: Für einen Stellenabbau gibt es derzeit keine Pläne. Die intelligente Kombination von Flexibilisierungsinstrumenten (Arbeitszeitmodelle, Zeitkonten, vorausschauende Urlaubsplanung, Kurzarbeit) gibt uns genügend Spielraum, um Marktschwankungen auch im weiteren Jahresverlauf aktiv zu managen.

Autogazette: Müssen sich die Mitarbeiter bei einem Andauern der Absatzkrise auf Lohnkürzungen einstellen?

Kuenheim: Unser Vorstand, unsere Führungskräfte und alle Mitarbeiter sind am Unternehmenserfolg beteiligt - in guten wie in weniger guten Zeiten. Deshalb muss ein Vorstandsmitglied in diesem Jahr auf etwa 40 Prozent seines Jahreseinkommens verzichten. Bei einem Bereichsleiter ist es etwa ein Drittel und bei einem Tarifmitarbeiter sind es etwa 10 Prozent.

Autogazette: Sie müssen sich also auch um Ihren Bonus sorgen?

Kuenheim: Ich weiß, dass ich keinen Bonus bekomme - und das ist auch okay.

«Brauchen einen Stimulus wie die Abwrackprämie»

Autogazette: Die Abwrackprämie hat für die Autoindustrie zu einem Absatzschub geführt. Wäre das ein Mittel, das auch der Motorradbranche helfen würde?

Kuenheim: Natürlich würde ein solcher Stimulus auch für die Motorradbranche hilfreich sein. Ich würde mir wünschen, dass auch für die Zweiradbranche etwas Adäquates aufgelegt würde.

Autogazette: Sie sind auch Präsident des Weltverbandes der Internationalen Motorradhersteller IMMA. Warum agiert die Branche so zurückhaltend bei Forderungen nach staatlichen Hilfen?

Kuenheim: In Deutschland verdienen vielleicht 20.000 Menschen mit der Motorradbranche Geld und erwirtschaften etwa einen zweistelligen Milliardenbetrag. Doch im Vergleich zur Autobranche nimmt sich das bescheiden aus, dennoch braucht auch unsere Branche eine gewichtigere Stimme. Dazu will auch BMW Motorrad beitragen.

«Die Zuliefererindustrie liegt am Boden»

Autogazette: Im Dezember hat Ihr Kollege Stefan Pierer von KTM kritisiert, dass die mittelständische Wirtschaft durch fehlende Kredite ausgetrocknet würde. Hat sich die Situation geändert?

Kuenheim: Leider nein. Die Zulieferindustrie liegt am Boden. Die Klein- und Mittelständler leiden noch stärker als die Großen. So hatten wir bei BMW Motorrad mehrere Lieferantenausfälle kurzfristig zu verkraften.

Autogazette: Ihre Kritik richtet sich also an die Banken, die den Kleinst- und Mittelstand nicht ausreichend mit Kapital versorgen?

Kuenheim: In einem funktionierenden Wirtschaftskreislauf erfüllt jeder seine Aufgaben - vom Hersteller über die Banken bis hin zum Endkunden. Ich kann die Banken nur nachdrücklich auffordern, die Wirtschaft mit dem nötigen Kapital zu versorgen. Nur so kann die Wirtschaft am Leben erhalten werden. Ich höre fast täglich das Klagen des Handels, der nicht ausreichend Geld von den Banken erhält. Der Mittelstand ist das Rückgrat unserer Wirtschaft, dessen müssen sich auch die Banken bewusst sein.

«Wort Rabatt finde ich schrecklich»

BMW R 1200 GS Foto: BMW

Autogazette: Die Verkäufe Ihres Bestsellers, der R 1200 GS, sind um rund 40 Prozent eingebrochen. Machen Sie sich Gedanken, die Verkäufe durch Rabatte anzukurbeln?

Kuenheim: Nach der Modellüberarbeitung Anfang 2008 erreichte die R 1200 GS im Absatz ihr All-Time-High, der momentane Rückgang hat mit der Lage auf den Hauptabsatzmärkten zu tun. Natürlich macht man sich Gedanken, wie man den Absatz wieder verbessern kann. Doch das Wort Rabatt finde ich schrecklich, so etwas ist auch nicht zielführend für die Marke BMW Motorrad. Wir haben sehr gute Ideen, wie wir die Verkäufe auch ohne Rabatte ankurbeln können.

Autogazette: Der Trend geht in der Zweiradbranche eindeutig zu Rollern. Haben Sie darunter zu leiden, dass weder BMW noch ihre Tochter Husqvarna so etwas anbieten kann?

Kuenheim: Wir beobachten den Trend sehr genau. Doch der Rollermarkt ist so hart umkämpft, dass die meisten südeuropäischen Hersteller Eisen von links nach rechts bewegen, ohne das am Ende etwas davon hängen bleibt. Es ist schwer, in diesem Segment Geld zu verdienen. Wenn wir meinen, dass wir damit Geld verdienen können, werden wir den Markt mit entsprechenden Modellen bedienen.

«Machen keine Angaben zu neuen Produkten»

BMW C1 Foto: BMW

Autogazette: Ab wann meint man das denn, ab 2010?

Kuenheim: Ein solches Produkt zu entwickeln dauert drei Jahre.

Autogazette: Doch Sie sind ja nicht erst heute darauf gekommen, dass ein solches Produkt interessant sein könnte.

Kuenheim: Ich bin erst seit einem Jahr und vier Monaten dabei...

Autogazette:...doch auch Sie hatten einen Vorgänger, der den Markt beobachtet und einen guten Job gemacht hat.

Kuenheim: Er hat einen ganz hervorragenden Job gemacht. Doch wir machen keine Aussagen zu möglichen neuen Produkten.

Autogazette: Wie schaut es mit einer Neuauflage des C1 aus? Haben Sie sich da schon zu einer Entscheidung durchgerungen.

Kuenheim: Vor einigen Tagen habe ich einen gebrauchten C1 mit einer Fahrleistung von 4.000 Kilometer bei einem BMW Händler für 6.400 Euro gesehen. Zur Markteinführung hat der C1 9.900 D-Mark gekostet. Das ist schon bemerkenswert, dass ein Produkt, das von der Fachpresse nicht besonders geliebt wurde und in einigen Märkten kaum Käufer fand, heute gebraucht mehr kostet als neu. Das ist zwar ein starkes Statement, doch eine Entscheidung steht noch aus.

Das Interview mit Hendrik von Kuenheim führte Frank Mertens

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