Unfallforscher: Teilautomatisiertes Fahren birgt Risiken

Fehlende Rechtssicherheit

Unfallforscher: Teilautomatisiertes Fahren birgt Risiken
Deutsche Autofahrer stehen autonomem Fahren nach wie vor kritisch gegenüber. © Mercedes

Vollautonomes Fahren soll die Unfallzahlen reduzieren helfen. Auf dem Weg dorthin bestehen aber Risiken. So würde es beim teilautonomen Fahren noch Rechtsunsicherheiten geben, so Unfallforscher.

Bundesweit hat die Polizei im Jahr 2016 mehr als 2,5 Millionen Verkehrsunfälle erfasst, bei denen Sachschaden von gut 34 Milliarden Euro verursacht wurde. Wenn Autos künftig vollautomatisch fahren, kann dies nach Einschätzung von Experten zu einer deutlichen Senkung der Unfallzahlen und einer drastischen Verminderung der Schadenssumme führen. Denn, so schreibt beispielsweise der ACE Auto Club Europa: Maschinen werden nie müde, sie können schneller reagieren als der Mensch und sie können gleichzeitig mehrere Objekte im Blick behalten. Dies werde mehr Verkehrssicherheit schaffen.

„Kurzfristig darf man sich allerdings nicht zu viele Hoffnungen machen“, warnt der Unfallforscher Siegfried Brockmann zum Auftakt des 56. Verkehrsgerichtstags an diesem Mittwoch. Der Expertenkongress wird bis Freitag in Goslar auch über das Thema „Automatisiertes Fahren“ diskutieren.

Unfallforscher: Langer Weg zum vollautonomen Fahren

„Denn bis Autos wirklich vollautomatisch fahren, wird es noch lange dauern“, sagt Brockmann. Teilautomatisiertes Autofahren dagegen, bei dem die Fahrer das Fahrzeug überwachen müssen, werde es schon bald geben. Dabei sehe er jedoch große Risiken, sagt der Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV).

Nach der jüngsten Änderung des Straßenverkehrsgesetzes ist es Fahrern erlaubt, sich während einer hoch- und vollautomatisierten Fahrt vom Verkehrsgeschehen abzuwenden. Sie müssen aber so aufmerksam bleiben, dass sie die Fahrzeugsteuerung unverzüglich übernehmen könnten, wenn das System sie dazu auffordert oder sie aufgrund offensichtlicher Umstände erkennen müssen, dass die Voraussetzungen für den Einsatz des Systems nicht mehr vorliegen.

Nach Ansicht des ADAC ist derzeit allerdings unklar, was die Nutzer hoch- und vollautomatisierter Fahrfunktionen während der Nutzung tun dürfen beziehungsweise zu unterlassen haben – etwa mit dem Tablet im Internet surfen, Zeitung lesen oder schlafen. „Die Nutzer benötigen Rechtssicherheit“, sagt der Verkehrsjurist Markus Schäpe.

Siegfried Brockmann sieht ein ganz anderes Problem: „Die meisten Fahrer dürften nicht in der Lage sein, das Kommando in Sekundenschnelle selbst zu übernehmen, wenn das System aussteigt“, meint der Unfallforscher. Und teilautomatische Systeme würden in vielen Fällen aussteigen, etwa bei einer fehlenden Fahrbahnmarkierung oder bei plötzlich einsetzendem Schneefall.

Nur vier Sekunden bleiben für die Übernahme

Nach derzeitigem Stand müssten Fahrer dann in der Lage sein, innerhalb von vier Sekunden die vollständige Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen. „Unsere Studien zeigen allerdings, dass man mindestens zwölf Sekunden dazu braucht“, sagt Brockmann. In der Zeit dazwischen bestehe größte Unfallgefahr.

„Grundsätzlich können autonom fahrende Autos und Lkw zwar einen Gewinn für die Verkehrssicherheit darstellen, wenn sie fehlerfrei funktionieren“, glaubt der Leiter der UDV-Unfallforschung. „Aber die Technik muss besser werden“, sagt Brockmann. „Solange es die Industrie nicht schafft, ausreichend lange Vorwarnzeiten für die Kontrollübernahme zur Verfügung zu stellen, dürfen solche Fahrzeuge nur von professionellen Testfahrern bewegt werden.“
Beim Verkehrsgerichtstag wird auch über den Versicherungsaspekt des automatisierten Fahrens und die Frage diskutiert, wer bei einem Unfall haftet. Fahrer, Halter, Hersteller oder Versicherer.

Für den ADAC ist klar: Die Kfz-Haftpflichtversicherung muss alle Schäden regulieren. Sollte ein Unfall durch die automatische Fahrfunktion verursacht worden sein, müsse die Versicherung des Herstellers übernehmen.

Nach Ansicht des ACE Auto Club Europa müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen dringend geklärt werden, auch wenn das automatisierte Fahren noch in weiter Ferne liege. In einem Papier der Verbraucherzentrale Bundesverband zum Verkehrsgerichtstag heißt es dazu, die Gefährdungshaftung sollte den Hersteller treffen. Denn nur dieser habe Einfluss auf die Sicherheit seiner Produkte.

Die Kfz-Haftpflichtversicherer sehen keinen großen Handlungsbedarf. „Kommen Dritte beim Betrieb eines Fahrzeugs zu Schaden, spielt es für eine Entschädigung durch die Versicherung keine Rolle, wer oder was einen Unfall verursacht hat“, sagt ein Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherer (GDV). Unfälle durch automatisierte Fahrzeuge sind davon heute schon ebenso umfasst wie etwaige Unfälle, die infolge eines Hackerangriffs auf vernetzte Autos entstehen.“ (dpa)

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