«Man kann nicht zu allem Nein sagen»

Interview Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes

Die Vorgaben des Weltklimarates zur Reduzierung der Treibhausgase sind ohne Elektromobilität nicht zu erreichen. Deshalb brauche man schon heute die richtigen Entwicklungsimpulse, wie UBA-Präsident Jochen Flasbarth der Autogazette sagte.

Jochen Flasbarth begrüßt unter klimapolitischen Aspekten die Zielsetzung der Bundesregierung, Weltleitmarkt im Bereich der Elektromobilität zu werden. «Der Weltklimarat IPCC hat den Industrienationen vorgegeben, bis Mitte des Jahrhunderts 80 bis 95 Prozent der Treibhausgase einzusparen. Mit Blick auf den Individualverkehr wird dieses Ziel ohne Elektromobilität nicht zu erreichen sein», sagte der Präsident des Umweltbundesamtes (UBA) kurz vor dem Elektrogipfel am 3. Mai in Berlin im Interview mit der Autogazette.

«Wäre falsch, keine Entwicklungsimpulse zu setzen»

Wie Flasbarth sagte, werde die Elektromobilität in den nächsten fünf bis zehn Jahren aufgrund des heutigen Strommixes nicht zu mehr Klimaschutz führen, «doch es wäre grundfalsch, jetzt keine Entwicklungsimpulse zu setzen», sagte der UBA-Präsident. «Außerdem brauchen wir auch im Bereich der Mobilität einen Mix an Instrumenten, wie wir dies auch beim Klimaschutz mit dem Emissionshandel und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz haben.»

«Wichtige Weichenstellung für die Zukunft»

Autogazette: Herr Flasbarth, am 3. Mai hat Frau Merkel zum Elektrogipfel geladen. Haben Sie auch eine Einladung erhalten?

Jochen Flasbarth: Nein, haben wir nicht.

Autogazette: Wieso nicht? Hätte das Umweltbundesamt nichts zum Thema beizutragen?

Flasbarth: Es gibt für uns keinen Grund, eine Teilnahme zu reklamieren. Die Kanzlerin lädt die Personen ein, die sie für richtig hält. Für den Elektrogipfel sind dies Personen aus der Wirtschaft. Das halten wir auch für richtig.

Autogazette: Die Bundesregierung will Weltleitmarkt bei der Elektromobilität werden. Begrüßen Sie dieses Ziel unter klimapolitischen Aspekten?

Flasbarth: Ja, das ist eine richtige Entscheidung und eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft. Der Weltklimarat IPCC hat den Industrienationen vorgegeben, bis Mitte des Jahrhunderts 80 bis 95 Prozent der Treibhausgase einzusparen. Mit Blick auf den Individualverkehr wird dieses Ziel ohne Elektromobilität nicht zu erreichen sein. Deshalb brauchen wir schon heute die richtigen Entwicklungsimpulse.

Autogazette: Wer Automanager reden hört, der kann den Eindruck gewinnen, mit Elektroautos lassen sich die Klimaprobleme unserer Zeit lösen. Wird hier etwas vorgegaukelt, was sich mit Blick auf die CO2-Bilanz der Elektroautos nicht halten lässt?

Flasbarth: Es kommt darauf an, welche Zeiträume man zu Grunde legt. Ich warne vor einer Debatte, die Zeithorizonte vermischt.

Autogazette: Das heißt?

Flasbarth: In den nächsten 5 bis 10 Jahren wird die Elektromobilität nicht zu mehr Klimaschutz führen. Das liegt am heutigen Strommix. Der ist zurzeit nicht wirklich klimafreundlich. Doch es wäre grundfalsch, jetzt keine Entwicklungsimpulse zu setzen. Außerdem brauchen wir auch im Bereich der Mobilität einen Mix an Instrumenten, wie wir dies auch beim Klimaschutz mit dem Emissionshandel und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz haben. So benötigen wir einerseits strengere Anforderungen für die herkömmlichen Antriebstechniken, um geringere CO2-Grenzwerte zu ermöglichen. Anderseits brauchen wir Instrumente zur Entwicklung innovativer Technologien.

«Halbe Milliarde Euro beachtliche Summe»

Kanzlerin Angela Merkel bei der Aufladung eines Elektro-Smart dpa

Autogazette: Der Aktionsplan Elektromobilität sieht derzeit eine Förderung von 500 Millionen Euro vor. Bedarf es höherer Summen, um das Ziel zu erreichen, Weltleitmarkt zu werden?

Flasbarth: Ich glaube, dass eine halbe Milliarde Euro eine beachtliche Summe ist. Daher muss es jetzt erst einmal darum gehen, mit diesen Mitteln effizient zu forschen und erste praxistaugliche Modelle zu entwickeln. Noch mehr Fördermittel einzufordern, macht zum jetzigen Zeitpunkt also wenig Sinn. Außerdem haben die Hersteller ja erkannt, dass die E-Mobilität das Zukunftsthema ist. Entsprechend liegt es also an ihnen, Forschung und Entwicklung auch aus eigenen Mitteln voranzutreiben.

Autogazette: Bedarf es aufgrund der hohen Kosten für ein Elektroauto Kaufanreize? In Frankreich beispielsweise bekommt der Käufer 5000 Euro beim Kauf eines Elektroautos vom Staat.

Flasbarth: Das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million Elektroautos auf den Straßen zu haben, ist ohne Frage ehrgeizig. Das heißt aber gleichzeitig auch, dass wir ja nicht auf einen Schlag die gesamte Flotte von ca. 45 Millionen Pkw umrüsten. Das wäre auch überhaupt nicht richtig, weil wir bis dahin nicht die Menge an erneuerbarem Strom hätten. Bevor wir über konkrete Kaufanreize sprechen, müssen also einige Bedingungen erfüllt sein. Das ist an erster Stelle ein korrespondierender Anstieg an erneuerbarem Strom.

«Klimaschutzbeitrag wird unverzichtbar sein»

Ein Elektro-Mini BMW

Autogazette: Greenpeace sagt, dass ein Elektroauto das Klima anderthalb bis doppelt so viel mit CO2 belastet wie ein herkömmliches Auto. Spricht so etwas aus umweltpolitischen Gründen nicht gegen eine stärkere Förderung der E-Mobilität?

Flasbarth: Nein, das spricht nicht gegen eine Förderung. Denn die E-Mobilität befindet sich erst in einem Entwicklungsstadium und stellt ein Antriebsmodell der Zukunft dar. Der Klimaschutzbeitrag stellt sich vor allem mittel- und langfristig ein – und wird dann auch unverzichtbar sein.

Autogazette: Könnte mit effizienteren Verbrennungsmotoren für den Klimaschutz nicht mehr erreicht werden?

Flasbarth: Die Weiterentwicklung herkömmlicher Motoren und die neuer Antriebsmodelle, wie die E-Mobilität, müssen aufeinander abgestimmt werden. Wenn das geschieht, dann erreichen wir auch mehr für den Klimaschutz. Was meine ich damit? Mehr Effizienz bei PKW’s bekommen wir doch durch die Leichtbauweise bei PKW’s und die Hybridisierung der Antriebe. Speziell diese beiden Technikbereiche erlauben es einerseits, kurzfristig den Verbrauch konventioneller Fahrzeuge in etwa zu halbieren, andererseits sorgen sie dafür, dass die Elektromobilität marktfähiger wird. Effizientere Fahrzeuge zu fördern, verspricht also einen doppelten Nutzen: kurzfristig schonen wir unsere natürlichen Ressourcen und schützen unser Klima. Mittel- bis langfristig fördern wir damit Techniken, die die Einführung von Elektromobilität unterstützen.

«Hausaufgaben nicht gemacht»

Der Peugeot iOn an der Ladestation Peugeot

Autogazette: Haben die Hersteller mit Blick auf effiziente Motoren denn ihre Hausaufgaben gemacht?

Flasbarth: Nein, hier hätte man schon viel weiter sein müssen. Das sieht man auch daran, dass die Automobilwirtschaft ihre Selbstverpflichtung bei den CO2-Grenzwerten nicht eingehalten hat. Es ist zu hoffen, dass sich dies ändert: sei es nun mit der längerfristigen Perspektive Elektromobilität oder auf kürzere Sicht mit effizienteren Motoren.

Autogazette: Unternehmen die Energieversorger genug, um grünen Strom aus erneuerbaren Energien anzubieten?

Flasbarth: Ich sehe ein klares Bekenntnis der Bundesregierung, in diese Richtung zu gehen. Daran werden sich die Energieversorger orientieren. Die Zielrichtung ist eindeutig: Man wird eine Reduktion der Klimagase bis Mitte des Jahrhunderts um 80 bis 95 Prozent nicht hinbekommen, wenn man keine massiven Ausbaustrategien für die erneuerbaren Energien verfolgt. Ich sehe, dass der Bundesumweltminister dies mit großem Nachdruck tut.

«40 Prozent grüner Strom bis 2020»

Autogazette: Wie lange dauert es, bis die Energieversorger soviel erneuerbare Energie im Angebot hätten, dass Elektroautos auch wirklich emissionsfrei unterwegs sind?

Flasbarth: Wir gehen davon aus, dass man um das Jahr 2020 herum einen Anteil von 40 Prozent an erneuerbarem Strom im Netz haben kann und dass das bis 2030 schon 60 Prozent sein kann. Genau in dieser Dekade wird der zunehmende Ausbau von Elektromobilität und erneuerbarem Strom Hand in Hand gehen.

Autogazette: Sehen Sie die Gefahr, dass die Elektromobilität ein weiterer Grund sein kann, die Laufzeiten von Kernkraftwerken zu verlängern?

Flasbarth: Das sehe ich überhaupt nicht. Elektromobilität und erneuerbare Energien sind ein Paar. Nur zusammen machen sie Sinn. Ansonsten ist das Ganze nicht nachhaltig.

Autogazette: Wäre mit Blick auf die CO2-Bilanz mit einem Tempolimit für die Umwelt mehr zu erreichen als mit der Elektromobilität?

Flasbarth: Das Umweltbundesamt hat in einer Studie, die schon zu Zeiten meines Vorgängers erstellt wurde, die CO2-Ersparnis durch das Tempolimit berechnet. Im Jahr 2020 wären es 3  Millionen Tonnen. Daran hat sich nichts geändert. Doch die Regierungsparteien haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass ein Tempolimit nicht kommt. Wenn das ausgeschlossen wird, dann muss man sich anderen Bereichen zuwenden.

Autogazette: Ihr Vorschlag einer Pkw-Maut wurde gerade von der Politik abgelehnt. Wird das Thema nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen anders gesehen?

Flasbarth: Das weiß ich nicht. Viele Diskussionen  im Verkehrssektor werden nun mal sehr emotional geführt. Das war auch bei der Studie zur Pkw-Maut so. Die Kanzlerin hat gesagt, dass es keine Pkw-Maut geben wird. Das Umweltbundesamt hat hier einen Beitrag zur Diskussion gestellt und ich stelle fest, dass die PKW-Maut derzeit nicht gewünscht ist. Auch uns ist klar, dass es nicht das allein seligmachende Instrument gibt. Doch eines geht auch nicht: Man kann nicht zu allem Nein sagen.

Das Interview mit Jochen Flasbarth führte Frank Mertens 
 

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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