Leichtmetallräder: Und Größe zählt doch

Alufelgen mit Niederquerschnittsreifen sind erste Wahl, wenn es darum geht, einen Wagen zum Hingucker zu machen. Doch der Trend zu großen Durchmessern hat nicht nur Vorteile.

Von Heiko Haupt

Die Felge als Schmuckstück: Leichtmetallräder gehören zu den beliebtesten Extras, um einen Wagen optisch edler oder prägnanter wirken zu lassen. Aber schon seit längerem nicht mehr nur um Design und spezielle Speichenformen. Gefragt ist vor allem Größe. Während ein VW Golf der ersten Generation noch auf zierlichen Rädern mit gerade einmal 13 Zoll Durchmesser unterwegs war und sich der Mini im Serientrimm sogar mit zehn Zoll begnügte, verbauen Autoveredler heute 30-Zöller. Und ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht.

30 Zoll für den Jeep

Wie sehr das Wachstum gerade in den vergangenen Jahren zugenommen hat, weiß Melina Evangelisti. «Vor sechs Jahren waren auf den Automessen Räder mit einem Durchmesser von 20 oder 21 Zoll die absolute Sensation», erinnert sich die Sprecherin des Reifenherstellers Pirelli in Höchst im Odenwald. «Damals haben wir uns noch köstlich amüsiert, dass es so große Räder und Reifen überhaupt gibt.» Heute ist Pirelli weiter: Der Reifenbauer liefert die riesigen Gummibeläge, die der Autotuner Geiger in München auf die 30-Zoll-Räder eines optisch extrem aufgerüsteten Hummer-Jeeps zieht.

Natürlich sind solche Dimensionen noch die Ausnahme. Aber der Trend zur Größe bei Rad- und Reifen-Durchmesser ist nicht zu übersehen. «Die Hersteller setzen in der Regel bereits das 18-Zoll-Format ein, bei der Nachrüstung sind es dann nicht selten schon 19 Zoll», sagt Reinhard Gebert vom Felgenhersteller BBS in Schiltach (Baden-Württemberg). «Man kann aber auch heute schon individualisierte 3er von BMW mit 22-Zoll-Rädern sehen.»

Der Grund für die Entwicklung ist simpel: In der aktuellen Automode gelten große Räder einfach als schick. Doch die riesigen Räder haben nicht nur Vorzüge. «Man muss bedenken, dass größer werdende Räder auf der anderen Seite kleiner werdende Querschnitte bei den Reifen bedeuten», erläutert Ruprecht Müller vom ADAC-Technikzentrum in Landsberg (Bayern).

Schläge für das Fahrwerk

Schlicht gesagt konnte auf der kleinen Felge des Ur-Golfs ein Reifen mit einem dicken Querschnitt montiert werden - und das Ganze passte perfekt in das Radhaus. Auf einer riesigen Felge von heute muss dagegen ein ziemlich plattes Stück Reifen montiert werden. Das macht aber nicht nur optisch einen Unterschied: In den dicken Reifen von einst passte eine ganze Menge Luft, so dass der Reifen selbst schon manche Straßenunebenheit abfedern konnte. Bei einem aktuellen Reifen mit einem sehr geringen Querschnitt ist das nicht mehr der Fall. «Eine Folge ist, dass die Felgen übermäßig belastet werden», erklärt Müller.

Große Bremsen brauchen große Räder: Leichtmetallfelge am BMW M6 Foto: dpa

Auch für die Hersteller der Räder bedeutet das auf der anderen Seite erhöhte Anforderungen. Schließlich bekommt nun das Rad selbst als erstes die Schläge ab, die der Reifen nahezu ungefiltert weiter gibt. «Wir müssen schon einiges tun, um mögliche Deformationen zu vermeiden», bestätigt Reinhard Gebert. Dabei kommt speziell in Hinblick auf die Nachrüstung noch ein weiteres Thema hinzu: «Im Grunde müsste das Fahrwerk eines Autos angepasst werden.»

Auf dieses Problem weist auch Ruprecht Müller hin: Wenn auf ein Auto mit serienmäßigem Fahrwerk große Räder mit breiten Reifen aufgezogen werden, bekommt das auch der gesamte Rest des Wagens zu spüren. Das gilt vor allem dann, wenn mit den sportlichen Rädern eine entsprechende Fahrweise verbunden ist.

Begrenzte Flachheit

Auch wer auf hohen Komfort Wert legt, sollte sich die Montage großer Räder genau überlegen. «Der Komfort ist dann nicht mehr absolut gegeben - das kriegt man speziell bei Reifen mit einem so genannten 25er-Querschnitt nicht mehr so hin», erläutert Lars Döhmann, Sprecher des Reifenherstellers Continental in Hannover. Begünstigt wird der Trend zu immer größeren Rädern laut Döhmann aber auch von den Autoherstellern selbst - die steigenden Fahrzeuggewichte brauchen immer größere Räder, um den Wagen noch tragen zu können. Außerdem lassen sich in den riesigen Rädern größere Bremsen einbauen, die das rollende Schwergewicht stoppen können.

Vielleicht gibt es aber doch noch einen leicht zu übersehenden Faktor, der dem Radwachstum irgendwann einmal ein Ende bereitet - dann nämlich, wenn wegen der Größe die Reifenquerschnitte noch weiter sinken müssten. «Ende ist, wenn die Beschriftung der Reifengröße nicht mehr auf die Reifenflanken passt», sagt Reinhard Gebert. Denn diese Beschriftung ist genormt. (dpa)

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