Das deutsche Kfz-Gewerbe steht vor tiefgreifenden Änderungen. Ohnehin laufen die Geschäfte schleppend, nun fällt durch immer bessere Autos nach und nach Arbeit auf der Hebebühne weg. Obendrein buhlen Hersteller mit Lockangeboten um Kunden – zulasten der Werkstätten.
Von Harald Schmidt
Das deutsche Kfz-Gewerbe sieht sich durch zunehmende Herstellergeschenke an Kunden im Service bedroht. Der Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kraftgewerbe (ZDK), Wilhelm Hülsdonk, warnte davor, die beim Neuwagenverkauf inzwischen weit verbreitete «Rabattitis» zulasten der Werkstätten auf Serviceleistungen auszudehnen. Kostenlose Lockangebote seien ruinös. «Wer Werkstattleistungen verschenkt oder zu Ramschpreien verschleudert, legt die Axt an die wichtigste Ertragssäule des Betriebs», sagte er am Donnerstag.
700 Millionen Euro Minus durch Abwrackprämie
Ohnehin steht die Branche vor einer Zeitenwende, wie Experte Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft (IFA) betonte. In einer anlässlich der am Dienstag beginnenden Frankfurter Messe Automechanika veröffentlichten Studie betont er: «Das Servicegeschäft ist stabil, aber der Markt ist gesättigt und stößt an Wachstumsgrenzen.»
Zudem sei der Bestand an älteren Autos in Deutschland durch die Abwrackprämie zurückgegangen. Das habe dem Gewerbe mit einem Marktvolumen von 28 Milliarden Euro einen Umsatzverlust von 700 Millionen Euro beschert.
Nachlassender Reparaturbedarf
Insgesamt lasse der Reparaturbedarf nach, weil die Fahrzeuge immer besser und die Wartungsintervalle damit länger würden. Vor zehn Jahren sei ein Auto im Durchschnitt noch 4,2 Stunden im Jahr zur Wartung oder Reparatur in der Werkstatt gewesen, 2009 seien es 3,8 Stunden gewesen. Für 2020 prognostiziert Diez einen weiteren Rückgang auf 2,9 Stunden. «Das erhöht den Druck auf das Servicegeschäft.» Um den Geschäftsverlust zu kompensieren, müssten die Betriebe neue Geschäftsfelder finden und noch stärker auf Kundenwünsche eingehen.
Diez erwartet zudem neue Mitspieler im Servicegeschäft rund ums Auto, weil immer mehr Geräte im Auto nicht fahrzeuggebunden seien, sondern beweglich. Das gelte etwa für tragbare Smartphones anstelle eingebauter Navigationsgeräte. Durch die Elektromobilität drängten zudem Energiewirtschaft, Energiespeicherwirtschaft und neue Zulieferer in den Markt. «Das führt dazu, dass sich die Beziehung zwischen Kunden und Werkstatt verändert», sagte Diez.
Neue Impulse durch Automechanika
Der ZDK erhofft sich von der Automechanika neue Impulse für das Gewerbe, das seine Kapazitäten seit längerem jährlich um etwa 1,0 Prozent verringere. 2009 gab es nach ZDK-Angaben in Deutschland 38.300 Kfz-Betriebe mit 456.000 Beschäftigten. Allerdings sei die Branche nach dem Rekordjahr 2009 keinesfalls ins Tal der Tränen gestürzt, sagte Hülsdonk: «Wir sind vielmehr zur Normalität zurückgekehrt. Der Neuwagenverkauf läuft schwach, das Gebrauchtwagengeschäft erfreulich und der Servicebereich stabil.»
Die Automechanika gilt als die größte Werkstatt- und Autoteilemesse der Welt. Zu der inzwischen 21. Veranstaltung werden vom kommenden Dienstag bis Sonntag rund 150.000 Besucher erwartet. Auf dem Messegelände werden insgesamt 4486 Firmen aus 76 Ländern Innovationen rund um das Auto zeigen, Schwerpunkt ist das Thema Elektromobilität. (dpa)