Freie Sicht nur mit richtigen Scheibenwischern

Im Automobilbau wird gern über Innovationen gesprochen. Doch bei einem Bauteil ist das kaum der Fall: bei den Scheibenwischern. Dabei hat sich auch hier einiges getan.

Von Heiko Haupt

«Innovation» ist einer der Lieblingsbegriffe der Autobauer. Ständig werden neue Techniken entwickelt, um dem Fahrer neue Möglichkeiten und mehr Sicherheit zu bieten. An einer Stelle allerdings schien die Innovationslust der Konstrukteure bisher eher verhalten zu sein: direkt vor der Frontscheibe. Dort warten die seit Jahrzehnten gleich aussehenden Scheibenwischer auf ihren Einsatz bei Regen. Doch es lohnt sich, die Wischer genauer in Augenschein zu nehmen. Zum einen, weil sich hier in jüngster Zeit doch etwas getan hat. Zum anderen, weil die Wischer dann und wann einmal Beachtung brauchen, um optimal zu arbeiten.

Wenig Modifikationen

«Der Scheibenwischer ist tatsächlich sehr lange nicht stark modifiziert worden», bestätigt Hubert Paulus vom ADAC-Technikzentrum in Landsberg in Bayern. Verbesserungen hat es demnach vor allem im Hinblick auf den Fußgängerschutz gegeben: Die Arme der Wischer wurden besser hinter der Oberkante der Motorhaube verborgen, um bei einem Unfall kein zusätzliches Verletzungsrisiko zu bieten. Beim Seat Altea verschwinden die Scheibenwischer sogar hinter der A-Säule.

Die Technik dagegen blieb nahezu unverändert: Im Verborgenen werkelt bei den meisten Automobilen bis heute ein Elektromotor, der mittels Gelenken und Streben die Wischerarme in die gleichmäßige Bewegung versetzt. So wird dafür gesorgt, dass die schmalen Gummilippen der Wischerblätter das Wasser von der Scheibe abstreifen.

Bei Altea befinden sich die Wischerblätter hinter der A-Säule Foto: Werk

«Eine der wenigen wirklichen Innovation sind Wischerblätter, die ohne Metall auskommen und nur aus Kunststoff bestehen», meint Paulus. Diese so genannten Aerotwin-Wischer wurden vom Hersteller Bosch aus Stuttgart erstmals 1999 auf der IAA vorgestellt. Während die bekannten Wischer aus einem Bügelsystem mit Gelenkteilen und daran befestigtem Wischgummi bestehen, handelt es sich bei den neuen Modellen um ein einteiliges Gummiprofil. Die Wischwirkung soll unter anderem dadurch verbessert werden, dass die Wischer gleichmäßig über ihre gesamte Länge auf der Scheibe aufliegen. «In der Zukunft könnte das gelenkfreie Wischerblatt die bisherigen Wischer komplett ablösen», schätzt Bosch-Sprecher Ulf-Malte Wünsch.

Lange Funktionsfähigkeit

Doch auch an anderer Stelle macht das Thema Scheibenwischer Fortschritte. Mittlerweile kommt auch hier Elektronik zum Einsatz, um dem Wischergummi möglichst lange eine ordentliche Funktionsfähigkeit zu erhalten. Als besondere Feinde der weichen Wischlippe gelten nämlich vereiste Scheiben und auch zu langes Verharren in einer Position. Audi in Ingolstadt hat daher dem neuen SUV Q7 gleich eine ganze Reihe an Wischerextras mit auf den Weg gegeben.

So bemerkt die Elektronik zum Beispiel bei Minusgraden die bestehende Gefahr des Festfrierens der Wischer an der Frontscheibe. Um das Problem zu umgehen, werden die Wischerblätter ein Stück nach oben bewegt, so dass sie sich im beheizten Bereich der Frontscheibe befinden. Auch im Sommer ist die Elektronik wachsam: Wenn nämlich die Wischergummis bei gutem Wetter länger nicht zum Einsatz kommen, könnten sie sich ja in ihrer Ruhestellung unter Umständen verformen. Die Wischerblätter werden daher laut Audi regelmäßig etwas hin und her bewegt, um das zu verhindern.

Zwei Motoren

Aerotwin-Wischerblätter von Bosch Foto: Werk

Selbst das alte Prinzip des einsamen Antriebsmotors hat Konkurrenz bekommen. Laut Bosch erschien mit dem Phaeton von Volkswagen der erste Pkw, bei dem sich zwei Motoren um die Bewegung der Wischerarme kümmern. Sensoren stimmen dabei die Bewegung der beiden Wischer aufeinander ab. Außerdem sorgt die Technik dafür, dass möglichst weit in Richtung der seitlichen A-Säulen gewischt wird.

«Heute ist bereits jedes 20. neue Modell aus europäischer Produktion mit dem Zwei-Motoren-Antrieb ausgerüstet», so Wünsch. «Wir schätzen, dass sich der Anteil in den kommenden fünf Jahren verdoppelt.» Das gebräuchliche Uralt-Antriebsprinzip wird aber trotzdem noch einige Zeit zum Einsatz kommen - vor allem in Fahrzeugen, bei denen es stark auf den Preis ankommt.

Festfrieren größtes Risiko

Doch abgesehen von den technischen Neuerungen ist gerade das Scheibenwischergummi weiterhin ein empfindliches Teil. Als größtes Problem gilt Festfrieren an der Frontscheibe - verbunden mit Beschädigungen durch rabiates Eiskratzen. Aber es gibt noch andere Dinge, die leicht unterschätzt werden. So empfiehlt Hubert Paulus, die Frontscheibe regelmäßig von Rückständen zu reinigen, damit der Wischer gut arbeiten kann. Denn der ist nicht dazu da, mit seinem empfindlichen Material Rückstände wie die Chitinpanzer getöteter Insekten von der Scheibe zu rubbeln.

Apropos rubbeln: Wenn der Wischer solche unangenehmen Geräusche macht, ist er in der Regel am Ende seines Lebens angelangt. Laut Wünsch ist das Material dann verhärtet. Das Gummi neigt sich nicht mehr in die gewünschte Richtung. Ohnehin wird der Wechsel der Wischer spätestens vor einem anstehenden Winter empfohlen.

Sparsamkeit ist übrigens auch kein geeigneter Weg, den Wischer zu erhalten. Sven Janssen, Sprecher des Automobilclubs von Deutschland (AvD) in Frankfurt/Main warnt davor, das Wasser der Waschanlage mit Spiritus anzureichern. «Dadurch wird das Gummi angegriffen.» Und zwar nicht nur das der Wischergummis, sondern auch das der Schläuche in der Scheibenwaschanlage. (dpa)

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