Elektronischer Notruf rettet Menschenleben

Die EU-Kommission setzt sich für einen elektronischen Notruf nach Autounfällen ein. Der Einsatz des so genannten «eCall» könnte pro Jahr rund 2500 Menschenleben retten.

Von Thomas Geiger

Die Vorstellung ist der Alptraum jedes Autofahrers. Mitten in der Nacht platzt unterwegs der Reifen, das Auto kommt von der Fahrbahn ab, stürzt die Böschung hinunter und der Fahrer bleibt bewusstlos im Wagen liegen. Weit und breit ist niemand, der Hilfe holen kann. Der Verkehr fließt nur noch spärlich, und zu sehen ist der Unfallwagen vom Straßenrand auch nicht.

Goldene Minute hilft 2500 Menschen

Geht es nach der EU-Kommission, verlieren solche Situationen allerdings bald ihren Schrecken. Denn die Brüssler Behörde drängt ihre Mitgliedstaaten und die Fahrzeughersteller zum Einsatz von «eCall». Ein elektronischer Notruf soll, so sieht es der Plan der EU-Kommission vor, bei jedem Unfall automatisch die Rettungskräfte alarmieren und so wichtige Zeit für Leib und Leben sparen.

«Diese so genannte Goldene Minute könnte bei Verkehrsunfällen in Europa rund 2500 Menschen das Leben retten», zitiert Thomas Neumann, Chef des Zulieferers Continental Automotive Systems in Frankfurt/Main, aus der EU-Statistik. Sie weist für die europäischen Straßen bis dato 41.000 Todesopfer und 1,7 Millionen Verletzte aus.

26 Milliarden Euro eingespart

Zudem könnten bis zu 45.000 Verletzungen weniger schwer ausfallen und 26 Milliarden Euro an Kosten vermieden werden, sagt Dieter-Lebrecht Koch, Mitglied im Verkehrsausschuss des EU-Parlaments und Vorstandsmitglied im Europäischen Verkehrssicherheitsrat. Auch unfallbedingte Staus ließen sich vermeiden. «Der Hauptnutzen des Systems ist die Tatsache, dass es die Notdienste sofort über den genauen Unfallort informiert», heißt es bei der EU-Kommission.

«Deutschland verfügt bereits über ein vorbildliches Rettungswesen», sagt Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee. «Mit eCall wird das System mit Hilfe modernster Technik weiter verbessert, weil wir die Zeit vom Unfall bis zur Alarmierung der Rettungskräfte weiter verkürzen können.» Die EU-Kommission verweist auf entsprechende Studien: Sie hätten ergeben, dass die Wartezeit im ländlichen Raum um 50 und in städtischen Gebieten um 40 Prozent verkürzt werden könnte.

Technisch denkbar einfach

«Technisch ist der automatische Notruf denkbar einfach», erklärt ein Continental-Entwickler: Dafür müssten im Fahrzeug lediglich ein GPS-Sensor oder ein Navigationssystem sowie ein Mobiltelefon oder ein GSM-Chip eingebaut werden. Nach Angaben von Citroën-Sprecher Thomas Albrecht in Köln werden in derart ausgerüsteten Fahrzeugen die Notrufe vom System immer dann ausgelöst, wenn nach einer Karambolage ein Airbag oder ein Gurtstraffer zünden. «Wenn der Fahrer nur Zeuge eines Unfalls ist, lässt sich der Notruf auch durch das Drücken der SOS-Taste aktivieren.»

Ist die digitale Rettungskette erst einmal angestoßen, geht die Alarmierung nach Angaben aus der BMW-Forschung in München sehr schnell: Die Elektronik schickt eine SMS oder ein Datenpaket mit der genauen Position an die Rettungszentrale, während gleichzeitig eine Sprachverbindung ins Auto aufgebaut wird. Wenn die Passagiere noch ansprechbar sind, können die Helfer auf diese Weise schon unterwegs wichtige Informationen zum Beispiel über Verletzungen erhalten.

Praxistest erfolgreich

Im einem von ADAC organisierten Praxistest hat sich das System für Deutschland bereits bewährt, sagt Continental-Sprecherin Katja Mattl. In 94 Prozent aller simulierten Notfälle seien die Positionsdaten innerhalb der ersten 35 Sekunden in der Rettungszentrale eingetroffen. «Bei 83 Prozent der Notrufe war die Positionsgenauigkeit besser als 30 Meter, bei weiteren 15 Prozent besser als 100 Meter.» Verletzte können so schneller versorgt werden, da die Retter direkt zur Unfallstelle geleitet werden.

Neu ist eCall allerdings nicht. In den sehr viel dünner besiedelten USA werden solche Lösungen bereits seit mehr als zehn Jahren angeboten. Und auch in Europa bieten eine Reihe von Fahrzeugherstellern solche Telematik-Einheiten an - allerdings nur gegen Aufpreis. So gibt es einen entsprechenden SOS-Knopf auch neben dem Innenspiegel vieler BMW-Modelle, beim Connect-Navigationssystem von Fiat oder in den Multimedia-Systemen von Peugeot und Citroën.

Anrufe kostenlos

Vollkommen offen ist noch der Preis für die Technologie. «Anrufe und Datenübermittlung werden zwar wie der bisherige Notruf kostenlos sein. Doch was den Endkunden die Geräte für Kommunikation und Positionsbestimmung kosten werden, kann man bislang noch nicht absehen», sagt ein Continental-Entwickler. (dpa)

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