Bremssignale aus dem Äther

Kommunizierende Fahrzeuge

An der «Car to Car»-Technologie wird schon seit einiger Zeit herumgedoktert. Nun will ein weiteres Konsortium mittels Mobilfunk die Straßen deutlich sicherer machen.

Von Martin Woldt

Miteinander kommunizierende Fahrzeuge gelten in der Automobilindustrie schon länger als eine Art Geheimtipp, den Verkehr flüssiger und sicherer zu machen. Sie könnten helfen, etwa die über 80 Millionen Reisestunden zu reduzieren, die jedes Jahr auf deutschen Autobahnen allein durch Staus an Baustellen verloren gehen.

Königsweg «Car to Car»

In den Labors der Hersteller demonstrieren entsprechend ausgestattete Fahrzeuge schon einige Zeit ihre beeindruckenden Fähigkeiten. Ein Opel, der einen noch außer Hör- und Sichtweite herannahenden Krankenwagen ankündigt. Ein Volkswagen, der beizeiten über einen Unfall hinter einer schwer einsehbaren Kurve informiert. Ein Mercedes, der von plötzlich einsetzender Straßenglätte in zehn Kilometer Entfernung weiß.

Als Königsweg für diese blitzschnellen sogenannten «Car-to-Car»-Informationen galt bislang die Internettechnik W-LAN. Unter anderem, weil sie wegen ihrer massenhaften Verbreitung kostengünstig im Auto installiert werden könnte. Noch bis 2010 läuft in Hessen und Rheinland-Pfalz ein umfangreicher Praxistest. Beteiligt sind fast alle deutschen Hersteller. Mit ersten Anwendungen in Serienautos wird ab 2011 gerechnet.

Aufwändige Infrastruktur

Warnhinweis auch bei unübersichtlichen Stellen Foto: Ericsson

Nun hat sich ein weiteres Konsortium zu Wort gemeldet. Unter dem Titel «Cooperative Cars» versteht man sich als ergänzendes Projekt, wie Guido Gehlen vom federführenden Forschungslabor der Ericsson GmbH in Aachen erläutert. «W-LAN hat immer dann ein Problem, wenn kein entsprechend ausgerüstetes, anderes Fahrzeug in der Nähe ist, mit dem man sich verständigen kann.» Selbst ein großer Lkw zwischen zwei Car-to-Car-Partnern könne die Kommunikation stören.

Solche Lücken ließen sich nur durch den Aufbau einer aufwändigen Infrastruktur am Straßenrand schließen mit beträchtlichen Folgekosten. «Diese Investitionen wären mithilfe des Mobilfunks, der auf eine vorhandene Infrastruktur zurückgreifen kann, nicht notwendig», so Gehlen.

Arbeitsteilung der Systeme

Gleichzeitig sieht er eine Arbeitsteilung beider Systeme. Den Informationsaustausch an einer Kreuzung oder beim Einfädeln an einer Baustelle könne man sich auf W-LAN-Basis vorstellen. Die Mobilfunklösung reagiere im Falle von Glättewarnungen, ungewöhnlich starken Bremsvorgängen oder anderen Notsituationen, um entferntere Fahrzeuge zu informieren. Die Gretchenfragen des Projekts, ob die Mobilfunknetze leistungsfähig genug für solchen sicherheitsrelevanten Datenaustausch sind, hält Gehlen inzwischen für geklärt.

«Es dauert nur eine halbe Sekunde, bis andere Verkehrsteilnehmer eine versandte Information erhalten.» Die größeren Datenübertragungsraten der nächsten Mobilfunkgeneration würde diese Zeit noch verkürzen.

Fünf Millionen Fahrzeuge nötig

Ein Blick aufs Navi genügt Foto: Ericsson

Ein weiterer Knackpunkt sowohl der W-LAN- wie der Mobilfunklösung ist der Umstand, dass genügend Verkehrsteilnehmer mit entsprechend ausgerüsteten Fahrzeugen unterwegs sein müssen. Damit überhaupt relevante Informationen für den Austausch zur Verfügung stehen. Das wäre der Fall, wenn etwa zehn Prozent der Fahrzeuge ausgerüstet sind, berichtet Guido Gehlen. Doch das sind immerhin fünf Millionen Autos.

Um diese Zahl schnellst möglich zu erreichen, schlagen die Entwickler die Ausrüstung auf drei Wegen vor. Am schnellsten ließe sich die Lösung über mobile Navigationsgeräte und GPS-fähige Handys im Fahrzeug installieren. Wohl länger würde die Ausstattung mit fest integrierten Geräten benötigen. Letztere liefern allerdings die umfassenderen Informationen, weil sie direkten Zugriff auf die Fahrzeugsensoren haben.

Eine Zigarettenschachtel pro Monat

Navi und Handy beschränken sich vorerst auf die Auswertung ihrer Satellitenortung. Sie könnten damit aber bereits ungewöhnliche Bremsvorgänge erkennen und mitteilen. «Am besten wäre es», sagt Gehlen, «wenn solche Systeme auf der Plattform des von der EU geforderten automatischen Notrufsystems eingeführt würden.» Das soll ab 2012 mit jedem Neufahrzeug der Fall sein.

Nur würde die Mobilfunkanbindung den Neuwagen wohl auch teuerer machen. «Wir kalkulieren mit dem Aufwand einer Zigarettenschachtel pro Monat, also rund sechs Euro», erklärt Guido Gehlen. Ob sich die Hersteller dereinst in ihren Optionslisten daran noch erinnern, ist allerdings eine ganz andere Geschichte.

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