Auf der letzen Reise

Unfallverhütung

Hauptursache vieler tödlicher Unfälle ist das Abkommen von der Fahrbahn. Zumeist endet die Fahrt an einem Baum. Unfallexperten fordern eine Blackbox fürs Auto.

Von Martin Woldt

Sie eignet sich kaum noch, wie einst im Schlager besungen, zum Marschieren. Noch ist sie trotz ihrer Naturnähe eine besonders gute Adresse für romantische Gefühle. Auf der Landstraße, dort wo sich die Mehrzahl der Autofahrer im Vergleich mit allen anderen Verkehrswegen angeblich am sichersten fühlt, lauert am ehesten der Tod. 61 Prozent aller Verkehrstoten hauchen hier zuletzt ihr Leben aus, fünf Mal mehr als auf der mit größeren Ängsten behafteten Autobahn. Und er, der den besonderen Liebreiz der Landstraße ausmacht, ist zugleich die eigentliche Todes-Ursache: der Baum.

Fünf Sterne reichen nicht

Jeder fünfte im Straßenverkehr Verunglückte, tat seinen letzten Atemzug, weil ihn ein Straßenbaum nicht passieren ließ. Nach Untersuchungen der Schweizer Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) ist das Risiko, bei einem Baumunfall getötet zu werden, für Pkw-Insassen doppelt, für Motorradfahrer dreifach so hoch wie nach einer Kollision mit anderen Hindernissen. Wohl ist es wahr, dass sich die Zahl der Verkehrstoten von einem historischen Tiefststand zum nächsten hangelt. Die unfreiwillige Begegnung mit einem Baum hat ihren ultimativen Charakter darüber nicht verloren.

Auch wenn immer mehr Autos ihren Crashtest mit fünf Sternen absolvieren, bleibt Sicherheit in diesem Moment eine Illusion. Denn der EuroNCAP schreibt für den Test nur eine Aufprallgeschwindigkeit von 23 km/h vor. «In der Realität», sagt Dekra-Unfallexperte Jörg Ahlgrimm, «ist die Aufprallgeschwindigkeit oft mehr als doppelt so hoch.» Das schon, wenn sich die Fahrer an eine vorgeschriebene Reisegeschwindigkeit von 80 km/h hielten. «Bei der Kollision mit einem Baum wird die gesamte Aufprallenergie auf eine kleine Fahrzeugfläche konzentriert», erklärt Ahlgrimm. Dafür sei kein Auto konstruiert. Erst recht nicht, wenn der Aufprall mit dem Dach nach einem Überschlag oder mit der Seite nach einem Schleudermanöver erfolgt. Nach oben und zur Seite gibt es keine Knautschzonen.

Fahrpraxis unter Anleitung

Grausige Demonstration am Pfahl Foto: Dekra

Und als ob man das noch beweisen müsse, stand die entsprechende Demonstration im Mittelpunkt des diesjährigen Spektakels der Unfallforscher von Dekra und Axa-Winterthur-Versicherung diese Woche im schweizerischen Wildhaus. Um das Gefahrenpotenzial der Landstraße zu demonstrieren, simulierte man den Aufschlag eines außer Kontrolle geratenen Pkw mit einem Metallpfahl, respektive Baum. Die fliegenden Splitter, der laute Knall sind das eine, das andere, furchteinflößende die Tiefe, mit der der Baum in das Fahrzeug eindringt.

Rechnet man die Unfallzahlen des vergangenen Jahres hoch, waren solche Szenen aus anderer Perspektive für etwa 900 Unfallopfer die letzten ihres Lebens. Die Möglichkeiten dagegen wirksam etwas zu tun sind nicht unbegrenzt. Zum einen sind es vor allem junge Fahrer, wie man auch an den unübersehbaren Holzkreuzen ablesen kann, die derart von der Fahrbahn abkommen. Wie Ahlgrimm es sieht, fehlt ihnen oft noch die nötige Lebenserfahrung, um dem Augenblick gewachsen zu sein. Als Unfallforscher plädiert er deshalb dafür, dass sie mehr Fahrpraxis unter Anleitung erwerben können.

Blackbox fürs Auto

Der Empfehlung, Büsche statt Bäume entlang der Fahrbahn zu pflanzen, kommen längst nicht alle verantwortlichen Stellen nach. «Der ökologische Wert eines Baumes», greint Ahlgrimm, «hängt nicht mit seiner unmittelbaren Nähe zur Fahrbahn zusammen.» Gleichzeitig moniert er die viel zu dichten Abstände solcher Pflanzungen, die in Deutschland eher unter zehn Metern, in Skandinavien weiter darüber lägen.

Aus Forschersicht hält er überdies die Zeit für gekommen und die technischen Mittel für ausgereift, Fahrzeuge mit einer Blackbox auszurüsten, die Fahrer- und Fahrzeugverhalten in kritischen Momenten aufzeichnet. Denn es gibt nach wie vor zu wenig Einblicke in die Umstände jenes Momentes, da Fahrer von der Landstraße abkommen.

Für mehr als ein Drittel der 2007 auf diesem Verkehrsweg Verunglückten stand «Abkommen von der Fahrbahn» im Unfallprotokoll. Augenblicksversagen, technische Mängel, Sekundenschlaf ... in vielen Fällen bleibt die Frage danach unbeantwortet. In Deutschland sind 2008 knapp 4500 Menschen im Straßenverkehr ums Leben gekommen.

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