Yamaha YZF-R1: Unerschrockene erfahren ihre Grenzen bei 285 km/h

Yamaha hat aus der YZF-R1 noch mehr Leistung herausgekitzelt. Die 172-PS-Maschine bietet für einen Supersportler ein bequemes Sitzgefühl und überzeugt sowohl auf der Rennstrecke als auch auf der Landstraße.

Thilo Kozik

Seit ihrem Erscheinen im Jahre 1998 hat sich Yamahas YZF-R1 zu einem wahren Kultmotorrad entwickelt. Durch das störrische Verhalten der ersten Modelle hatte es sich den Ruf eines «Männermotorrads» erworben.

Bequemes Sitzgefühl

Doch das aktuelle Modell der R1 bricht mit dieser Vergangenheit deutlich und überrascht in vielerlei Hinsicht: Schon beim Aufsitzen stellt sich ein fast bequemes Sitzgefühl ein. Der großzügig bemessene Bewegungsspielraum passt fürs ambitionierte Rennstreckenturnen wie für die flotte Landstraßentour. Und das ist nur der erste Ausdruck der umfangreichen Modifikationen bis ins Detail, die nicht nur brachiale Leistung sondern vor allem Fahrbarkeit im Sinne haben.

So zeichnet sich der neue Hochleistungsmotor durch viele Adaptionen der hauseigenen MotoGP-Technologie aus, allem voran die ganzheitliche Konstruktion mit um 40 Grad nach vorn geneigten Zylindern, die die Konstruktion eines besonders stabilen Rahmens ermöglicht. Für eine höhere Leistungsausbeute vergrößerten die Konstrukteure die Bohrung und verkürzten den Hub auf 53,6 mm, wovon Spitzenleistung wie Drehfreude gleichermaßen profitieren. Um trotz der größeren Bohrungen die Baubreite im Zaum zu halten, wurden die Abstände zwischen den Zylindern verringert.

172 PS Leistung

Das Cockpit der Yamaha YZF-R1. Foto: Werk

Zudem ist er nun in „closed-deck“-Bauweise gefertigt: Das bedeutet, dass der Kühlkreislauf nach oben für eine bessere Effektivität geschlossen ausgeführt ist. Die fünf Ventile im dohc-Kopf stehen nun für eine bessere Füllung steiler zueinander, neue Brennräume erhöhten die Verdichtung. Zusammen mit einer neuen Einspritzanlage mit doppelten Drosselklappen, von denen eine Computer gesteuert den Durchlass freigibt, schwingt sich das Aggregat zu 172 PS bei 12.500 Kurbelwellenumdrehungen auf - mit entsprechender Staudruckaufladung sollen sogar 180 PS möglich sein.

Während Rundstreckennovizen die kurzhubigste Auslegung in der Riege der Tausender Supersportler entgegen kommt - es steht nicht schon mit Aufziehen des Gashahns eine überwältigende Energie parat -, wissen Erfahrene um die Schaltarbeit, die damit verbunden ist. Zumal sich das Yam-Getriebe etwas knochig verhält. Richtig Druck erzeugt der einzige Supersport-Fünfventiler erst ab 8000 Touren, dann hängt er sauber am Gas und zeigt die Drehfreude, die man angesichts der Nenndrehzahl von 12.500 Umdrehungen pro Minute erwarten darf.

Beherrschbar im Grenzbereich

Der Auspuff der Yamaha YZF-R1. Foto: Werk

Ganz Furchtlose halten wie bei einer Sechshunderter die Nadel des analogen Drehzahlmessers stets im fünfstelligen Bereich. Unterm Strich beschleunigt die R1 damit brachial, und selbst beim Durchzug erreicht der Kurzhuber Werte, die man ihm nicht zugetraut hätte. Und beim Thema Topspeed - mit 285 km/h ein dankbares Stammtisch-Thema - spielt die R1 in der Oberklasse. Doch so beeindruckend Leistung, Drehmoment (104 Newtonmeter werden als Maximum bei 10.500 U/min versprochen) und Höchsttempo auch ausfallen, so beherrschbar kommen sie einem vor.

Das liegt am sanften Ansprechen infolge der Doppeldrosselklappenstrategie und der schon erwähnten kurzhubigen Auslegung, doch auch das im Gegensatz zu früher unproblematische Handling trägt viel zum Sicherheitsgefühl bei.

Durch enge wie weite Kurven zieht sie sehr neutral ihre Bahn und lässt sich direkt und zielgenau Einlenken - der kleinste Zug am Lenker bedingt sofort die entsprechende Richtungsänderung. Insgesamt benimmt sie sich handlicher ohne jedwede Stabilitätseinbußen. Das liegt vermutlich am eigenen Weg, den die R1 beim Fahrwerk dank des stark vorgeneigten Motors geht: Die geradlinige Führung der Rahmenoberzüge ist extrem stabil und erübrigt im Gegensatz zu den üblichen Rahmenkonzepten eine Integration des Motors als mittragendes Element. Über Bodenwellen, Bitumenflicken und Asphaltpustel gleitet die R1 unbeirrt hinweg,

Sicher in Schräglage

Bei der Kurvenfahrt: Die Yamaha YZF-R1. Foto: Werk

Upside-Down-Gabel wie Zentralfederbein sprechen äußerst feinfühlig an und bügeln sämtliche Asphaltmacken glatt. Auf der Yamaha fühlt man sich in Schräglage sehr sicher, wenngleich die Rückmeldungen durch die eher soften Federelemente ein wenig gefiltert werden. Fürs Angasen müssen die komplett verstellbare Gabel wie Federbein fast ganz zugedreht und vorgespannt werden müssen.

Vor allem, weil man sehr schnell jede Menge Vertrauen in die verlässlichen Stopper bekommt. Insgesamt ist es erstaunlich, dass mit ein und derselben Grundabstimmung die Rennstrecke befahrbar bleibt und auf Landstraßen zweiter und dritter Ordnung immer noch ein gutes Maß Fahrkomfort geboten wird. Ungeachtet der technischen Vorzüge macht die Yamaha nach wie vor optisch eine gute Figur, die Designer haben es mit der R1 geschafft, Sportlichkeit und Eleganz zu kombinieren. Das liegt am Titanschalldämpfer, der unterm Heck hervor lugt, aber auch an der Liebe zum Detail, die sich unter anderem in den praktischen Schnellverschlüssen an der Yamaha-Verkleidung offenbart. Der Preis für das Hightech-Bike liegt bei 13.295 Euro.

Keine Beiträge vorhanden