Yamaha XJR 1300: Klassische Wuchtbrumme

Yamaha XJR 1300: Klassische Wuchtbrumme
Yamaha XJR 1300 © Foto: Werk

Die Yamaha XJR 1300 wartet mit keinem überflüssigen technischem Schnickschnack auf. Doch gerade aufgrund ihres klassischen Erscheinungsbildes ist dieses Motorrad ein faszinierendes Gefährt.

Von Thilo Kozik

Beim Anblick der Yamaha XJR 1300 wird selbst dem letzten Motorradfahrer klar: Es gibt sie noch, die klassischen Naked Bikes mit Charakter. Das macht die XJR natürlich mit ihrem prächtig zur Schau gestellten luftgekühlten Reihenvierer klar, der mit klassizistisch anmutenden Kühlrippen und der klassische Doppelschleifen-Rohrrahmen samt Blick fangenden Öhlins-Stereo-Federbeinen auftritt.

Uriges Big Bike

Kein Plastik-Schnickschnack lenkt den Blick von den sauber aufgeschichteten Kühlrippen ab, hier stellt sich uriges Big Bike-Feeling schon beim Anschauen und Aufsitzen ein. So ähnlich funktioniert das mit der Yamaha XJR schon seit zwölf Jahren, erst als 1200er, seit 1999 als 1300er. Dabei ist der Motor noch älter, war schon 1984 in der FJ 1100 ein echter Pfundskerl.

Das bedeutet vier Zylinder, aufrecht stehend, fein verrippt, luftgekühlt, fast schon ein Anachronismus in Zeiten Euro-3-konformer, kühlwasserumspülter Motoren. Yamaha hat tatsächlich weder Mühen noch Kosten gescheut, um dieses Fossil Euro3-tauglich zu machen. Einspritzanlage, Sekundärluftsystem und gleich drei geregelte Katalysatoren besorgen die Einhaltung der Umweltschutznorm. Das Aggreagt bringt es auf 98 PS und ein maximales Drehmoment von 108 Nm, die bei 6000 U./min. zur Verfügung stehen.

Klassisch - die Rundinstrumente der Yamaha XJR 1300 Foto: Werk

Dennoch hat die umweltpolitische Neuorientierung des bald ein Vierteljahrhundert alten Motors seinen Charakter nicht verwässert, sondern eher noch bestärkt. Die XJR ist eine Wuchtbrumme sondergleichen. Selbst wenn sie bisher noch nie ein Kind von Traurigkeit war, agiert sie aktuell vehementer und kraftvoller als je zuvor. Natürlich haben ihr ihre Väter nicht nur ein saubereres Auftreten verpasst, sondern auch mehr Drehmoment. Ein neues Profil der Einlassnocken und eine besonders kompakte Klappe im Auspuff zur Steuerung des Abgasstroms für verbessertes Drehmoment (EXUP) soll die Drehmomentausbeute gerade bei mittleren Drehzahlen optimieren.

Erstaunliche Dynamik

Der Motor der Yamaha XJR 1300 Foto: Werk

Dass dies eine gute Idee war, beweist die Zeit nach Drücken des Anlasserknöpfchens: Im Fahrbetrieb wummert der dicke Big Block unterm Fahrerhintern und murmelt bei jeder Drehzahl: Alles wird gut. Mit sattem Schub aus niedrigsten Drehzahlen und nicht übertrieben weichgespültem Charakter verhilft die Antriebsquelle der XJR zu einer erstaunlichen Dynamik. Nicht ohne Vibrationen, aber die fallen nur in Form eines leichten Kribbelns in Lenker und Sitzbank im Schiebebetrieb an. Etwas knochig wirkt das Fünfganggetriebe beim schnellen Herunterschalten und die hydraulisch betätigte Kupplung arbeitet recht straff, doch das war’s schon mit Kritik.

Klassisch zeigt sich auch das Fahrwerk. Eine Vertrauen erweckende Doppelschleife trägt den Motor in ihren runden Stahlrohren und verleiht der XJR eine unerschütterliche Stabilität auch bei nicht artgerechtem Highspeed über die Autobahn. Wohler fühlt sie sich indes auf Landstraßen mit weit geschwungen Kurven. Spurstabil und neutral kommt sie ums Eck, erst die Fußrasten setzen dem Schräglagenspaß ein Ende. In engen Biegungen verlangt sie indes deutlichen Körpereinsatz trotz des um fünf Kilo gegenüber dem Vorgängermodell gesunkenen Lebendgewichts. Aber von dynamischen 245 Kilo darf man kein elfengleiches Verhalten erwarten.

Neue Federelemente

Die Öhlins-Federelemente an der Yamaha XJR 1300 Foto: Werk

Uneingeschränktes Lob verdienen die neuen Federelemente der XJR. Vorn werkelt eine neue, voll einstellbare Gabel, hinten halten zwei noble Öhlins-Federbeine den Kontakt zwischen Rahmen und Alukastenschwinge. Diese sind nun nicht nur in der Federvorspannung, sondern auch in der Zug- und Druckstufendämpfung einstellbar. Tatsächlich fährt sich die neue XJR so geschmeidig wie keine ihrer Vorgängerinnen. Gabel und Federbein schlucken die meisten Nachlässigkeiten bundesdeutschen Straßenbaus. Neu ist indes, dass sich dieser Komfort bei Bedarf in eine sportlich knackige Fahrwerksabstimmung verändern lässt - für den ambitionierten Ritt über die Hausstrecke.

Zu dieser Fahrweise passen die Bremszangen aus dem R1-Regal wie die Faust aufs Auge. Im Bedarfsfall entsprechend effizient, kommt die einfach zu dosierende Bremsanlage zudem mit äußerst geringen Handkräften aus. Nach wie vor repräsentiert die große Nackte gehobenen Ausstattungs- und Verarbeitungsstandard: Kupplungs- und Bremshebel lassen sich fünffach einstellen, im Heckbürzel wird das Kleinzeug verstaut und vier Gepäckhaken pro Seite sorgen für sichere Gepäckverzurrung.

Yamaha XJR 1300 Foto: Werk

Weitere Änderungen für 2007 sind weiße Blinkergläser, ein doppeltes LED-Rücklicht, ovale Rückspiegel, neue Seitendeckel, eine serienmäßige Wegfahrsperre und eine leicht geänderte Sitzposition, bei der der Lenker etwas nach vorne wanderte und der Oberkörper geringfügig stärker vornüber gebeugt wird als bisher. Am guten Fahrkomfort selbst auf langen Distanzen knabbert die geänderte Haltung allerdings nichts, und die Sozia freut sich über ein breites, langes und weiches Sitzpolster.

Noch prägnanter wird die Rückbesinnung auf die glorreichen Siebziger mit der Farbvariante Midnight Black, die nun zur Verfügung steht. Mit der XJR erhält man bärige Vierzylinder-Power im klassischen Umfeld für ein uriges Big Bike-Feeling - eine klare, schnörkellose Ansage ohne Kompromisse. Der Preis bleibt dabei noch moderat: er liegt bei 9782 Euro.


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