Wüstes Jubiläum

Yamaha XT 660 Z Tenere

Wüstes Jubiläum
Ab ins Gelände © Foto: Yamaha

Vor einem Vierteljahrhundert schuf Yamaha mit der ersten Tenere den Prototypen der fernreisetauglichen Reiseenduro schlechthin. Mit ihrer neuen XT 660 Z Tenere würden die Japaner nur allzu gern an die Erfolge dieser Offroad-Legende anknüpfen.

Von Thilo Kozik

Machen wir es kurz und halten uns an die unter Motorradfahrern geläufige Bezeichnung: Statt des ausschweifenden Typennamens Yamaha XT 660 Z Tenere nennen wir die neue einzylindrige Reiseenduro des japanischen Herstellers einfach Tenere. Da ist er also wieder, jener legendäre Name, der seit Anfang der Achtziger ganze Heerscharen von zweiradelnden Abenteurern zu elektrisieren wusste - Tenere, das klingt nach Wüste, fernen Ländern und der Einsamkeit schier unendlicher Weiten, abenteuerliche Erlebnisse inklusive.

Weich gepolsterte Sitzbank

Mit der neuen 35 kW/48 PS starken Tenere möchte Yamaha trotz aller Modernisierung die alte Legende wiederbeleben. Auf den ersten Blick scheint das gelungen: Das hoch aufragende Frontschild mit dem zugegeben merkwürdigen Doppelscheinwerfer, die hochbeinige Linie und deutliche Gelände-Anmutung wecken tatsächlich Abenteuerlust. Die sich beim Aufsitzen noch steigert: Auf der schmalen, weich gepolsterten Sitzbank nimmt der Tenere-Treiber des Jahres 2008 eine äußerst relaxte Haltung ein mit entspannten Kniewinkel und lockerem Griff an den hohen Lenker.

Angenehmen Dauerbetrieb ermöglicht der erstaunliche Windschutz des Vorbaus, der nahezu jeglichen Winddruck vom Sonnenschild des Endurohelms nimmt. Hintern und Hüfte sehen sich gut abgestützt, doch der mangelnde Bewegungsraum stört Freigeister. Das gilt aber nur für die sitzende Fahrt. Im Stehen über Stock, Stein und Wüstensand stellt sich schnell Rallye-Feeling ein, selbst Normalgroße kommen gut an den Lenker und genießen dank der schmalen Taille guten Knieschluss.

So pflügen selbst Fahrer mit wenig Offroadkenntnis leicht und locker über Schotterpisten und fühlen sich ein bisschen wie Dakar-Helden, zumindest so lange, bis sie in tiefes Geläuf geraten. Für richtige Sandfelder sind die straßenorientierten Pneus vom Schlage eines Michelin Anakee eben nicht gemacht, trotz der geländetauglichen Dimensionierung mit großem 21-Zoll-Rad vorn.

Versteckte Kilos

Auf der Straße etwas fad Foto: Yamaha

Richtig schwieriges Gelände dürfte selbst für fortgeschrittene Abenteurer eine Herausforderung darstellen. Das liegt zum einen an der satten Sitzhöhe von fast 90 Zentimetern, mit der nur gestandene Mannsbilder keine Probleme haben dürften. Zum anderen aber auch an den zahlreichen Kilos, die sich zwischen Faltenbälgen und LED-Rücklicht versteckt haben: Kühler, Ölpumpe, Doppelscheibenbremsen, der stabile Stahlrohrrahmen, alles trägt sein Scherflein dazu bei.

Wie schwer das wirklich ist, spürt man erst beim Aufheben. Dann merkt man auch, wie sinnvoll die eher unschönen grauen Plastik-Protektoren an Tank und Seitenverkleidung sind: Beim Sturz schützen diese die wertvollen Bauteile wie Tank, Krümmer und Motorenperipherie vor Bodenkontakt, die paar Kratzer auf den vergleichsweise schnell und günstig ausgewechselten Kunststoff-Formteilen verleihen sogar noch Patina.

In der Wüste daheim

Passendes Terrain Foto: Yamaha

Passend für den Geländeeinsatz gibt sich auch der flüssigkeitsgekühlte Vierventil-Single, der samt Einspritzung unverändert aus den bekannten XT-Modellen stammt. Lediglich ein modifiziertes Kennfeld und der 6,8 Liter große Luftfilterkasten sind Modifikationen, die dem Einzylinder zu recht sanftem Ansprechverhalten verhelfen. Ab 3000 Touren drückt der 660er prächtig vorwärts und geht bis gut 5000 Umdrehungen sehr geschmeidig, dabei setzt er Gasbefehle ruck- und verzögerungsfrei um. Gerade das erleichtert das Vorankommen auf losem Untergrund ungemein.

Wieder zurück auf befestigtem Terrain wirkt der Geselle nicht mehr ganz so souverän. Über 5500 U/min, bei denen eigentlich das maximale Drehmoment von 58 Nm greifen sollte, wirkt er fad und beginnt trotz Ausgleichswelle mit zunehmenden Vibrationen zu nerven. Über die verschlungenen Asphaltpfade Südmarokkos flitzt die Yamaha durchaus stabil mit ansprechender Präzision, infolge der geringen Bewegungsmöglichkeiten will sie jedoch mit etwas Körpereinsatz durch Wechselkurven geführt werden. Dem passionierten Weltenbummler wird diese Dynamik schon etwas zuviel des Guten sein, deshalb hat die aktuelle Tenere eine zweite Bremsscheibe spendiert bekommen - des stärkeren Motors und des höheren Gewichts wegen. Deren Wirkung geht im Großen und Ganzen in Ordnung, allerdings agiert das Doppel vergleichsweise verhalten und defensiv auf den Zug am Bremshebel. Auf Schotter ist das aber auch besser so.

Unpraktischer Öleinfüllstutzen

Über Stock und Stein Foto: Yamaha

Ungeachtet des Einsatzzwecks weist die Enduro ein paar praktische Details auf, über die sich nicht nur Do-it-yourself-Profis abseits der Zivilisation freuen würden. Beispielsweise lässt sich die Leuchtweite des Scheinwerfers per Einstellrad im Cockpit variieren, die Birnen des Scheinwerfers sind im Handumdrehen ohne Werkzeug gewechselt und an der Gabelbrücke ist ein stabiler Ring angeschraubt, mit dem das Motorrad nicht nur auf Überseefahrten sondern auch für den Transport zur Inspektion beim Händler schnell und sicher verzurrt ist. Wenig praxisgerecht ist nach wie vor die Lage des Öleinfüllstutzens vorn am Rahmen - ohne flexiblen Schlauch bekommt man kein Öl ins Reservoir.

Verglichen mit dem gelungenen Rest sind dies jedoch Kleinigkeiten, die niemanden davon abhalten werden, sich mit der neuen Tenere auf Weltreise zu begeben. Angesichts des maßvollen Preises von knapp 7000 Euro dürften aber auch solche Motorradfahrer zur Yamaha kommen, die sich für eine Wüstenflair-Reiseenduro für mitteleuropäischen Asphalt interessieren.

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