Mit Super Duke erobert KTM die Straße

«Hard Enduros» waren bisher die Spezialität des österreichischen Motorradbauers KTM. Mit der auffälligen Super Duke geht es endlich auch auf die Straße.

Von Thilo Kozik

Jetzt ist es soweit: Die kleine, aber feine Motorrad-Manufaktur KTM aus Österreich nimmt Kurs auf die asphaltorientierte Zweiradwelt. Nachdem sich die Mattighofener bislang auf «Hard Enduros» für den Geländeeinsatz konzentriert hatten. Übrigens mit kolossalem Erfolg: Im Offroad-Kosmos haben sie von der Marktbedeutung her die gesamte Konkurrenz zu Statisten degradiert. Insofern gibt es hier keinerlei Expansionsmöglichkeiten mehr.

Verwinkelt und massig

Also befahl KTM-Chef Stefan Pierer den Schritt ins Straßensegment. Wobei die Mattighofener ihrem Credo treu bleiben und mit der Super Duke alles andere als massenkompatible Ware anbieten: So kommt die KTM böse verwinkelt und mit massiger Mitte daher, die von der kantigen Tankverkleidung dominiert wird.

Die gewöhnungsbedürftigen Scheinwerfer. Foto: Werk

Von vorn sieht sie fast einfältig aus mit den beiden übereinander angeordneten Scheinwerfern. Und das kupierte Stummelheck mit den beiden Schalldämpfern unterm Soziussitz ist schwer modern - MV Agusta Brutale und Speed Triple haben dafür gesorgt. Ganz klar, mit ihrer Design-Mixtur aus Sportler, Naked Bike, Enduro und Supermoto ist die Super Duke ein richtiger Provokateur, der die Zweirad-Klientel polarisiert.

Der Herzog will erobert werden

So verwundert es nicht, dass die stolze Super Duke auch ein bisschen erobert werden will; zumindest vermittelt der in stattlichen 855 Millimeter Höhe platzierte Sitz diesen Eindruck. Doch sobald man das Plätzchen geentert hat, stellt sich Wohnzimmer-Atmosphäre ein: Ziemlich relaxt und dennoch kompakt hockt man auf der Super Duke, das Ambiente erinnert ein wenig an Enduro, ein wenig an Supermoto. Auf jeden Fall zwingt der breite, konifizierte Lenker zu einer leichten Vorlage und weckt automatisch eine unterschwellige Bereitschaft zu sportlicher Fahrweise.

Klettern: Kein Problem. Foto: Werk

Dieses Gefühl verstärkt sich beim Anlassen des Vau-Zwo-Motors, wenn dieses wummernde Bollern aus den beiden Endstücken pulsiert und mit jedem Dreh am Gasgriff anschwillt. Ausgangsbasis des Super Duke-Aggregats ist der hochgelobte LC8 Motor aus der grobstolligen 950er: ein vertikal geteilter 75-Grad-Vau, bei dem die Kurbelwelle und die beiden Getriebewellen baulängensparend in verschiedenen Ebenen angeordnet sind. Zwischen den beiden Zylindern rotiert im «V» eine Multifunktionswelle für Steuerkette, E-Starter, Wasserpumpe, Gehäuseentlüftung und Massenausgleich. Damit erreicht der Motor extrem kompakte Dimensionen und zeichnet sich darüber hinaus durch vorbildliche Drehfreudigkeit aus.

Für druckvolleren Asphalteinsatz verfügt der Vau über mehr Hubraum von 999 Kubik, mittels größerer Bohrung und längerem Hub bereitgestellt, dazu die erste Einspritzung der KTM-Geschichte und schärfere Nockenwellen. Zusammen mit optimierten Ein- und Auslasskanälen und voluminöseren Krümmerrohren tischt der Vau 122 muntere PS und pralle 99 Newtonmeter Drehmoment auf.

Spricht direkt an

Abgesehen von dieser reinen Papierform und trotz der über eine zweite Drosselklappe domestizierten Leistungsabgabe beeindruckt die Super Duke durch ihr unglaublich direktes Ansprechverhalten - die Pferdchen reagieren auf jeden Millimeter Dreh am Gasgriff. Geringere oszillierende Massen im Vergleich zum Ausgangsmotor lassen den Super Duke-Vau fast widerstandslos nach oben drehen; subjektiv gibt sich der KTM-Motor sogar drehfreudiger als alle aktuellen Vau-Zwo-Aggregate.

Kehrseite der spontanen Reaktionen sind heftige Lastwechsel, die die KTM mitunter richtig bockig werden lassen. Trotz Ausgleichswelle stellen sich ab 6000 U/min deutliche Vibrationen ein, die ein Konstanttempo verhindern. Doch entspräche dies ohnehin nicht dem Charakter des österreichischen Herzogs, der sich zwar im gesamten Drehzahlband wohl fühlt, für den Abwechslung aber über alles geht. Gibt man ihm die Sporen, genehmigen sich die schluckfreudigen 48er Schlünde der Drosselklappen sogar mehr als zehn Liter Sprit - unmäßig. In anbetracht des kleinen 15-Liter-Tanks bedeutet das lächerliche Reichweiten.

Ordentliche Abgasschleppe

Angesichts des unbotmäßigen Konsums mutet die Schadstoffentgiftung mittels je einer Lambdasonde pro Zylinder eher wie das berühmte Feigenblatt an, zudem sorgt die hinter der Super Duke aufgewirbelte Abgasschleppe für eine besonderes Aroma in der rückwärtigen Bekleidung.

Doch das interessiert nicht mehr, hat die SuperDuke ihr Revier erreicht: Kurvige Asphaltbänder aller Art mit fast beliebiger Untergrund-Qualität. Trotz weitgehender Vorgabe der Sitzposition verhält sie sich analog zum Motor. Spontan setzt sie Lenkimpulse um, die fein austarierten 197 Kilo Lebendgewicht lassen sich fast nach Belieben von einer Ecke in die nächste werfen, ohne irgendwie nervös zu wirken, im Gegenteil. Die SuperDuke ist durch nichts und niemanden zu erschüttern. Selbst auf notdürftig geflickten Winterschäden oder Auswaschungen von Sommergewittern zieht die KTM unbeirrbar und stur ihre Bahn.

Immer zu langsam

Die hochwertigen und mannigfach verstellbaren Federelemente der KTM-Tochter WP Suspension stecken dank für ein Straßenmotorrad ungewöhnlich üppiger Federwege alles weg, ohne durch zuviel Komfort Unruhe zu verursachen. So lenkt die KTM extrem präzise ein und vermittelt das Gefühl, dass man mit diesem Motorrad immer viel zu langsam unterwegs ist. Hinzu kommt eine Schräglagenfreiheit, die so manchen vermeintlichen Supersportler noch in die Ecke stellt, und extrem haftfähige Pirelli Diablo in T-Spezifikation, die dem Ganzen die Krone aufsetzen.

Das geht vor allem auf den sehr steifen, dennoch superleichten Gitterrohrrahmen zurück. Die ausgeprägte Handlichkeit und das leichtfüßige Einlenkverhalten liegt an besonders leichten Rädern und der cleveren Gewichtsverteilung: die 58 Kilo des Motors liegen dank bauhöhensparender Trockensumpfschmierung tief im Gitterrohrrahmen und bescheren einen niedrigen Gesamtschwerpunkt. Was den Herzog letzten Endes aber wirklich beherrschbar macht, sind seine machtvollen Stopper, die keinen Widerspruch dulden: Vier per Radialpumpe aktivierte Einzelbeläge verzögern die 320er Scheiben mit kristallklarem Feedback und gigantischer Wirkung. Für Ungeübte sogar eine Spur zu heftig.

Motorräder nicht nur für den Schlamm

Die Österreicher von KTM bauen eben kompromisslose «Sportmotorcycles», nicht nur für den Schlammeinsatz, sondern mit der Super Duke auch für die Straße. Diesen Ansatz im Hinterkopf, fällt die fehlende Praxistauglichkeit - keine Gepäckhaken, Sozius-Notsitz, feinnervige Vibs, Bärenkräfte verlangende Kupplung und nicht vorhandene Reichweite - des unverkleideten Sportlers nicht ins Gewicht. Im Gegensatz zu den 11600 Euro, die beim KTM-Händler dafür verlangt werden - aufgrund der geringen Verfügbarkeit und große Nachfrage übrigens kaum rabattfähig.

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