Hyosung 650: Koreaner präsentieren überzeugendes Mittelklasse-Motorrad

Die Hyosung Naked 650 könnte der Konkurrenz das Fürchten lehren. Das Motorrad aus Korea bietet nicht nur überzeugende Fahrleistungen, sondern ist auch ausgesprochen günstig.

Thilo Kozik

Wer hätte das noch vor wenigen Jahren gedacht: Aus Korea kommt mit der Hyosung Naked 650 ein richtig erwachsenes Motorrad: Es soll der etablierten Konkurrenz das Fürchten lehren.

Ahnlichkeit mit Suzuki SV 650

Der koreanische Hersteller Hyosung, vor 25 Jahren gegründet, produziert seit 1979 in enger technischer Kooperation mit Suzuki kleinvolumige Massenmodelle und Roller. Beim flüchtigen Blick auf das Hyosung-Motorrad scheinen die Japaner kräftig beigesteuert zu haben. Schließlich sieht die Naked 650 aus wie eine Reißbrettkopie der beliebten Suzuki SV 650.

Einer eingehenden Betrachtung hält dies jedoch nicht stand. Denn sämtliche Komponenten inklusive des Motors entwickelte die Hyosung-Entwicklungsabteilung - kurioserweise in Japan beheimatet - in Eigenregie. Produziert wird die Naked im heimischen Korea, der günstigen Fertigungskosten wegen. Damit kopiert Hyosung die japanischen Hersteller gleich im doppelten Sinne: Zum einen das Produkt, zum anderen die Taktik, mit der diese vor Jahrzehnten ihre Weltstellung eroberten!

78-PS-Motor

Von daher verwundert die enge technische Anlehnung nicht wirklich: Der Motor ist ein Vau-Zwo mit 647 Kubik, die aus 81,5 mm großen Kolben resultieren, die in den Zylindern 62 mm Weg zurücklegen - die SV hat mit 645 ccm ein fast identisches Hub-/Bohrungsverhältnis von 81 zu 62,6 mm. Hier wie dort handelt es sich um einen vierventiligen dohc-Twin mit 90 Grad Zylinderwinkel und Flüssigkeitskühlung. Allerdings verspricht der Hyosung Triebling mit 78 PS gleich sieben mehr als der Suzi-Vau.

Bei der Rahmenkonstruktion, der Geometrie, USD-Gabel und Doppelscheiben-Bremsanlage zeigen sich weitere starke Ähnlichkeiten. Und als sei das noch nicht genug, scheinen die in Gelb, Schwarz oder Blau erhältlichen Kunststoffteile vom gleichen Zulieferer zu stammen: Die Ergonomie ähnelt dem Vorbild haargenau und schafft auf Anhieb das gleiche Vertrauen erweckende Gefühl. Nur der Name auf dem Tank verrät die Herkunft vom asiatischen Festland. Zuverlässig wie das Original startet die Naked auf den kleinsten Knopfdruck. Geradezu auffordernd kräftig klingt der Motor aus dem rechtsseitigen Endschalldämpfer - übrigens per Sekundärluftsystem der Euro-2-Norm genügend.

Vortrieb zufrieden stellend

Der Rahmen der Hyosung. Foto: Werk

Dank nur scheinbar antiquierter Gemischaufbereitung per Vergaser lässt sich der 650er Vau sauber ans Gas nehmen. Sehr anständig überwindet das Hyosung-Aggregat das untere Drehzahldrittel, der Vortrieb fällt durchaus zufrieden stellend, wenngleich nicht ganz so druckvoll wie beim SV-Motor aus.

Den Punch im Keller haben die Ingenieure offenbar der höheren Spitze geopfert, was nicht nur der Drehmomentverlauf mit einem Maximum bei hohen 7500 U/min nahe legt. Oben herum wird der Vau nicht zäh, sondern gibt sich selbst knapp vor der 9000er-Redline noch quicklebendig und drehfreudig. So erscheint die angegebene Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h durchaus realistisch. Einhergehend machen sich deutliche Vibrationen bemerkbar, die sich mit zunehmender Laufleistung eventuell geben. Das dürfte für die hakelige Sechsgangbox nicht zutreffen, die sich durch einen zu kurzen Schaltausleger außerdem nur unpräzise und schwer schalten lässt. Das ist bereits aufgefallen und könnte alsbald durch einen längeren Hebel ausgemerzt sein.

Weniger Kritik muss das Fahrwerk einstecken, das ein leichtes, agiles Handling bei tadelloser Stabilität ermöglicht, gerade so, wie es sich Einsteiger vermutlich wünschen - trotz des insgesamt rund zwölf Kilo höheren Fahrzeuggewichts gegenüber einer SV. «Brillant» wäre für den ersten Fahreindruck allerdings mächtig übertrieben, doch das hat sicherlich niemand erwartet. Etwas zu unsensibel gehen Gabel und Federbein mit Schlaglöchern um, doch bieten beide dank der Dämpfungs-Verstellmöglichkeiten noch Feintuning-Optionen. Insgesamt benimmt sich die Naked selbst auf kaltem und rutschigem Asphalt manierlich, gut unterstützt von den Pirelli Diablo-Pneus in moderater Dimensionierung auf klassenüblichen 17-Zoll-Felgen im Fünfspeichen-Design.

Gute Bremsen

An der Bodenfreiheit gibt es nichts auszusetzen, auch nicht am Bremsvermögen. Die beiden 300-mm-Scheiben im Vorderrad stoppen die Fuhre nicht brachial, aber stets sicher und gut kontrollierbar. Für ein Budget-Bike gehen sogar Passgenauigkeit, Verarbeitungsqualität und Ausstattung in Ordnung. Gute Rückspiegel, ein Staufach unterm Sitz und das komplette Instrumentarium mit zwei Spritwarnlampen sind auch bei etablierten Motorrädern gern gesehene Details - und die Hyosung Naked kostet gerade mal 4999 Euro!

Ob die 650er aus Korea als ernst zu nehmender Konkurrent im Haifischbecken Mittelklasse-Motorräder auftaucht? Noch haben Suzuki SV 650, Ducati Monster 620 und Cagiva Raptor 650 das stimmigere und - man höre und staune - individuellere Paket geschnürt. Doch kommt erst einmal der Preis ins Spiel, dürfte so mancher Interessent schwach werden.

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