Harley-Davidson Sport Glide: Unerwartet agil

Harley-Davidson Sport Glide: Unerwartet agil
Die Harley-Davidson Sport Glide erweist sich als ausgesprochen agil. © Harley-Davidson

Wenn die Marketing-Leute von Harley-Davidson für ein neues Bike die Modellbezeichnung „Sport“ verwenden, ist stets Misstrauen angebracht. Nun versucht sich der amerikanische Traditionshersteller aus Milwaukee an der Sport Glide.

So heißt die neunte Variante der noch taufrischen Softail-Baureihe. Wer vor dem Motorstart die technischen Daten liest und das dort angegebene Leergewicht von 317 Kilogramm wahrnimmt, ist allerdings versucht, alle Hoffnung fahren zu lassen.

Doch das neueste Modell aus Milwaukee lässt sich unerwartet agil fahren, scheut auch vor Schräglagenwechseln im Fünfsekundentakt nicht zurück. Auf Teneriffa lässt sich das ausgiebig probieren, denn vom Meeresufer bis hinauf zum Fuß des mächtigen 3700ers Pico del Teide sind auf über 2200 Höhenmetern wahre Kurvenorgien zu absolvieren. Die Harley-Davidson Sport Glide bewältigt diese Herausforderung mit Bravour: Ohne permanentes Aufsetzen der Fußrasten lässt sie gefühlt weit höhere Schräglagen zu als die 27,9 Grad (rechts) bzw. 28,7 Grad (links) erwarten lassen.

Harley-Davidson mit guten Bremsen

Mit dem richtigen Luftdruck in den haftfreudigen Michelin-Reifen umrundet die Sport Glide alle Biegungen wie auf Schienen und lässt sich mittels geringem Drucks am schön breiten Lenker von einer Kurve in die nächste werfen.

Klar: sportlich talentierte Nakedbikes wie beispielsweise eine Ducati Monster, Triumph Speed Triple oder eine BMW R 1200 R können das mindestens zwei Nummern besser. Aber das kann und darf nicht der Maßstab für eine durch und durch echte Harley sein. Gemessen an anderen Harleys ist es eine (unerwartete) Freude, wie zügig und berechenbar sich dieses Sechszentner-Bike bei Bedarf berg-, aber auch talwärts scheuchen lässt.

Die Bremsanlage verzögert trotz nur einer Scheibe im Vorderrad gut, das mit USD-Gabel und liegendem Federbein ausgestattete Chassis macht seine Sache im Großen und Ganzen ebenfalls prima. Vorteilhaft ist es, Anpassungsbremsungen vor Kurven möglichst nur mit der (kräftigen) Hinterradbremse auszuführen, weil die anfangs etwas zu weich ansprechende Gabel auf den ersten Zentimetern heftig zuckt und damit Unruhe ins Fahrwerk kommt.

Harley auf neuer Softail-Platform

Ursache des freudvollen Fahrverhaltens ist die für 2018 neu entwickelte Softail-Plattform, auf der mittlerweile neun Modelle basieren. Neu ist der leichtere und zugleich steifere Rahmen, neu sind Gabeln, Dreiecks-Stahlschwinge und das versteckt unterm Sitz liegende Federbein, das zudem mittels eines Handrads relativ leicht verstellbar ist (Aber Achtung: Verbrennungsgefahr durch den Auspuffkrümmer). Neu ist in dieser Baureihe auch der wunderbar am Gas hängende Milwaukee-Eight 107 Motor; er schüttelt seine 145 Newtonmeter Drehmoment förmlich aus dem Ärmel, ohne dabei ungebührlich zu schütteln.

Seine 62 kW/84 PS sind bestens nutzbar, so dass Zwischensprints wie auch Überholmanöver leicht fallen, ohne übers Herunterschalten nachdenken zu müssen. Ein durch und durch prächtiger Motor, dazu ein fein schaltbares Sechsganggetriebe, alles völlig lastwechselfrei agierend.

Harley-Davidson Sport Glide. Foto. Harleyy
Die Harley-Davidson Sport Glide hinterlässt einen guten Eindruck. Foto: Harley-Davidson

So wichtig ein gutes Fahrverhalten für ein Motorrad mit „Sport“ im Namen auch ist: Im Fall einer Harley ist das trotzdem nicht das A und O. Wichtiger als bei fast allen anderen Marken ist das Feeling. Hier überzeugt die Sport Glide ebenfalls als würdiges Mitglied der Company-Familie. Und pfiffig gemacht ist sie obendrein: Die Batwing-Frontmaske ist mit ein paar Handgriffen in wenigen Sekunden demontierbar, auch die serienmäßigen, recht schmal gehaltenen Seitenkoffer sind binnen Sekunden abzunehmen. Anscheinend kann man auch in Milwaukee funktional überzeugende Lösungen erarbeiten, wenn man nur will, oder vom Wettbewerb animiert wird. Optional gibt es unter anderem ein etwas höheres Windschild, das für mehr Windschutz sorgen dürfte.

Preis liegt bei knapp 18.000 Euro

Knapp 18.000 Euro signalisiert die Preisliste für die Sport Glide in Vivid Black, 350 Euro zusätzlich kosten die Metallic-Farben Twisted Cherry (dunkles Rot) und Silver Fortune; in letzterer war das Testbike lackiert. Damit ist die Sport Glide nach Street Bob, Low Rider und Fat Bob die viertgünstigste der neun neuen Softails. Mit nachhaltigem Fahrspaß, guter Ausstattung (Tempomat, Keyless, automatische Blinkerrückstellung), feinem Fahr- und Sitzkomfort und bemerkenswertem Praxisnutzen gleichermaßen erscheint die Sport Glide besonders reizvoll. Und vielleicht wird sie irgendwann auch noch mit dem 114er Motor zu haben sein… (SP-X)

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