Suzuki spürt VW als «Klotz am Bein»

Streit in nächster Runde

Suzuki spürt VW als «Klotz am Bein»
Die Trennung zwischen VW und Suzuki ist vollzogen © dpa

Eskaliert die schwere Beziehungskrise zwischen VW und Suzuki zum handfesten Rosenkrieg? Der Vorwurf des Vertragsverstoßes verletze ihre Ehre, klagen die Japaner. Die Deutschen sehen sich im Recht.

Von Jan-Henrik Petermann und Dorothee Tschampa

Neue Runde im Gerangel zwischen Suzuki und VW: Die Japaner verlangen von Europas größtem Autobauer, den Vorwurf der Vertragsverletzung bis zum Monatsende ultimativ zurückzunehmen. «Suzuki hat unsere Vereinbarung nie gebrochen», beteuerte Konzernchef Osamu Suzuki am Donnerstag. Die Behauptung der Wolfsburger, sein Unternehmen habe mit der Bestellung fremder Motoren den gemeinsamen Rahmenvertrag missachtet, sei falsch. Schlimmer noch: Sie beschädige den Ruf des Kleinwagen-Spezialisten aus Fernost.

«Ehre Suzukis beträchtlich verunglimpft»

«Die Mitteilung von Volkswagen erschwert unsere Bemühungen, attraktive Produkte zu entwickeln, und verunglimpft die Ehre Suzukis beträchtlich», schimpfte der Vorstandschef. In einem Brief habe er seinen Kollegen, VW-Chef Martin Winterkorn, davon in Kenntnis gesetzt. Die VW-Zentrale beeilte sich zu versichern, dass seit der Beschwerde bei den Japanern vor knapp zwei Wochen keine neue Lage eingetreten sei.

«Volkswagen kann nicht nachvollziehen, dass die Einforderung vertraglich festgelegter Rechte "rufschädigend" sein soll», erklärte ein Sprecher. Wenn Suzuki Dieselmotoren von Konkurrenten beziehen wolle - es soll sich um Fiat handeln -, stelle sich der Konzern eindeutig gegen die eingegangenen Verpflichtungen. Daher habe VW vor kurzem entschieden, Anzeige auf Vertragsverletzung zu erstellen.

Kein gemeinsames Projekt zwischen VW und Suzuki

Seit Monaten knirscht es in der Zusammenarbeit der Autobauer heftig. VW und Suzuki hatten im Dezember 2009 eine Partnerschaft in Form einer sogenannten Überkreuzbeteiligung geschlossen: Die Deutschen übernahmen knapp 20 Prozent von Suzuki, während sich die Japaner mit 1,5 Prozent bei den Deutschen einkauften. Seither ist kein einziges gemeinsames Projekt zustande gekommen - die Misstöne und das Säbelrasseln wuchsen auf beiden Seiten umso mehr.

Vor Beginn der Automesse IAA spitzte sich der Konflikt vorige Woche dann zu. Auf die Anzeige aus Wolfsburg reagierten die Japaner äußerst verschnupft, verkündeten einseitig ihren Ausstieg und forderten VW auf, sein Aktienpaket zurückzugeben. Doch Winterkorn zeigte sich wenig beeindruckt: Er beharrte auf den Anteilen und räumte Suzuki eine «mehrwöchige Frist» zur Stellungnahme ein.

Verschiedene Vorstellungen der Partnerschaft

Die fiel nun für japanische Verhältnisse ungewöhnlich harsch aus. «Diese Partnerschaft liefert uns nicht den erwarteten Nutzen, sondern erwies sich für unsere Unabhängigkeit als Klotz am Bein», grantelt Firmenpatriarch Suzuki. VW habe auch nicht im dem Maß Technologien zur Verfügung gestellt, das man sich erhofft habe - obwohl dies aus japanischer Sicht «der Hauptzweck» der Kooperation gewesen sei. Nun gebe es kein Zurück mehr: Die Partnerschaft solle beendet werden.

Das Suzuki-Schreiben sei eingetroffen, bestätigte VW. Die Art der Reaktion habe aber für Verstimmung gesorgt: «Es handelt sich nach unserer Auffassung um internen Schriftverkehr, der auch so behandelt werden sollte. Derlei plakative Aktionen sind wenig hilfreich. Wir werden uns an dieser öffentlichen Debatte nicht beteiligen.»

VW-Chef Winterkorn: «Wir können es dort auch allein»

Auch die Japaner wollten keine Details aus der Beschwerde-Post nennen. Nur so viel: VW habe Anforderungen für zugelieferte Motoren aus dem eigenen Haus selbst nach mehrmonatigen Gesprächen nicht einhalten können. Als Alternativlösung habe man Suzuki gebeten, Dieselaggregate von VW und Fiat miteinander zu vergleichen. Es sei absolut «unangemessen», wenn der deutsche Partner nun plötzlich meine, dass dieses Verfahren die Rahmenvereinbarung untergrabe.

Mit großen Hoffnungen hatten die Unternehmen vor allem nach Indien geblickt. Auf dem Wachstumsmarkt wollten sie das Kleinwagen-Geschäft aufmischen. VW erwägt allerdings, eine Sonderversion seines neuen Kleinwagens Up für den Subkontinent zu entwickeln. «Wir können es dort auch allein», sagte Winterkorn am Rande der IAA. Das Engagement bei Suzuki bleibe aber bestehen. Die Japaner kündigten inzwischen an, im Bundesstaat Gujarat auf eigene Faust ein neues Werk zu planen.

Spiel mit verdeckten Karten

Der Ball liegt nun wieder im Wolfsburg. Beobachter halten es für möglich, dass VW ähnlich wie bei MAN bei Suzuki mittelfristig das Steuer an sich reißt. Das Mitspracherecht der Japaner zur Aufstockung weiterer Anteile - oder sogar zu einer Mehrheitsübernahme - könnte fallen, wenn auch der alte Kooperationsvertrag fällt. Einstweilen wollen sich die VW-Strategen aber nicht in die Karten schauen lassen. (dpa)

Vorheriger ArtikelSuzuki Grand Vitara 1.9 DDiS: Charmeur mit Haken
Nächster ArtikelStaumelder der Autogzette: Problemlos zum Volksfest
Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

Keine Beiträge vorhanden