Erdgas: Verwirrung an der Tankstelle

Schweizer Modell als Vorbild

Erdgas: Verwirrung an der Tankstelle
Eine Erdgas-Zapfsäule © Erdgas Mobil/Danny Kurz Photography

Die Preisdifferenz zwischen Erdgas und Benzin fällt an der Zapfsäule nicht so hoch aus. Dabei ist der alternative Kraftstoff viel günstiger als es das Preisschild deutlich macht.

Von Thomas Flehmer

Zwischen 1,15 und 1,38 Euro liegen gerade mal knappe 20 Cent. Die durchschnittlichen Preise für Erdgas und Diesel halten viele Autofahrer ab, über Erdgas als alternativen Kraftstoff nachzudenken. Aufgrund des Preises scheint Autogas mit seinen rund 75 Cent pro Liter sehr viel günstiger zu sein. "Die an der Tankstelle ausgezeichneten Preise sind für viele nicht Anreiz genug, um Erdgas als alternativen Treibstoff in Betracht zu ziehen", sagt Claudia Petersen von der Erdgas Mobil GmbH der Autogazette, "würden 71 Cent dort stehen, sähe es anders aus."

Erdgaspreis in Kilogramm statt Litern

Dass keine 71 Cent für Erdgas am Preismast stehen liegt darin begründet, dass der Kraftstoff anstatt in Litern wie bei Benzin oder Diesel in Kilogramm angegeben ist. Würde Erdgas, das über eine höhere Effizienz als Autogas oder Benzin verfügt, im so genannten Benzinliter-Äquivalent angegeben, würden die 71 Cent auf der Preistafel stehen.

"Die Preisgestaltung liegt im Argen", sagt Gerd Lottsiepen der Autogazette. Der verkehrspolitische Sprecher des Verkehrsclubs Deutschlands (VCD) fordert, dass Hersteller und Erdgasversorger sich an einen Tisch setzen, um die Mängel zu beheben. Ein erster Schritt dazu wurde bereits im vergangenen Monat in Brüssel getan. Das EU-Parlament hat eine Richtlinie verabschiedet, nach der zum einen bis 2020 flächendeckend Erdgas getankt und zum anderen die Preise transparenter gestaltet werden.

Kraftstoffpreis als Wahrnehmungsfaktor

Ein niedriger Preis könnte dann auch einen "kleinen Boom" beim Kauf von Erdgasfahrzeugen nach sich ziehen. "Die Relation der Kraftstoffpreise zueinander ist ein bestimmender Faktor für die Wahrnehmung der Wirtschaftlichkeit unterschiedlicher Antriebskonzepte", sagt Reinhard Otten. Der Fachreferent Umwelt Produkt der Audi AG sieht bereits Tendenzen, wenn sich zum Beispiel der Dieselpreis dem des Benzins annähert. Dann erscheinen deutlich mehr Presseartikel, die vorrechnen, dass sich Diesel-Pkw nicht mehr lohne, so Otten.

Die relativ hohen Kosten für ein Kilogramm schrecken so Interessierte ab, die sehen, dass zum Beispiel Autogas nur 75 Cent kostet. Dabei ist dieser Kraftstoff ebenso teuer wie Erdgas, wenn Erdgas in Litern auf der Preistafel erscheinen würde – unsichtbar dagegen bliebe weiterhin, dass Erdgas der viel effizientere Kraftstoff ist.

Überschaubare Tankkosten für Erdgasfahrzeuge

Auch in diese Richtung wird überlegt, ob die Kraftstoffe eventuell in Kilowattstunden eingepreist werden. Dann würde die Kilowattstunde von Super-Benzin etwa 18 Cent kosten, Erdgas stände mit knapp sieben Cent im Angebot. Allerdings werden dieser Richtung weniger Chancen zugerechnet, da die Verbraucher an Literpreise gewöhnt sind. "Die Umrechnung auf Kilowattstunden würde den Endverbraucher komplett durcheinander bringen", sagt Petersen, "die Preise müssen verbraucherfreundlich dargestellt werden."

Als Vorbild und Vorreiter gilt deshalb die Schweiz, wo das Benzinliter-Äquivalent bereits zur Anwendung kommt und eine steigende Nachfrage nach Erdgasfahrzeugen ausgelöst hat. Auch in Deutschland ist die Nachfrage nach Erdgasfahrzeugen steigend – allerdings immer noch im überschaubaren Rahmen. Knapp 2200 Fahrzeuge wurden in den ersten drei Monaten zugelassen. Denn neben dem fehlenden Preisvergleich, schrecken auch noch die Mehrkosten bei der Anschaffung ab. Dabei haben sich diese – je nach Gebrauch des Fahrzeugs – in relativ kurzer Zeit amortisiert.

Und die Tankkosten bleiben überschaubar. So gibt beispielsweise Skoda den Verbrauch beim Citigo G-Tec mit 2,9 Kilogramm Erdgas an, was knapp 3,30 Euro für 100 Kilometer an Kosten nach sich zöge. "Wir kommen auf ähnliche Kosten wie bei Elektrofahrzeugen", sagt Lottsiepen. Nur sind Erdgasfahrzeuge bereits in der Anschaffung sehr viel günstiger – egal ob der Kraftstoff in Kilogramm oder Litern angegeben wird.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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