«Wir werden es packen, wir ziehen es durch»

Seat-Chef Ericht Schmitt

Der spanische Autobauer Seat ist das Sorgenkind im VW-Konzern. Im Interview mit der Autogazette spricht Seat-Chef Erich Schmitt über Kosteneinsparungen, neue Modelle und den Vertrauensverlust in die Marke.

Seat-Chef Erich Schmitt zeigt sich für die Zukunft des spanischen Autobauers zuversichtlich. Obwohl die VW-Tochter im zurückliegenden Jahr einen Verlust von 49 Millionen Euro verbuchen musste, glaubt Schmitt schon für das nächste Jahr an eine Trendwende.

Schwarze Zahlen in 2008

«Wir gehen davon aus, dass wir 2008 wieder schwarze Zahlen schreiben werden», sagte Schmitt im Interview mit der Autogazette. Zur Erreichung dieses ehrgeizigen Ziels hat Schmitt, der vor seinem Amtsantritt Einkaufs-Vorstand bei Audi war, einen Zukunftsplan erstellt, der neben Kosteneinsparungen auch eine Ausweitung der Modellpalette vorsieht. So wird Seat «eine Limousine oberhalb des A-Segments herausbringen», wie Schmitt sagte.

«Seat passt optimal zu VW»

Autogazette: Herr Schmitt, wie lange wird es die Marke Seat noch unter dem Dach des VW-Konzerns geben?

Erich Schmitt: Für immer.

Autogazette: Woher nehmen Sie diese Zuversicht?

Schmitt: Ich weiß, dass wir ein gutes Team, ein gutes Programm haben. Seat passt optimal ins Netzwerk von Volkswagen.

Autogazette: Seat bleibt aber das Sorgenkind des Unternehmens?

Schmitt: Auch Sorgenkinder können sich gut entwickeln und andere überraschen.

Autogazette: Ab wann werden Sie denn die anderen überraschen, nachdem Seat im zurückliegenden Jahr einen Verlust von 49 Millionen Euro gemacht hat?

Schmitt: Wir gehen davon aus, dass wir 2008 wieder schwarze Zahlen schreiben werden.

«Limousine oberhalb des A-Segments»

Der Seat Altea FR Foto: Mertens/nz

Autogazette: Sie haben gerade einen Zukunftsplan angekündigt. Verraten Sie uns, wie er ausschaut?

Schmitt: Er hat verschiedene Elemente. Zunächst einmal müssen sie an den Kosten arbeiten. In diesem Bereich profitiere ich von dem, was ich in den zurückliegenden Jahren gemacht habe - nämlich Kosten zu reduzieren, zuletzt im Einkauf bei Audi. Natürlich müssen wir die Erlöse verbessern, doch hier verfügen wir über großes Potenzial in der Vertriebsorganisation. Daneben müssen wir auf der Produktseite einiges unternehmen. So werden wir eine Limousine oberhalb des A-Segments herausbringen. Wir sind gerade in Gesprächen mit den Gewerkschaften darüber, damit ein solches Modell in Martorell gebaut werden kann. Der Aufsichtsrat zeigt durch die Freigabe der Investitionen am besten, was ihm die Marke Seat wert ist. Das wird eine Motivation bei unseren Mitarbeitern und unseren Lieferanten auslösen.

Autogazette: Von welchen Investitionen sprechen Sie?

Schmitt: 75 bis 80 Prozent der Investitionen, die wir tätigen, sind Produktinvestitionen. Wir sprechen von jährlichen Investitionen in Höhe von 450 bis 500 Millionen pro Jahr, die der Aufsichtsrat der Volkswagen AG vor zwei Wochen für die nächsten Jahre genehmigt hat.

Autogazette: Sie haben auf der Bilanzpressekonferenz bereits Kosteneinsparungen angekündigt und gesagt, dass man deshalb mit den Mitarbeitern sprechen müsse. Mit anderen Worten: Sie schließen auch Entlassungen nicht aus?

Schmitt: Es gibt ein Bündel an Maßnahmen, die genutzt werden können. Hier diskutieren wir gerade mit den Gewerkschaften, welche Wege wir gehen können. Ich denke, dass wir in vier bis sechs Wochen eine vernünftige Lösung präsentieren können.

Gespräche mit Gewerkschaften

Seat Leon Cupra Foto: Werk

Autogazette: Sie sprechen mit den Gewerkschaften auch über Arbeitszeitverlängerungen und Lohnverzicht?

Schmitt: Unter anderem auch.

Autogazette: Entlassungen schließen Sie aus?

Schmitt: Wir wollen zunächst alle anderen Möglichkeiten ausschöpfen, bevor wir uns über Entlassungen Gedanken machen.

Autogazette: Was passiert mit der Marke, wenn Sie bis 2008 nicht in die Gewinnzone kommen sollten?

«Es gibt einen Vertrauensverlust in die Marke»

Schmitt: Sie stellen Fragen, die ich so nicht stelle. Wir werden es packen, wir ziehen es durch.

Autogazette: Wo liegen aus Ihrer Sicht die Kernprobleme der Marke Seat?

Schmitt: Es gibt einen Vertrauensverlust in die Marke, der durch viele Gerüchte geschürt worden ist. Wir müssen das Denken der Kunden zur Marke Seat verändern. Aus der Ferne betrachtet war es in der Vergangenheit so, dass zu wenig über die Marke Seat gesprochen wurde. Seat ist nur dann in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit vorgekommen, wenn es etwas Negatives zu berichten gab. Wir müssen zukünftig aktiver Veränderungen unserer Produkte kommunizieren. Seat muss auch in den Medien wieder positiver rüberkommen.

Autogazette: Weiß der Kunde überhaupt, wofür die Marke steht und weshalb er sich ein Auto von Seat kaufen soll?

Schmitt: Ich denke schon, dass der Kunde weiß, wofür die Marke steht. Wenn Sie sich einen Leon-Kunden anschauen, dann sind das junge Menschen, die designorientiert und zugleich sportlich sind. Das ist bei allen unseren Modellen so. Unser Markenleitbild «auto emoción» müssen wir jedoch wieder etwas intensiver leben.

Geld allein reicht nicht

Der Seat Ibiza Foto: Werk

Autogazette: Seat hat im vergangenen Jahr mit einem erhöhten Marketingaufwand versucht, dies zu verändern. Geglückt ist das indes nicht. Wieso sollte es jetzt besser werden?

Schmitt: Marketing allein reicht nicht aus. Man muss die Kommunikation im Unternehmen weiter stärken. Wenn wir in der Lage sind, die Limousine in Martorell zu bauen und die Mitarbeiter wieder stolz auf die Marke machen, so wie ich es von Audi kenne, werden wir einen entscheidenden Schub bekommen. Die Mitarbeiter, Händler und unsere Kunden müssen die Marke Seat bei Freunden, im Bekanntenkreis zum Glänzen bringen. Allein mit Geld bekommen sie das nicht hin.

Autogazette: Seat verfügt über eine geringe Modellpalette. War es ein Fehler, sich in der Vergangenheit nicht breiter aufzustellen?

Schmitt: Ich spreche nicht über die Vergangenheit, ich spreche über die Zukunft. Porsche-Chef Wendelin Wiedeking hat neulich ein Interview gegeben, das in etwa folgende Aussage hatte: Wo viel Schatten ist, ist auch viel Platz für Verbesserung. Genauso sehe ich es auch.

Autogazette: Wie stellen Sie sich denn nun die Modellpalette der Zukunft vor?

Schmitt: Wir haben mit dem Leon und dem Ibiza in ihren Segmenten zwei erfolgreiche Modelle. Ich stelle mir zudem vor, im A/O-Segment und im A-Segment neben zwei volumenstarken Modellen auch Nischenprodukte zu haben. Ich sagte bereits, dass wir mit der Limousine nun auch im B-Segment vertreten sein werden. Vielleicht bieten wir im B-Segment später auch einen Kombi an, wenn wir mit der Limousine erfolgreich sind.

Autogazette: Wann soll die Limousine kommen, noch in diesem Jahr?

Schmitt: Nein, so schnell sind auch wir nicht. Gute Firmen machen das in zwei Jahren. Daran wollen auch wir uns orientieren.

Autogazette: Und wann soll der SUV kommen, den Sie auf dem Autosalon in Genf präsentiert haben?

Schmitt: In einer ähnlichen Form wird dieses Fahrzeug noch in diesem Jahr kommen.

Autogazette: Was tut man bei Seat derzeit, um den CO2-Ausstoß seiner Modelle weiter zu reduzieren? Wird man auf verbrauchsgünstige Konzepte aus dem Konzernregal zurückgreifen wie BlueMotion?

«Dr. Winterkorn ist ein Streiter für Seat»

Der Seat Freetrack Foto: Mertens

Schmitt: Wir denken bei Seat darüber nach, auch Fahrzeuge anzubieten, die unter dem europäischen Grenzwert liegen. Wir können ja die Aggregate nutzen, die Volkswagen anbietet. Wir müssen dann dem Kunden überlassen, ob er darauf zurückgreift.

Autogazette: Es wird also auch BlueMotion-Modelle bei Seat geben.

Schmitt: Es wird mit Sicherheit Modelle geben, die unter 130 Gramm liegen. Wir arbeiten neben BlueMotion aber auch noch an anderen Konzepten.

Autogazette: Ist es für die Marke Seat vorteilhaft, dass Herr Winterkorn nun an der Spitze des VW-Konzerns steht?

Schmitt: Ich kenne Dr. Winterkorn seit meinem Eintritt bei Audi. In dieser Zeit haben wir immer gut zusammen gearbeitet. Er ist ein Enthusiast und Perfektionist, von dem ich viel lernen konnte. Dr. Winterkorn ist ein Streiter für Seat, wenn wir unser Konzept umsetzen. Etwas Besseres hätte es für die Marke nicht geben können.

Autogazette: Im zurückliegenden Jahr konnte Seat insgesamt rund 430.000 Fahrzeuge weltweit absetzen. Wie ist Ihre Erwartung für das laufende Jahr?

Schmitt: Es gibt natürlich einige Märkte wie Spanien und Deutschland, die nicht so gut gestartet sind. Dennoch wollen wir in diesem Jahr beim Absatz leicht über dem Vorjahr liegen.

Autogazette: Wenn wir uns die Kapazität in Martorell anschauen, dann können dort 500.000 Fahrzeuge produziert werden. Mit ca. 408.000 produzierten Fahrzeugen im Jahr 2006 ist man davon ja ein gutes Stück entfernt.

Schmitt: Ich sagte Ihnen bereits: Wir schreiben im kommenden Jahr wieder schwarze Zahlen.

Marktposition in Spanien enttäuschend

Erich Schmitt bei der Präsentation des Freetrack in Genf Foto: Mertens

Autogazette: Welche Märkte wollen Sie in Zukunft für die Marke Seat erschließen?

Schmitt: Ich bin leider ein Mensch, der wenig träumt. Ich habe zwar Visionen, aber die habe ich zur rechten Zeit. Ich möchte jetzt nicht Diskussion führen, welche neuen Märkte wir erschließen. Wir haben enormes Potenzial in Europa. Wir konzentrieren uns nun darauf, dieses auszuschöpfen und hier die Marke stark zu machen. Das trifft ebenso auf Spanien zu, dort sind wir derzeit die Nummer drei, worüber ich überhaupt nicht froh bin. So etwas kann nicht sein, das muss sich ändern.

Autogazette: Die Limousine kommt frühestens in zwei Jahren, wann kommt denn ein Kleinwagen?

Schmitt: Dr. Winterkorn hat hier bereits angekündigt, einen neuen Kleinwagen für VW entwickeln zu lassen. Sie können davon ausgehen, dass Seat davon profitieren wird.

Autogazette: Ist es ein Problem, dass man am Tropf des Shareholders hängt?

Schmitt: Die Fragestellung ist falsch. Die Marke Seat würde es ohne den VW-Konzern gar nicht mehr geben. Für mich geht es darum, wie wir intelligent für Seat die Synergien des Konzerns nutzen können. Wir haben eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen. Von daher ist es keine Belastung, sondern eine Hilfe.

Das Interview mit Erich Schmitt führte Frank Mertens

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