«Wir liefern – und betreiben kein Greenwashing»

Seat-Chef Wayne Griffiths

«Wir liefern – und betreiben kein Greenwashing»
Seat-Chef Wayne Griffiths mit dem Cupra Urban Rebel Concept. © Seat

Wayne Griffths ist Chef des Autobauers Seat und Cupra. Im Interview mit spricht der Manager über die E-Mobilität, den neuen Cupra Born und die Anstrengungen der Marke auf dem Weg zur Klimaneutralität.

Seat-Chef Wayne Griffiths zeigt sich zuversichtlich, dass die Produktionsstätte in Martorell bis 2025 zu einem Elektroauto-Werk umgebaut werden kann. «Aus Madrid gibt es bereits positive Signale. Die Regierung macht sich dafür sehr stark, auch gegenüber der EU», sagte Griffiths im Interview mit der Autogazette und dem Magazin electrified. Griffiths hatte für die Umsetzung dieses Plans die Unterstützung der spanischen Regierung und der EU gefordert.

«Wenn der zweitwichtigste Automarkt Europas einen solchen Schritt Richtung E-Mobilität macht, ist das auch im Sinne der EU. Unser Projekt ist nicht nur ein wichtiges strategisches Projekt für Seat, den Volkswagen-Konzern und Spanien, sondern auch für die EU», sagte der Seat-Chef. «Wenn wir die Grenzwerte erreichen wollen, gelingt das nur mit den kleinen Fahrzeugen. Und genau die wollen wir in Martorell produzieren», fügte er hinzu. Seat plant in Martorell eine jährliche Produktion von 500.000 Fahrzeugen.

Cupra Urban Rebel Concept auf IAA gezeigt

Die Seat-Tochter Cupra wird im Jahr 2025 als erstes kleines Elektroauto den Cupra Urban Rebel präsentieren, von dem die Spanier auf der IAA Mobility in München ein Konzept gezeigt haben. «Das Konzeptfahrzeug ist die bislang radikalste Interpretation des urbanen Elektroautos, das wir 2025 auf den Markt bringen. Es wird einen großen Beitrag zur Erreichung der CO2-Grenzwerte leisten», so Griffiths. «Wenn wir den Green Deal bis 2030 umsetzen wollen, müssen wir jetzt mit Nachdruck darauf hinarbeiten. Als Cupra tun wir dies, indem wir bis 2030 mit der Marke fast rein elektrisch sein wollen», fügte der Seat-Chef hinzu.

«Die Menschen sehnen sich nach realen Erlebnissen»

Autogazette: Herr Griffiths, die IAA hat mit einem neuen Konzept und Austragungsort einen Neuanfang versucht. Braucht es heutzutage noch solche Messen?

Wayne Griffths: Die Corona-Krise hat zwar gezeigt, dass die Digitalisierung immer wichtiger wird, doch die Menschen sehnen sich nach realen Erlebnissen. Auch wenn die Themen Nachhaltigkeit, Elektromobilität und Konnektivität eine zunehmend wichtige Rolle spielen, bewegt sich die Autobranche in einer sehr emotionalen Produktwelt. Das zeigen wir mit einem Auto wie dem Cupra Urban Rebel.

Autogazette: Inwieweit ist ein performanceorientiertes Modell wie der Cupra Urban Rebel das richtige Signal, wenn wir über Nachhaltigkeit und E-Mobilität sprechen?

Griffiths: Es ist genau das richtige Signal, weil es zu 100 Prozent elektrisch ist. Das Konzeptfahrzeug ist die bislang radikalste Interpretation des urbanen Elektroautos, das wir 2025 auf den Markt bringen. Es wird einen großen Beitrag zur Erreichung der CO2-Grenzwerte leisten. Wenn wir den Green Deal bis 2030 umsetzen wollen, müssen wir jetzt mit Nachdruck darauf hinarbeiten. Als Cupra tun wir dies, indem wir bis 2030 mit der Marke fast rein elektrisch sein wollen.

Autogazette: Spielt der Cupra Urban Rebel eine herausgehobene Rolle im Modellangebot?

Griffiths: Dieses Auto ist für uns ein wichtiger Schritt mit Blick auf das Volumen, aber auch für die Ansprache jüngerer Kunden, die sich ein emotionales Fahrzeug wünschen.

«Zeiten klassischer Automessen sind vorbei»

Der Cupra Born ist das erste E-Auto der Spanier auf Basis des MEB. Foto: Seat

Autogazette: Hersteller wie Toyota, Honda, Volvo, Fiat, Peugeot und Opel sind der IAA ferngeblieben. Zeigt das nicht, dass die IAA ein Auslaufmodell ist?

Griffiths: Die Zeiten der klassischen Automessen sind vorbei. Ich glaube aber, dass das Auto nach wie vor ein emotionales Produkt ist. Von daher ist es wichtig, dass die IAA mit einem neuen Konzept antritt wie mit Vorträgen, den Open Spaces und der Blue Lane. Ich glaube nicht, dass die Tage solcher Events vorbei sind, doch sie müssen emotionaler werden.

Autogazette: Klimaschützer und Aktivisten haben gegen die IAA protestiert und werfen der Branche Greenwashing vor. Können Sie einen solchen Vorwurf nachvollziehen?

Griffiths: Die Diskussion um CO2 und Dekarbonisierung ist gerechtfertigt und überfällig. Aber man sollte nicht das Recht auf individuelle Mobilität verteufeln oder sie aus den Städten verbannen. Es wird immer Menschen geben, die gerne Auto fahren, gerade auch ein emotionales Auto wie einen Cupra. Damit sie das tun können, liefern wir ihnen Elektroautos wie den Cupra Born, danach den Cupra Tavascan und zeigen mit dem Urban Rebel einen Ausblick auf ein kleines E-Auto für das Jahr 2025. Wir liefern – und betreiben kein Greenwashing.

Autogazette: Welche Rolle spielen für Sie Plug-in-Hybride?

Griffiths: Eine wichtige. Sie sind eine Brückentechnologie. Allein in Deutschland sind die Hälfte der Cupra Formentor Plug-in-Hybride.

«Wir müssen uns stärker aufs Sharing einlassen»

Seat bietet über seine Tochter Mo nun auch Elektro-Roller an. Foto: Seat

Autogazette: Paris hat in der Innenstadt gerade großflächig Tempo-30-Zonen eingerichtet. Begrüßen Sie eine solche Entscheidung?

Griffiths: Gerade in den Großstädten müssen wir lernen, den Platz zu teilen und die Fahrzeuge besser zu nutzen; wir müssen uns auch stärker aufs Sharing einlassen. Individuelle Mobilität ist nicht nur Vierrad, sondern auch Zweirad. Mit unserem E-Roller Seat Mó sind wir gerade in Barcelona im Sharing erfolgreich unterwegs. Der Verkehr in den Innenstädten muss sich deutlich reduzieren. Hier wird das autonome Fahren eine Schlüsselrolle spielen.

Autogazette: Ab wann wird denn die Zweiradmobilität, die sie mit Seat Mó anbieten, auch vom Umsatz eine relevante Größe spielen?

Griffiths: Wir gehen gerade mit unserem E-Scooter, dem Seat Mó 125, in die Märkte und steigern die Volumen. Ab einer Größenordnung von 20.000 Einheiten wird das Sinn machen.

Autogazette: Und ab wann erwarten Sie eine solche Größenordnung?

Griffiths: Durch Corona sind wir etwas zurückgeworfen worden. Bis Ende nächsten Jahres peilen wir dieses Ziel an. Die Entwicklung dieses Geschäfts wird in Südeuropa schneller gehen als in Nordeuropa.

«E-Autos machen nur mit sauberer Energie Sinn»

Autogazette: Der Weltklimarat IPCC hat in seinem neusten Bericht ein dramatisches Bild des Klimawandels gezeichnet. Bereits 2030 droht eine globale Erderwärmung um 1,5 Grad, zehn Jahre früher als erwartet. Sehen Sie die Autoindustrie hier in einer besonderen Verantwortung?

Griffiths: Wir befinden uns nicht nur in der Verantwortung, sondern sind bereits mitten dabei, dagegen etwas zu tun. Ich bin jetzt 35 Jahre in der Autoindustrie. Ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der sich die Dinge so schnell gewandelt haben.

Autogazette: Bis 2025 wollen Sie das Werk in Martorell auf ein reines E-Auto-Werk umgestellt haben…

Griffiths: …das ist unsere Zielsetzung und das ist eine Mammutaufgabe. Damit transformieren wir nicht nur unser Unternehmen, sondern auch Teile der spanischen Industrie. Aber allein die Autoindustrie kann das Klimaproblem nicht lösen, dafür braucht es das entsprechende Umfeld, aber auch die Anreize für die Kunden, diese Technologie zu kaufen. Man kann in Norwegen, Österreich, aber auch in Deutschland sehen, wie schnell der Weg in die E-Mobilität gehen kann, wenn die Anreize stimmen. Doch um die nächsten Schritte zu gehen, brauchen wir die richtigen Partner bei der Herstellung und Entwicklung dieser Autos. Das trifft auf die Batteriefertigung, aber auch die Erneuerbaren Energien zu. E-Autos machen nur Sinn, wenn man sie nicht nur mit sauberer Energie fährt, sondern sie auch damit produziert.

Autogazette: Der VW-Konzern will bis 2050 klimaneutral sein. Sind Sie da schneller?

Griffiths: Die Marke Cupra wird bis 2030, mit Ausnahme vielleicht von ein paar Plug-in-Hybriden, eine fast vollelektrische Marke sein. Mit Blick auf die Klimaneutralität haben wir die gleichen Ziele wie die anderen Marken des Konzerns.

«Wir wollen keine Autos machen, die jeder mag»

Autogazette: Wann wird es den ersten Seat als reines E-Auto geben?

Griffiths: Der Urban Rebel passt besser zu Cupra. Mit Seat konzentrieren wir uns darauf, die Plug-in-Hybridtechnologie auf den Markt zu bringen wie beim Leon und dem Tarraco. Man kann nicht alles auf einmal machen. Seat ist auch so mit seiner Palette mit PHEVs gut aufgestellt.

Autogazette: In Deutschland macht Cupra fast schon die Hälfte des Absatzes aus. Wann wird die Marke Cupra denn Seat beim Volumen überholt haben?

Griffiths: Deutschland ist schneller unterwegs als andere Märkte, auch bedingt durch den Erfolg des Formentor mit Plug-in-Hybrid. Aber wenn wir erst einmal den Cupra Born auf den Markt bringen, wird sich das ändern. Dieses Auto wird der Tipping Point beim Absatz sein.

Autogazette: Was wäre erfolgreich mit Blick auf den Cupra Born?

Griffiths: Erfolgreich bedeutet für mich zunächst, dass wir bereits dieses Jahr mit Cupra einen Umsatz von einer Milliarde Euro erreicht haben. Das hätten wir uns im vergangenen Jahr nicht erhofft. Die Marke Cupra gibt es erst seit drei Jahren. Wir sehen, dass die Marke verstanden wird, gerade von den jungen Leuten. Wir wollen keine Autos machen, die jeder mag. Wir wollen Autos für Autoliebhaber machen.

Autogazette: Wie wollen Sie konkret zur Klimaneutralität kommen. Durch Vermeidung von Treibhausgasen oder nur bilanziell?

Griffiths: Im ersten Schritt bilanziell, doch dann natürlich auch über die Vermeidung. So verwenden wir bei der Innenausstattung beim Cupra Born recycelbare Materialien von Seaqual. Hier wird das Material aus wiederverwertetem Plastik aus dem Meer gewonnen. Hier gehen wir bereits die ersten Schritte.

Autogazette: Wann werden Sie mit Seat aus dem Verbrenner aussteigen?

Griffiths: Das wird auch von der neuen Abgasnorm EU 7 abhängen. Dann sehen wir, ob die Fahrzeuge mit Verbrenner noch wirtschaftlich sind. Wir stellen jetzt E-Autos zur Verfügung, die Kunden müssen die Technologie nicht nur annehmen, sondern auch die Infrastruktur muss da sein. Von unserer Seite aus kann das schnell gehen.

«Letztlich müssen die Kunden unsere Fahrzeuge auch kaufen»

Der Cupra Formentor wird auch mit zwei Plug-in-Hybriden angeboten. Foto: Seat

Autogazette: Müssen Sie sich als Autoindustrie vorwerfen lassen nur das zu tun, was Ihnen die Politik mit scharfen CO2-Grenzwerten vorgibt?

Griffiths: Die gesetzlichen Vorgaben der EU werden von uns voll unterstützt. Doch letztlich müssen unsere Kunden auch die Fahrzeuge kaufen wollen. Der Cupra Formentor zeigt, dass das angenommen wird. Die Hälfte aller gebauten Formentor haben einen Plug-in-Hybriden.

Autogazette: Finden Sie ihr Transformationstempo angemessen?

Griffiths: Ich finde, dass es ambitioniert ist. Wie gesagt: Bis 2025 wollen wir Martorell zu einem E-Auto-Werk umgebaut haben. Spanien ist nicht nur der zweitgrößte europäische Automarkt, sondern wir sind auch der größte Hersteller des Landes.

Autogazette: Für den Umbau des Werks in Martorell auf ein E-Auto-Werk erwarten Sie ein Bekenntnis der EU-Kommission und der spanischen Regierung. Gibt es das schon?

Griffiths: Aus Madrid gibt es bereits positive Signale. Die Regierung macht sich dafür sehr stark, auch gegenüber der EU.

Autogazette: Und was ist mit der EU?

Griffiths: Wenn der zweitwichtigste Automarkt Europas einen solchen Schritt Richtung E-Mobilität macht, ist das auch im Sinne der EU. Unser Projekt ist nicht nur ein wichtiges strategisches Projekt für Seat, den Volkswagen-Konzern und Spanien, sondern auch für die EU. Wenn wir die Grenzwerte erreichen wollen, gelingt das nur mit den kleinen Fahrzeugen. Und genau die wollen wir in Martorell produzieren.

«Ich glaube nicht, dass wir zu spät dran sind»

Produktion des Cupra Formentor im Werk in Martorell. Foto: Seat

Autogazette: Sie gehen davon aus, dass Sie 2025 mit der Produktion loslegen können?

Griffiths: Ja, absolut. Das ist unser Bestreben.

Autogazette: Bis wann wollen Sie die avisierten 500.000 Fahrzeuge erreichen?

Griffiths: Das wird davon abhängen, wie schnell sich die Märkte Richtung E-Mobilität bewegen. Es wird aber in Zukunft Überseemärkte wie Mexiko oder Südamerika geben, für die E-Mobilität keine Rolle spielt, aber auch die wollen wir bedienen.

Autogazette: Sie sprechen mit Blick auf die Small-BEVs von einer Demokratisierung der Mobilität. Hätte es diese Demokratisierung nicht eher geben müssen?

Griffiths: Die Kosteneffekte, die Reichweite, das sind Punkte, für die man Zeit braucht. Eine der wichtigsten Messages der IAA war aus meiner Sicht die Vorstellung des VW ID. Life. Hier wurde die Plattform für die kleinen E-Autos präsentiert. Ich glaube nicht, dass wir zu spät dran sind, es ist der richtige Zeitpunkt.

Das Interview mit Wayne Griffiths führte Frank Mertens

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