«Was will Hollywood ohne Saab machen?»

Interview mit Saab-Retter Carsten Seifert

Seit einer Woche gibt es im Internet die Seite «Rescue-Saab.com». Mitgründer Carsten Seifert spricht im Interview mit der Autogazette über die Chancen der Aktion, Kundenloyalität und die Anwälte in John Grishams Romanen.

Die Saab-Vertragspartner des Mobilformums Dresden versuchen seit dem 19. Februar die traditionsreiche schwedische Automarke vor dem Untergang zu bewahren. Dazu wurde nach einem «nächtlichen Brainstorming» der «Rescue Saab» gegründet und die Internet-Seite «Rettet Saab» gelauncht. Seither haben sich bereits über 9000 Fans der Marke dort registriert. «Wir wollen es mit Hilfe des Vereins schaffen, einen Investor zu finden und ihn zu unterstützen«, sagt Carsten Seifert, Gründungsmitglied des Vereins und Assistent der Geschäftsleitung des Mobilforums, der Autogazette.

Kein PR-Gag

Seifert glaubt, dass die Rettungsaktion durchaus erfolgreich sein kann. «Wir haben gut eineinhalb Millionen Saab-Fahrer in der Welt. Wenn jeder zwei Tankfüllungen spendet, sind wir schon bei 180 Millionen Euro. Das wäre doch schon einmal ein gutes Budget für den Start. Zudem haben wir 1500 Saab-Händler auf der Welt. Wenn jeder von denen 10.000 Dollar spendet, kämen 15 Millionen zusammen», so Seifert. Sollte das Projekt scheitern, würden die eingezahlten Beiträge wieder zurückgezahlt werden.

Aufgrund der bereits hohen Resonanz sieht Seifert sogar eine kleine Chance, dass das Projekt funktionieren könnte. «Am Anfang klang es schon lustig, weil man es sich nicht vorstellen konnte. Aber der Zulauf der Saab-Gemeinde ist gigantisch. Darum sehen wir unsere Aktion als sehr realistisch an. Es ist kein PR-Gag, mit dem wir uns als Autohaus hinstellen und einfach ein bisschen die Glocken läuten.»

Hohe Wechselbarriere

Das Heck des Saan 9-3 Aero XWD Foto: Saab

Autogazette: Sie haben die Internet-Seite «Rettet Saab» eingerichtet. Wann rechnen Sie damit, das Unternehmen zu übernehmen?

Seifert: Wir wollen die Möglichkeit prüfen, was es bedeutet, sich an Saab zu beteiligen. Saab zu übernehmen klingt so negativ. Wir wollen es mit Hilfe des Vereins schaffen, einen Investor zu finden und zu unterstützen. Einerseits ideell, um zu zeigen, was für ein Machtpotenzial hinter Saab steht. Saab-Fahrer haben eine ziemlich hohe Wechselbarriere und sind nicht so schnell bereit, eine andere Marke zu fahren. Darum ist die Marke aufgrund der Kundenloyalität sehr stark. Dieses wollen wir in einem ersten Schritt mit der Einrichtung der Internetseite www.rescue-saab.com aufzeigen.

Autogazette: Suchen Sie einen Investor oder überlasen Sie das anderen?

Seifert: Beides. Wir wollen über die Community ein Budget sammeln. Wie groß dieses Budget sein wird, können wir nicht vorhersagen. Die Bereitschaft dazu ist aber schon sehr hoch. Wir haben feste Zusagen über gewisse Summen. Und das, ohne dass wir das Wort «Geld» richtig in den Mund genommen haben.

Autogazette: Dass die Retter irgendwann zur Kasse gebeten werden, wissen die im Internet Registrierten aber schon?

Seifert: Wir wollen keinen Zwang daraus machen. Alles wird auf freiwilliger Basis laufen. Man kann keinen Saab-Fahrer dazu zwingen, Geld zu bezahlen. Das wäre unseriös.

Zwei Tankfüllungen für die Rettung

Roger Cicero fährt Saab Foto: Saab

Autogazette: Wie viel Geld und wie viele Retter werden nötig sein, um die Marke vor dem Aus zu bewahren?

Seifert: Wir haben gut eineinhalb Millionen Saab-Fahrer in der Welt. Wenn jeder zwei Tankfüllungen spendet, sind wir schon bei 180 Millionen Euro. Das wäre doch schon einmal ein gutes Budget für den Start. Zudem haben wir 1500 Saab-Händler auf der Welt. Wenn jeder von denen 10.000 Dollar spendet, kämen 15 Millionen zusammen.

Autogazette: Das sind zwei Möglichkeiten, die allerdings auch ein Maximum darstellen...

Seifert: ...es kann aber auch ein finanziell potenter Mensch dabei sein, dem die Marke so ans Herz gewachsen ist, dass er so viel gibt, damit man gleich starten kann. Bill Gates hatte einen Saab in seiner Garage stehen, als er berühmt wurde. Es gibt aber auch ganz andere Größen, die hinter dieser Marke stehen. Welche Marke sind die Anwälte in John Grishams Büchern gefahren?

Autogazette: Saab?

Seifert: Das klingt lustig, spiegelt aber den Spirit auf Saab wider.

Autogazette: Sie haben auch prominente Saab-Fahrer wie Stefan Raab oder Bastian Pastewka angeschrieben oder wollen es noch tun. Haben Sie schon eine Rückmeldung erhalten?

Seifert: Wir haben noch keine festen Zusagen. Die Anschreiben sind aber auch noch nicht alle auf dem Weg. Es gibt aber auch schon Zeitungsartikel mit dem Wortlaut: «Was will Hollywood ohne Saab machen?» Da ist ein kleines bisschen Wahrheit mit dran.

Fertige Produkte auf den Markt

Der Saab 9-3X XWD feiert in Genf Premiere Foto: Saab

Autogazette: Planen Sie - ähnlich wie der Kultverein St. Pauli - auch andere Aktionen wie zum Beispiel den Verkauf von Retter-Shirts?

Seifert: Die Ideen stehen im Raum. Eine genaue Planung ist im Entstehen, aber nach vier Tagen kann man noch keine genauen Angaben machen. Dann würden auch andere einen falschen Job gewählt haben. Wir wollen auch nicht sagen: Hoppla, jetzt kommen wir, jetzt geht es los. Das wäre zu großspurig. Wir wollen als erstes die Saab-Community installieren und danach versuchen, einen Budget-Topf zu errichten. Und jeder, der Geld investiert, soll später auch beteiligt werden. Wir wollen deshalb auch nirgendwo das Wort «Spenden» lesen, sondern haben die Absicht, dass alle Einzahlungen, sollte das Projekt scheitern, wieder zurückgezahlt werden. Deshalb sitzen in unserem Vorstand Saab fahrende Anwälte und Unternehmensberater. Von denen werden wir akribisch beraten, was es heißt, Geld treuhänderisch zu verwalten.

Autogazette: Was muss nach der Übernahme als erstes mit Saab passieren, damit es wieder aufwärts geht?

Seifert: Als erstes müssen die fertigen neuen Produkte auf den Markt kommen. Zum Beispiel der neue 9-5. Dieses Auto fehlt uns einfach. Der alte 9-5 ist mit seinen zwölf Jahren völlig veraltet, aber der neue steht in den Startlöchern. Normalerweise sollte er dieses Frühjahr schon kommen, doch wurden von General Motors die Gelder für den Wintertest gekürzt und schon muss die Einführung um ein Jahr verschoben werden. Mit dem 9-4 verhält es sich ähnlich. Das Auto ist so gut wie fertig, es muss auf den Markt kommen, damit sich die Marke zeigen kann. Man sagt, Saab rentiert sich bei 100.000 verkauften Neuwagen pro Jahr...

Autogazette: ...diese Zahl erreicht Saab fast...

Seifert: ...aber eben nur fast.

«In allen Etagen im Gespräch»

Die Marke vor dem Abgrund Foto: dpa

Autogazette: Wie gerecht oder ungerecht finden Sie es, dass Volvo von der schwedischen Regierung finanzielle Unterstützung erhält, die Saab vorenthalten wird?

Seifert: Das muss die schwedische Regierung selber wissen, mit welchen Konzernen sie agiert und mit welchen nicht. Darüber zu urteilen vermag ich nicht.

Autogazette: Wie realistisch schätzen Sie selbst Ihre Pläne an?

Seifert: Wir sehen die realistisch in der Form an, dass wir sagen, wir können die Community schaffen und das Budget zusammen zu bringen und damit alles unterstützen. Wir sind innerhalb des Saab-Hauses in allen Etagen im Gespräch. Auch die schwedische Presse ist begeistert, dass so eine Aktion nicht aus Schweden, sondern aus Deutschland kommt. Über diesen Rückhalt aus einem anderen Land wurde in Schweden nicht mit gerechnet. Darum sehen wir unsere Aktion als sehr realistisch an. Es ist kein PR-Gag, mit dem wir uns als Autohaus hinstellen und einfach ein bisschen die Glocken läuten.

Amerika erwacht

Berauschend auf Schnee und Eis: Der Saab 9-3 Turbo X Foto: Saab

Autogazette: Aber «irrwitzig», wie Sie Ihre Aktion auf der Internetseite beschrieben haben, ist es trotzdem?

Seifert: Na klar, auf jeden Fall. Am Anfang klang es schon lustig, weil man es sich nicht vorstellen konnte. Aber der Zulauf der Saab-Gemeinde ist gigantisch. Nach nur vier Tagen haben wir die 7000er Marke geknackt. Hinzu kommen die Mails, in denen die Familien von ihren Saabs schwärmen.

Autogazette: Aus welchem Land haben sich bisher die meisten Saab-Fans registriert?

Seifert: Derzeit ist Schweden ganz klar auf der Nummer eins gefolgt von Deutschland, Amerika erwacht gerade. Das liegt aber daran, dass die internationale Aktion dort erst am vergangenen Montag gestartet wurde.

Das Interview mit Carsten Seifert führte Thomas Flehmer

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