Recaro setzt auf neue Geschäftsstrategie

Rückkehr nach Stuttgart

Recaro setzt auf neue Geschäftsstrategie
Die Geschäftsführung von Recaro. © dpa

Recaro ist für Liebhaber dynamischer Autos ein Synonym für Sportsitze. Nun kehr das Unternehmen von Kaiserslautern zurück nach Stuttgart – und will damit zugleich ein neues Kapitel in der Firmengeschichte aufschlagen.

Ein wenig paradox ist es schon. Mehr als 100 Jahre stand Recaro für Auto- und Flugzeugsitze, jetzt kehrt die Firma an ihren Gründungsort Stuttgart zurück - um eine neue Strategie zu entwickeln. Erklärtes Ziel: Die Marke Recaro zu Geld zu machen. «Wir schlagen gerade ein neues Kapitel unserer Firmengeschichte auf», sagt der geschäftsführende Gesellschafter Martin Putsch.

Anfang Mai verlagert die Recaro Holding ihren Sitz von der Autositzproduktion in Kaiserslautern zurück nach Stuttgart. Dorthin, wo alles begann. 1906 gründet der Sattlermeister Wilhelm Reutter dort die «Stuttgarter Carosserie- u. Radfabrik», baute später mit an den Prototypen des Volkswagens. In den 60er Jahren verkauft Reutter sein Karosseriewerk in Zuffenhausen an Porsche und spezialisiert sich auf die Sitzproduktion. In den 70ern kommen die Flugzeugsessel hinzu, 20 Jahre später Auto-Kindersitze.

Erschließung neuer Geschäftsfelder

Nun soll das Geschäft neu erfunden werden - Recaro will sich als «Markenunternehmen» positionieren, sagt Putsch. «Wir werden neue Geschäftsfelder entwickeln», erklärt der für Finanzen und Entwicklung zuständige Geschäftsführer Bernd Gaiser das Vorhaben. Eine schlechte Idee ist das nicht. Firmen mit einer starken Marke, so eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey, haben die Chance, dank höherer Preise auch höhere Gewinnmargen zu erzielen.

In den weltweiten Marken-Ranking großer Konzerne kommt das Unternehmen aber bislang nicht vor. Vor allem aber unter Autofans ist der Name ein Begriff. Gut 90 Prozent der Leser von «auto motor und sport» erklärten jüngst Recaro zu ihrem Lieblingssitz.

«Eine solche Strategie muss nicht scheitern, ganz im Gegenteil», sagt Jesko Perrey, Leiter der Marketing-Beratung von McKinsey. Im Geschäftskundenbereich hätten das erst wenige Unternehmen versucht. «Aber es gibt auch einige Beispiele, die ihre Marke wirksam eingesetzt haben» Ein Beispiel ist der Baumaschinen-Hersteller Caterpillar, der inzwischen auch Schuhe verkauft. Ein anderes der Chipzulieferer Intel, der auch Endkunden seinen Namen einbrannte.

Klares Wertversprechen

«Wichtig ist ein klares Wertversprechen für einen relevanten Markt», sagt Perrey. Im Falle von Recaro könnten das sportinteressierte Autofahrer sein. Schließlich schöpft die Firma immer noch aus seiner Bekanntheit bei Autoliebhabern. «Wir haben unsere eigene Identität geschaffen», sagt Hartmut Schürg, in der Geschäftsführung für Marke und Design zuständig. Attribute wie markant, erstklassig oder verlässlich schreibt er der Marke zu. Die Produktion für Luftfahrtindustrie sei eine gute Schule. «Reduktion auf das Wesentliche ist eine der wichtigsten Lektionen.» 2012 wurde ein Flugzeugsitz mit einem Designpreis ausgezeichnet.

In welche Richtung es letztlich gehen soll, ist nicht entschieden. Mehr als hundert Ideen liegen auf dem Tisch, ausgegoren ist noch keine. In den nächsten Monaten sollen Marktstudien erstellt werden, Vertriebskanäle getestet und Business Cases errechnet. «Entweder wir gründen ein neues Unternehmen, investieren in geeignete Firmen oder suchen Lizenzpartner», sagt Gaiser. Damit hat Recaro bereits Erfahrung. Die Autositz-Produktion hat die Firma 2011 an den US-Zulieferer Johnson Controls verkauft und verdient nun nur noch an der Nutzung ihres Namens mit.
Wie viel Geld dem Unternehmen in die Expansion stecken wird, sagt Gaiser nicht. Die Gruppe macht mehr als 350 Millionen Euro Umsatz im Jahr - vor allem mit den Flugzeugsitzen. Kunden sind die großen Airlines wie Lufthansa, Quantas, KLM oder Air China. Dass der Übertrag einer erfolgreichen Marke allein kein Erfolgsgarant ist, weiß man auch bei Recaro. Die Firma hat einige Jahre Relax-Sessel produziert. Jetzt wurde die Sparte eingestampft. Das Marktpotenzial sei am Ende zu klein gewesen, um profitabel wirtschaften zu können, erklärt Schürg.

Er ist überzeugt, dass Stuttgart der richtige Ort für den Neustart ist. Nicht nur die Nähe zur Flugzeugsitzproduktion in Schwäbisch Hall spiele eine Rolle. Er erhofft sich Impulse aus der Design- und Kulturszene. «Stuttgart ist für uns eine Design-Hochburg», sagt Schürg. «Diesen Ruf hat die Stadt zwar in den letzten Jahren etwas verloren, aber die Kompetenz ist noch da.» (dpa)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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