«Sieg der Gerechtigkeit»

Urteil zur Pendlerpauschale

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sieht die weitgehende Abschaffung der Pendlerpauschale als rechtswidrig an. Die Reaktionen auf das Urteil fielen unterschiedlich aus.

Die weitgehende Abschaffung der Pendlerpauschale verstößt gegen das Grundgesetz. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. Nach einem Urteil vom Dienstag verletzt die seit Anfang 2007 geltende Regelung den Grundsatz der Gleichbehandlung. Danach konnten Fahrtkosten zum Arbeitsplatz erst ab dem 21. Kilometer mit 30 Cent pro Kilometer von der Steuer abgesetzt werden.

Es gilt die alte Pauschale

Nach dem Urteil gilt vorläufig wieder die alte Pauschale. Damit können Pendler wieder ab dem ersten Kilometer der Strecke zwischen Wohnsitz und Arbeitsplatz 30 Cent pro Kilometer steuerlich absetzen. Millionen von Pendlern können nach dem Karlsruher Spruch mit Nachzahlungen rechnen. Mit dem Wegfall der Neuregelung wird die frühere Pauschale rückwirkend zum 1. Januar 2007 in Kraft gesetzt. Das gilt zunächst aber nur vorläufig: Theoretisch könnte der Gesetzgeber nun eine geänderte Entfernungspauschale einführen, die ebenfalls rückwirkend zum 1. Januar 2007 in Kraft gesetzt würde.

Nach den Worten der Verfassungsrichter hat der Gesetzgeber im Steuerrecht zwar einen großen Gestaltungsspielraum. Der Neuregelung fehle jedoch eine hinreichende sachliche Begründung. Das erklärte Ziel, mit Hilfe der jährlichen Einsparungen von 2,5 Milliarden Euro den Haushalt zu konsolidieren, reiche allein nicht aus. «Allerdings möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Gesetzgeber aufgrund der vorliegenden Entscheidung nicht verpflichtet ist, die Pendlerpauschale in ihrer alten Reform wieder einzuführen», sagte Vizepräsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung. Bei einer Neuregelung müssten die Vorgaben des Urteils beachtet werden.

Glos begrüßt Wiedereinführung

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hat die Wiedereinführung der Pendlerpauschale als einen «ersten steuerlichen Konjunkturimpuls» begrüßt. Die Nettoentlastung von 7,5 Milliarden Euro für die Jahre 2007 bis 2009 komme für die Arbeitnehmer «in diesen schwierigen Zeiten gerade recht», erklärte Glos am Dienstag in Berlin. Er begrüße deshalb die Ankündigung des Bundesfinanzministeriums, die Entlastung ungeschmälert wirken zu lassen und damit «einen ersten, steuerlichen Konjunkturimpuls zum 1. Januar 2009 zu verwirklichen».

Regelung für 2010 offen

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat unterdessen offen gelassen, wie eine künftige Regelung nach 2010 aussehen könnte. Es solle die notwendige Zeit gegeben werden, um eine solide Entscheidung zu treffen und auch andere Aspekte wie ökologische zu berücksichtigen, sagte Steinbrück. Er verwies darauf, dass die Abschaffung der Pendlerpauschale durchaus verfassungskonform gewesen wäre, allerdings nicht die Härtefallregelung. Steinbrück bekräftigte, dass die betroffenen Berufspendler möglichst schnell die Rückzahlungen bekommen. Auch werde es zu keinen Einsparungen an anderer Stelle kommen, um die Steuerausfälle zu kompensieren.

Der frühere CSU-Chef Erwin Huber hat das Pendlerpauschalen-Urteil des Bundesverfassungsgerichts als «Sieg der Gerechtigkeit» begrüßt. Huber wertete die Entscheidung am Dienstag als schwere Niederlage für Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und als Bestätigung für seinen Kurs als CSU-Chef: «Mein Einsatz für die Absetzbarkeit der Wegekosten der Arbeitnehmer ist damit vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden», sagte. Das Urteil sei ein «großer Erfolg für die CSU und ihren Kampf für die Arbeitnehmer und fleißigen Menschen». Die CSU war unter Hubers Führung mit der Forderung nach Rückkehr zur alten Pendlerpauschale in den Landtagswahlkampf gezogen, hatte sich in der großen Koalition in Berlin damit aber nicht durchgesetzt und schließlich die absolute Mehrheit eingebüßt.

Begrüßt wurde die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch vom Auto Club Europa (ACE). «Das Karlsruher Urteil korrigiert nicht nur eine höchst zweifelhafte Steuergesetzgebung, sie verschafft den Berufspendlern auch eine gewisse Entlastung. Jetzt kommt es darauf an, dass die Entscheidung des obersten Gerichts in ihrem materiellen Gehalt nicht politisch unterlaufen wird. Damit würde das allgemeine Rechtsempfinden schwer gestört», sagte ACE-Vorsitzender Wolfgang Rose.

Kritik vom VCD

Der Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD) hat indes gefordert, die Entfernungspauschale abzuschaffen. Die Pendlerpauschale stelle grundsätzlich eine ökologisch fatale und höchst unsoziale Steuersubvention dar, teilte der VCD in einer Presseerklärung mit. «Die Bundesregierung darf die alte Pendlerpauschale auf gar keinen Fall wieder einführen. Die Entfernungspauschale führt zu mehr Autoverkehr, erhöhtem Flächenverbrauch und zunehmender Zersiedelung. Und sie ist höchst ungerecht, da sie vor allem Besserverdienende begünstigt», saget VCD-Bundesvorsitzender Michael Gehrmann. (dpa)

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