Ansturm auf die Autohäuser

Abwrackprämie

Als Autohändler kommt man gegenwärtig erst spät abends ins Bett. Der ungewöhnliche Kundenansturm durch die Abwrackprämie zwingt zu Mehrarbeit. Die Brache fragt sich dennoch, ob alles nur ein Strohfeuer ist?

Raimond Gustorf hat zur Zeit alle Hände voll zu tun: In seinem Autohaus in Barsinghausen bei Hannover jagt ein Verkaufsgespräch das nächste, in Stoßzeiten unterschreiben die Kunden beinahe im Stundentakt und wöchentlich rollen mindestens zwei Autotransporter mit neuen Wagen auf den Hof. Die Abwrackprämie wirkt. «So etwas haben wir noch nicht erlebt. Wir hätten nicht gedacht, dass diese Prämie eine solche Initialzündung bringt», sagt auch der Präsident des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), Robert Rademacher. Dabei ziehe nicht nur die 2.500-Euro-Prämie aus dem zweiten Konjunkturpaket der Bundesregierung die Käufer in die Autohäuser - zusätzliche Kaufanreize der Hersteller verstärkten dies noch. Rademacher spricht von einer «nicht für möglich gehaltenen Sogwirkung». Die Umweltprämie gibt es beim Kauf eines Neu- oder Jahreswagens, wenn der Käufer dafür sein mindestens neun Jahre altes Auto verschrotten lässt.

Bereits mehr als 60.000 Anträge

Die Frage ist allerdings: wie lange hält der Ansturm noch an? Denn inmitten der Euphorie mehren sich die Befürchtungen, die Prämie könnte nicht für alle Kaufwilligen reichen. Das zeigt sich auch in den Autohäusern. «Es ist verrückt. Die Leute haben Angst, dass sie
nichts mehr bekommen», sagt Gustorf. Und so kauften Kunden, die eigentlich auf der Suche nach einem Volkswagen oder Opel waren, eben doch einen japanischen Kleinwagen, weil der auf dem Hof steht und keine Lieferzeiten hat. Mehr als 60.000 Anträge sind bei dem für die Prämie zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bis Anfang dieser Woche
bereits eingegangen. Und täglich werden es tausende mehr. Experten schätzen, dass der 1,5 Milliarden Euro schwere Topf bereits Mitte des Jahres ausgeschöpft sein könnte.«Es wird auch ein Leben nach der Umweltprämie geben müssen», stellt ZDK-Präsident Rademacher fest. Nach jeder Förderungsaktion falle man nicht «auf normal, sondern auf unter normal zurück». So rät der Verband den angeschlossenen fast 40.000 Händlern zu einem konsequenten Kostenmanagement. Rademacher ist dabei optimistisch: «Das Automobilgewerbe wird auch ohne Umweltprämie leben können.»

Rückläufiger Markt für Neuwagen

Davon ist auch der Vorstandsvorsitzende der Einkaufsgenossenschaft Automobile (EGA), Thorsten Cordes, überzeugt. In der EGA sind rund 160 Händler zusammengeschlossen. «Grundsätzlich muss ein Autohaus seine Kosten im Griff haben. Es sollte attraktive
und vernünftige Ware haben und sich nicht nur auf eine Marke konzentrieren», ist Cordes überzeugt. Der Mehrmarkenhandel sei heute zukunftsweisend. Autohändler Gustorf wird zunächst mit seinem Team weiterhin von früh morgens bis zum späten Abend Beratungsgespräche führen, Kaufverträge aufsetzen und neue Autos bestellen. Klein- und
Mittelklassewagen bis rund 15.000 Euro werden aber auch ohne Abwrackprämie weiter gekauft werden, ist sich der Autohaus-Chef sicher.

Chanchen auf ein normales Zulassungsjahr

Allerdings ist der Markt für Neuwagen in Deutschland inzwischen
rückläufig. «Wir leben nur noch vom Ersatzbedarf», sagt ZDK-Präsident
Rademacher. In normalen Zeiten - ohne Wirtschaftskrise - könnten
jährlich noch etwa drei Millionen Neuwagen in Deutschland zugelassen
werden. «Und wir haben gute Chancen, das mit dieser Prämie auch 2009
zu erreichen.» Im vergangenen Jahr waren knapp 3,1 Millionen Autos in
Deutschland zugelassen worden, 2006 waren es noch 3,5 Millionen. (dpa)

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