Vier Ringe greifen nach den Sternen

75 Jahre Silberpfeil

Die Bezeichnung Silberpfeil steht für ein Stück deutscher Automobilgeschichte. 75 Jahre nach dem Start der ersten Silberlinge blicken Mercedes und Audi ganz unterschiedlich auf die Anfänge des eigenen Motorsports zurück.

Von Stefan Grundhoff

Die Zeiten könnten besser sein, um den 75. Geburtstag der Silberpfeile im Hause Daimler zu begehen. Das Mercedes-Formel-1-Team bezieht heftig Prügel. Kein Wunder, dass Lewis Hamilton ein paar Runden im legendären W25-Rennwagen von 1934 gerade Recht kommen. Als die glänzende Rennzigarre zum Leben erwacht, geht ein Donnern über die Mercedes-eigene Einfahrbahn in Stuttgart-Untertürkheim. Hamilton, der der Konkurrenz als Weltmeister in der aktuellen Formel-1-Saison hinterher fährt, genießt die schnellen Runden auf dem kurzen Oval sichtlich. «Das Fahren des W25 ist nicht ganz einfach. Aber die Beschleunigung ist enorm - obwohl der Wagen 75 Jahre alt ist», berichtet Lewis Hamilton voller Anerkennung von dem ersten Silberpfeil. Fehlzündungen erscheinen bei dem Renn-Urgestein wie Donnergrollen und nur in Ansätzen mag man sich vorstellen, wie der alte W25 im Jahre 1934 beim Eifelrennen für Furore gesorgt hat.

Lange Erfolgstradition

Mercedes ist stolz auf seine Motorsporthistorie. Was hat man in den vergangenen 75 Jahren nicht alles gewonnen? 75 Jahre Silberpfeile heißt ein emotionaler Blick zurück auf Rennfahrergrößen wie Juan Manuel Fangio, Manfred von Brauchitsch, Sir Stirling Moss, Rudolf Caracciola oder Hans Herrmann. Sie feierten auf den alten Mercedes-Silberpfeilen grandiose Erfolge; siegten bei Eifelrennen, in Le Mans, auf der Nordschleife, in Monza und Spa.

In der Neuzeit machten die Silberpfeile nach dem Wiedereinstieg in die Formel 1 im Jahre 1994 wieder lautstark auf sich aufmerksam. Mika Hakkinen, David Coulthard oder zuletzt Lewis Hamilton fuhren sich in silbernen Pfeilen in die Rennsportsannalen. Nach dem Weltmeistertitel in der Saison 2008 verläuft das aktuelle Jahr jedoch lausig. Das Werksteam fährt hintenan, während ein Mercedes-Triebwerk im Konkurrenzrennstall von Ross Brawn von Sieg zu Sieg eilt. «Die Formel 1 früher und heute kann man gar nicht vergleichen», erzählt Ex-Rennfahrer Jochen Mass als er in den alten W-125er-Rennwagen von 1937 einsteigt, «mit diesen dünnen Reifen, der großen Motorleistung über Stunden derart präzise und schnell zu fahren ist nach heutigen Maßstäben nahezu unvorstellbar.»

1934 Beginn der Ära

Auf der REnnstrecke Foto: Mercedes

Der Begriff «Silberpfeil» stammt weder von Mercedes, noch von Audi. Zuschauer und Journalisten gaben den deutschen Rennern nach zahlreichen Erfolgen den einprägsamen Namen. Die Ära der Silberpfeile begann im Jahre 1934 mit dem Formel-Rennwagen W 25. Der 750 Kilogramm schwere Renner wird von einem Achtzylinder mit 3,4 Litern Hubraum angetrieben. Am Steuer des 354 PS starken Kompressors versetzte unter anderem Rudolf Caracciola seine Konkurrenz in Angst und Schrecken. Der Sage nach war der der Rennwagen bei der Gewichtskontrolle des Eifelrennens ein Kilogramm zu schwer. Das Abschleifen des Lacks brachte den Boliden unter die Gewichtsgrenze von 750 Kilogramm und ließ den an sich weißen Renner silbern funkeln. Zum 75jährigen Jubiläum zeigt sich der W 25 im Bestzustand. «Der Wagen ist bei uns seit 1977 nicht mehr gelaufen», erzählt Chefmechaniker Uwe Karrer, «die Restauration hat gut und gerne neun Monate Zeit in Anspruch genommen.»

Der Lärm des Nachfolgemodells W 125 scheint noch brachialer zu sein. Als Jochen Mass auf der Mercedes-Einfahrbahn in Untertürkheim ein paar schnelle Runden dreht, zeigt der ebenfalls 750 Kilogramm schwere Bolide, wieso er bis in die 80er Jahre hinein der leistungsstärkste Grand-Prix-Wagen blieb. Dank Kompressoraufladung holt der Achtzylinder aus 5,7 Litern Hubraum 435 kW / 592 PS. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von 320 km/h erzielte der W 125 in zwölf großen Preisen sechs erste, neun zweite und sechs dritte Plätze. Rudolf Caracciola wird auf ihm 1937 Europameister. Hans Herrmann pilotiert auf der Einfahrstrecke derweil einen W 196, das erste Nachkriegsmodell aus dem Hause Mercedes. «Den Helm hatte ich damals auch bei dem Rennen auf der Avus auf dem Kopf», lacht der 81-jährige Hans Herrmann, als er den offensichtlich betagten Kopfschutz anlegt, «das Fahren wird von Runde zu Runde besser. Macht einfach Spaß wieder einmal in dem alten W 196 zu sitzen.»

Einen Nasenlänge voraus

Hans Stuck im Auto Union Typ A Foto: Audi

Bei Audi sehen die Vorzeichen auf das 75-jährige Silberpfeil-Jubiläum deutlich positiver aus. Im Juli feiert der Konzern mit den Ringen das 100-jährige Firmenjubiläum. Während die Mercedes-Modelle ursprünglich weiß lackiert waren, setzte man bei Audi bereits frühzeitig auf das naturbelassene Aluminiumkolorit. Mercedes startete erstmals beim Eifelrennen am 3. Juni 1934 in silber; die Silberpfeile der Auto Union waren eine knappe Nasenlänge voraus. Sie starteten erstmals eine Woche vorher beim Großen Preis auf der Avus in Berlin. Mercedes musste seine Renner mit technischen Problemen komplett zurückziehen.

Die auf der langen Avus-Geraden bis zu 380 km/h schnellen Rennwagen der Auto Union wurden unter anderem von Hans Stuck und August Momberger pilotiert. Zu einem Sieg hat es beim ersten Rennen jedoch weder für Audi noch Mercedes gereicht. Am Ende gewann Alfa Romeo mit den Piloten Guy Moll und Achille Varzi. Regenkönig August Momberger landete mit seinem 295 PS starken Auto Union Typ A nach einem Ausfall des Trainingsbesten Hans Stuck immerhin noch auf Platz drei.

Rennwagen für 70.000 Reichsmark

Einige Auto Union-Modelle beim Posieren Foto: Audi

Im Vergleich zum Hauptkonkurrenten Mercedes-Benz trugen die Fahrzeuge der Auto Union zwar die gleiche Lackierung. Jedoch befand sich der lautstarke 16-Zylinder in der Mitte des Fahrzeugs hinter dem Fahrer. Das maximale Drehmoment des Typs C aus dem Jahre 1937 lag bei 870 Nm - bei 2.500 Touren und 520 PS. Die Kosten hielten sich nach heutigen Maßstäben im Rahmen. Gab Auto Union pro Jahr zwischen 1,3 bis 2,5 Millionen Reichsmark für das Rennengagement aus, so kostet ein Rennwagen seinerzeit gerade einmal 50.000 bis 70.000 Reichsmark.

Dafür gibt es in der heutigen Zeit nicht einmal ein Renngetriebe - weder in der Formel 1 noch in Le-Mans-Serie, wo beide Hersteller sich ihre Motorsportheimat gesucht haben. Ein Grund zum Feiern haben beide - und selten standen Stern und Ringe zu einhellig beisammen.

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