Reichlich Würze in aller Kürze

Der Mini wird 50

Der Mini ist innerhalb kürzester Zeit zur automobilen Stilikone emporgestiegen. Seine Geburt vor 50 Jahren verdankt der Kleinwagen einer Krisensituation.


Von Heiko Haupt

Vermutlich erinnern sich nur noch wenige an «Die Gitarre und das Meer» von Freddy Quinn. Kein Wunder, schließlich ist es ja auch schon ewig her: Vor mittlerweile 50 Jahren führte dieses Lied die deutschen Hitparaden gleich 18 Wochen an. Kaum zu glauben, dass mit dem Mini auch ein Auto seinen 50. feiert, an das sich jedoch wohl nahezu jeder erinnert - und das in seiner Ursprungsform ebenso wie als modische Nachfolge-Generation heute fast noch begehrter ist als in der Zeit seiner Entstehung.

Suez-Krise als Geburtshelfer

Dass sich Geschichte wiederholen kann, mag beim Gedanken an Schlager wie «Die Gitarre und das Meer» erschreckend klingen. Tatsächlich aber erinnert so manches an der Entstehungsgeschichte des Mini an aktuelle Krisenzeiten. Denn gestiegene Spritpreise und die Befürchtung, dass nur sparsame Fahrzeuge noch eine Zukunft haben, lassen weniger an die 50er Jahre denken als an die Themen des gerade vergangenen Jahres. Doch ab 1956 ging es auch in England um die damit verbundenen Probleme. Ursache war seinerzeit die zeitweise Schließung des Suez-Kanals, die zur sogenannten Suez-Krise führte.

Diese Krise und die Reaktionen darauf führten dazu, dass bei der British Motor Corporation (BMC) in Longbridge der Auftrag erteilt wurde, möglichst schnell einen neuen Kleinwagen auf die Räder zu stellen. Beauftragt wurde damit ein gewisser Alexander Arnold Constantine «Alec» Issigoinis. Was dem Konstrukteur mit auf den Weg gegeben wurde, erinnert ebenfalls an die aktuelle Situation der Autoindustrie. Seinerzeit plagte die Hersteller der Umstand, dass sich wenig Geld in den Kassen befand. Die Konstruktion des Wagens durfte daher keine Unsummen verschlingen. Unter anderem war Alec Issigoinis daher gezwungen, einen bereits im Angebot befindlichen Motor zu verwenden.

Neumodischer Frontantrieb

Karger Innenraum Foto: BMW

Das allerdings änderte nichts daran, dass das Ergebnis wegweisend und vom Prinzip her einzigartig war. Als Anfang 1959 der endgültige Fertigstellungstermin näher rückte, wies das Auto Konstruktionsmerkmale auf, die damals keineswegs üblich waren. Sie sollten aber bis heute das Konstruktionsprinzip des Großteils aller Fahrzeuge von der Kleinwagen- bis hin zur Kompaktklasse prägen. Es begann damit, dass man sich für ein Frontantriebskonzept entschied. Und keines, bei dem der Motor wie üblich in Längsrichtung montiert wurde. Vielmehr drehte man ihn so, dass er quer vor der Fahrerkabine montiert werden konnte. Und das Team um Issigoinis friemelte auch noch das Getriebe samt Differenzial platzsparend unter das Aggregat.

Weil damit eigentlich alles beisammen war, um ein Auto anzutreiben, konnte der Rest komplett auf die Unterbringung von Passagieren ausgelegt werden. Der Mini bekam also kein Stufenheck mit großem Kofferraum. Vielmehr ermöglichte es das steile Heck, das Dach weit nach hinten zu ziehen und noch eine Rückbank unterzubringen. Außerdem nahm man vier kleine Räder, die an jeder Ecke der Karosserie untergebracht wurden, um ebenfalls möglichst wenig Raum zu beanspruchen. Trotz seiner Kürze von gerade einmal 3,50 Metern bot der neue Kleinwagen dadurch einen Innenraum, der dem einer 1,50 Meter längeren Standardlimousine jener Tage entsprach.

Zwei Varianten am Anfang

Sportliche Erfolge im Rallye-Sport Foto: BMW

Dass bei dem Auto auch an die Herstellungskosten gedacht wurde, zeigen viele Details, die später als liebenswert schrullig angesehen wurden. Zum Beispiel diese seltsamen Blechfalze zwischen Karosserie und vorderen Kotflügeln: Die waren kein Designelement - dahinter verbarg sich die Idee, dass die Karosserieteile sich so einfacher zusammenschweißen ließen. Auf ein herkömmliches Armaturenbrett wurde verzichtet - es gab eine Ablage und in der Mitte einen Tacho. Als Türöffner dienten zunächst schlichte Seilzüge.

Der Öffentlichkeit wurde das Ergebnis der genialen Konstruktionsarbeit erstmals am 29. August 1959 präsentiert - und zwar gleich doppelt. Angeboten wurde das Auto nämlich in zwei Varianten als Morris Mini-Minor und als Austin Seven, die sich nur in Details wie Kühlergrill oder Radkappen voneinander unterschieden.

Sportliche Version prägte Namensgebung

Sportliche Stärke mit dem Mini John Cooper Works Foto: BMW

Rein fachlich gesehen hatte Alec Issigoinis alles richtig gemacht: Der Mini übertraf alle Erwartungen an einen Kleinwagen und fuhr mit seinen 37 PS auch noch richtig gut. Sogar die seltsame Federung mit Gummielementen funktionierte besser als befürchtet. Für die Kunden allerdings war das Auto dann zunächst doch etwas zu seltsam - denn zu einem Verkaufserfolg wurde Mini in seiner Anfangszeit nicht.

Was aber nicht bedeutete, dass ihn niemand schätzte: Da gab es zum Beispiel einen gewissen John Cooper, der dem Kleinen eine sportliche Karriere zutraute. Cooper überredete den damaligen BMC-Chef zu einer Kleinserie eines sportlichen Ablegers - 1000 Exemplare sollten gebaut werden, Cooper sollte für jedes Auto zwei britische Pfund erhalten. Niemand konnte schließlich damit rechnen, dass der 1961 erschienene Mini Cooper einmal das Image des ganzen Autos prägen sollte. Immer noch gibt es Autoliebhaber, die glauben, dass der Mini schon immer eigentlich Mini Cooper hieß.

Wandel zur Stilikone

Nach und nach wandelte sich das Image des Mini vom seltsamen Gefährt zu einer Art früher Stilikone. Denn in den 60er Jahren gewann das winzige Auto nicht nur völlig überraschend echte Rallyes. Auch zahlreiche Prominente bekamen Geschmack an dem Kleinwagen, was auch bei den normalsterblichen Autofahrern Spuren hinterließ. Starthilfe gab niemand Geringeres als die britische Königsfamilie: Denn Lord Snowdon, Gemahl von Prinzessin Margaret, brachte Queen Elizabeth dazu, für eine Probefahrt im Mini Platz zu nehmen. Danach war es Schauspieler Peter Sellers, der seine Liebe zum Mini öffentlich machte, und sich immer mal wieder einen der Kleinwagen besonders nobel ausstatten ließ.

Was danach geschah, ist bekannt: Der Mini machte Karriere. Er wurde immer mal wieder überarbeitet, wurde als rollender Komparse in unzähligen Filmen eingesetzt - und mutierte vom etwas merkwürdig angesehen Kleinwagen zu einem in aller Welt geliebten Auto, dessen knuffiger Charme über die Jahre noch intensiver wurde. Mehr als 40 Jahre sollte er von den Bändern laufen, und erst im Jahr 2000 war nach 5.387.862 Exemplaren Schluss - für eine Weile jedenfalls.

Neue Erfolgsgeschichte bei BMW

Neue Erfolgsgeschichte bei BMW Foto: AG/Flehmer

Dass Alec Issigoinis der Großonkel des ehemaligen BMW-Chefs Pischetsrieder ist, gilt als Tatsache - ob dies aber Einfluss darauf hatte, dass ausgerechnet BMW die Marke Mini wieder aufleben ließ, darüber kann nur spekuliert werden. Jedenfalls schaffte man das scheinbar Unmögliche, indem man ein gänzlich neues Auto mit dem Charme des alten Mini in die Schauräume der Händler stellte - und damit eine weitere unerwartete Erfolgsgeschichte schrieb.

Heute wird der alte Mini ebenso geliebt wie der neue. Einen von beiden zu fahren, gilt als stilvoll und schick. So schick, dass man es fast schon «cool» finden könnte, in so einem Auto einen alten Schlager wie «Die Gitarre und das Meer» zu hören. (dpa/tmn)

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