Legenden der Leidenschaft

Concorso D'Eleganza

Wenn die automobile Zukunft schon nicht rosig aussieht, hilft ein Blick in die Vergangenheit. Am Comer See trafen sich gerade die Freunde exklusiver Oldtimer und feierten sich drei Tage selbst.

Von Stefan Grundhoff

Moderator Simon Kidston ist ein alter Hase. Er kennt den Concorso, die Villa D’Este sowie die meisten Oldtimer und ihre Besitzer wie aus dem Effeff. Die Paradefahrt am Samstagnachmittag ist der Höhepunkt jedes Concorso D’Eleganza. Drei Tage träumen die zahlreichen Besucher von einer Zeit, als Autos noch keine Grenzen kannten. Jedes Jahr im Frühling gibt es für gut betuchte Oldtimerfans aus der ganzen Welt einen ebenso kleinen wie beschaulichen Anlaufpunkt. Keine Messe, kein Großevent in Übersee oder Asien. Drei Tage Comer See, drei Tage Legenden der automobilen Leidenschaft und die Schönheit aus rund hundert Jahren Automobilbau genießen.

Ansammlung von Leidenschaft

Jeder Automobilfan sollte sich den Concorso D’Eleganza, die exklusivste Ansammlung von Oldtimern und Prototypen auf der Welt, einmal gönnen. Die Fahrzeuge, die es hier zu bestaunen gibt, sieht man sonst nur in Privatsammlungen.

Bei diesem Ferrari 250 GT von 1958 kommt Sprecher Simon Kidston zum wiederholten Male ins Schwärmen. „Dieser wunderschöne Roadster wurde im Jahre 2002 von einem Feuer nahezu komplett zerstört. Jetzt schauen sie sich einmal an, wie er jetzt dasteht.“ Natürlich wie aus dem Ei gepellt. In einem schmucken goldmetallic, das einem Opel Ascona der zweiten Generation kaum nennenswerte Lorbeeren hätte einbringen können. Eigentümer Peter McCoy sitzt hinter dem Steuer und er sieht aus, als wäre er mit diesem breiten Grinsen auf eigener Achse aus seiner Heimat in den USA hierhergefahren; nur um zu garantieren, dass seinem Schmuckstück nicht wieder so ein Unheil geschieht.

Cockpit des BMW 328 Foto: Press-Inform

Die Oldtimerszene an der traditionsreichen Villa D’Este ist mit kaum einer anderen auf der Welt zu vergleichen. Bei normalen Oldtimern rümpft die Jury, die die schönsten Automobilpreziosen stilsicher auszeichnet, im Geiste nur die Nase. Jeder Wagen beim Concorso D’Eleganza ist eine Schau, eine Ausstellung für sich. Sonst wäre das Schmuckstück als Ergebnis jahrelanger Restauration am Westufer des Comer Sees auch nicht zu bestaunen.

Die Oldtimersammler sind eine verschworene Gemeinschaft. Man mag sich oder auch nicht, applaudiert bei der Konkurrenz, während man in der Hosentasche aus Neid eine Faust macht. Meist präsentiert man nicht nur einen seiner besonders exklusiven Oldtimer und sich selbst, sondern weist in überlangen Nebensätzen darauf hin, dass man zahlreiche weitere sein Eigen nennt und derzeit noch an zwei ganz heißen Restaurationsprojekten arbeite. Von den Ergebnissen kann sich honorige Publikum bei einer der nächsten Veranstaltungen in Cernobbio überzeugen.

Auburn 852 SC einer der Stars

Fiat Abarth 204 Foto: Press-Inform

Der Auburn 852 SC, der Speedster mit der Nummer 38, ist bei vielen Besucher der Villa D’Este einer der großen Stars. Acht Zylinder, 4,6 Liter Hubraum und Kompressoraufladung bringen arrivierte Oldtimerkenner fast genauso zum Schwärmen wie die Linienführung mit charismatisch gezeichneten Kotflügeln vorne und hinten. Kaum weniger Aufmerksamkeit bekam zuvor das Sportsman Coupé des Bentley 8 Litre von 1931. Schwarzes Leder bespannt anmutig Dach und Kofferabteil. Die Räder sind aerodynamisch verkleidet und die Karosserie von Gurney Nutting ist außergewöhnlich. Der acht Liter große Sechszylinder bringt den Bentley auf über 160 km/h. Eine Schande, dass von einem solchen Schmuckstück gerade einmal 100 Fahrzeuge verkauft wurden.

Über einen Sonderpreis der Jury kann sich im Sonnenschein auf der gut besuchten Terrasse der Villa D’Este der knallrote Abarth 204A freuen. Im Jahre 1950 brachte Fiat-Kenner Karl Abarth mit dem 204A unter eigenem Namen sein erstes Spielzeug unters Volk. Heute freut sich Inhaber Mark Gessler aus den USA über den gigantischen Pokal, der kaum auf den Beifahrersitz passt. Kaum weniger spektakulär der Fiat 8V aus dem Jahre 1953. Seinerzeit waren die Turiner Autobauer noch in ganz anderen Dimensionen unterwegs und konnten es in Sachen Design auch mit Konkurrenten wie Alfa Romeo, Jaguar oder Bentley aufnehmen.

Strahlen um die Wette

Ferrari 250 GT Foto: Press-Inform

Die Besitzer strahlen mit ihren Autos um die Wette und das erlauchte Publikum labt sich vor dem grandiosen Panorama des Comer Sees an Erdbeeren, Champagner oder einem Veneto Spritzz. Man sitzt im noch kühlen Gras, blickt auf das dunkelblaue Wasser, Berge und die vorbeiflanierenden Preziosen, deren Werte sich zumeist nicht einmal schätzen lassen. Der Jaguar D-Type von Gary W. Bartlett aus den USA ist sicher nicht der wertvollste Oldtimer an diesem Wochenende, doch Moderator Simon Kidston hat zu ihm eine besondere nette Geschichte parat.

Nein, dies sei nicht der D-Type von Film- und Motorsportlegende Steve McQueen, sondern der Rennwagen eines ehemaligen Tennisprofis, der mit Grundlinienspiel weit weniger Erfolg als am Steuer hatte. Der hatte den racinggrünen Renner aus dem Jahre 1956 nach Finnland geholt, mit Spikes verziert und damit die Konkurrenz bei Eisrenner in Grund und Boden gefahren. Vor lauter Scham habe man Siege im benachbarten Russland seinerzeit sogar geheim gehalten. Der Concorso ist eben jedes Jahr auch ein Ort für Geschichten und Legenden.

Bentley 8L Foto: Press-Inform

BMW hat den Event seit Jahren zu seiner Lieblingsveranstaltung auserkoren. So überrascht es nicht, dass der BMW 328 mit ungewöhnlicher Wendler-Karosserie fast genauso viel Aufmerksamkeit bekommt, wie Pebble-Beach-Sieger Alfa Romeo 8C 2900B von 1938 oder der grandios gezeichnete Bugatti 57S. Wer sich für Prototypen aus Historie oder Neuzeit begeistern kann, bekommt die eigene Kamera kaum mehr aus der Hand. Wo gibt es schon einmal einen giftgrünen BMW Spicup 2800 oder einen Momo Mirage von 1972 zu sehen? Im Zweifel allenfalls nächstes Jahr auf dem Concorso D’Eleganza 2010. Wer nicht so lange warten will: Die Oldtimer-Karawane zieht weiter. Im Sommer trifft man sich in Pebble Beach nahe Monterrey und feiert sich wieder selbst - im schönsten Sonnenschein.

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