Halbherziger Weg in die Oberklasse

Opel Senator wird 30

Vor 30 Jahren wagte Opel einen letzten Ausflug in die Oberklasse. Doch die Rüsselsheimer gruben sich auf dem Weg zum Erfolg selbst das Wasser ab.

Von Heiko Haupt

Ein wenig seltsam wirkt es schon, was sich Ende der 70er Jahre bei Opel am oberen Ende der Modellpalette abspielte. Im Grunde ging es darum, einen Nachfolger für bisherige Topmodelle wie Kapitän, Admiral und Diplomat zu finden. Allerdings traute sich Opel nicht richtig, gegen Mercedes oder BMW anzutreten. Also ging man den halbherzigen Weg und versuchte, eine noble Limousine zu bauen, die aber mit den Genen des volkstümlichen Rekord auskommen musste und eine Portion Theaterschminke mit auf den Weg bekam.

Eigenartige Modellpolitik

Diesem Auto wiederum grub Opel auch noch das Wasser ab, indem man Teile des so entstandenen Topmodells erneut mit dem Rekord mischte und ein weiteres Modell zwischen beiden platzierte. Dass diese eigenartige Modellpolitik nicht von Erfolg gekrönt war, sollte sich bald zeigen - die Limousine Senator und das davon abgeleitete Coupé Monza gelten als Opels letzte Ausflüge ins automobile Oberhaus. Das macht sie heute zu echten Liebhaberobjekten.

Man stelle sich vor, Opel würde im Jahr 2008 auf die Idee kommen, einen Vectra mit ein paar neuen Blechteilen zu versehen, ihm im Innenraum plüschige Bezüge zu spendieren, einen starken Motor einzubauen - und das Ganze dann als neues Luxusmodell anzupreisen. Der einzige Erfolg wäre ein Lacherfolg. Nun sah die Autowelt vor 30 Jahren noch anders aus als heute. Die Geschichte der Opel-Modelle Senator und Monza spielte sich jedoch recht ähnlich ab.

Zwischenlösung Commodore

Mitte der 70er Jahre blickte man in Rüsselsheim wehmütig auf die beiden vorherigen Jahrzehnte zurück, in denen Opel auch in der Oberklasse eine wichtige Rolle gespielt hatte. Diesen Erfolgen hatte aber nicht zuletzt die Ölkrise in Verbindung mit den amerikanisch wirkenden Karosserien und den trinkfreudigen Motoren der letzten Nobel-Opel aus der Reihe Admiral, Kapitän und Diplomat arg zugesetzt. Ihre Produktion endete 1977.

Mit diesem Ende war Opel zwar eine zuletzt erfolglose Modellreihe los, hatte aber ein neues Problem. Ein Auto mit Prestige fand sich nicht mehr im Programm, und ganz wollte man der Konkurrenz aus München und Stuttgart das Feld nicht überlassen. Zum Glück befand sich in der Entwicklung bereits ein Fahrzeug, das mehr oder weniger für diesen Einsatz geeignet war - der Senator. Den hatte man allerdings nicht als Ersatz für die Rüsselsheimer Dickschiffe geplant. Vielmehr sollte er nur den bisherigen Commodore ablösen. Unter dieser Bezeichnung wurden traditionell Autos verkauft, die auf dem Rekord aus der Mittelklasse basierten, ihren eigenen Namen aber mit verbesserter Ausstattung und stärkeren Motoren rechtfertigen sollten.

Nummer zu groß

Der Senator passte in diese Tradition - nur war sein Problem, dass er 1978 eine Rolle zu spielen hatte, die eigentlich eine Nummer zu groß war. Denn im Grunde war auch der Senator ein Opel Rekord. Den hatte man für seinen Einsatz als Nobel-Karosse allerdings um gut 20 Zentimeter verlängert, die Front und das Heck retuschiert und ihn im Innenraum mit hochwertigeren Sitzbezügen sowie ein paar Holzleisten aufgepeppt - ohne sich allerdings darum zu scheren, dass Teile wie das Armaturenbrett des Senators einem Rekord-Fahrer bekannt vorkommen mussten. Immerhin arbeiteten unter der Motorhaube Sechszylinder-Motoren, und am Fahrwerk hatte sich auch einiges getan.

Nach der Premiere der Limousine auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt/Main im Jahr 1977 dauerte es noch eine Weile, bis die Autos tatsächlich zu den Händlern kamen. Erst im Frühjahr 1978 war es soweit. Und dass der Senator in der Publikumsgunst durchfiel, hatte gleich mehrere Gründe.

Konkurrenz im eigenen Haus

So ließ Opel es sich nicht nehmen, die Konkurrenz im eigenen Haus zu verstärken. Weil der Senator eigentlich als Commodore-Nachfolger konzipiert war, nun aber seine Rolle als Konkurrent von Mercedes und BMW auszufüllen hatte, stand Opel ohne luxuriösere Rekord-Version mit der Bezeichnung Commodore da. Aber man hatte ja einen Rekord und einen Senator - warum also nicht beide kombinieren? Ergebnis dieser Überlegungen war ein etwas merkwürdiges Auto, das aus den meisten Blickwinkeln zweifelsohne ein Rekord war, dessen Front jedoch der Vorderwagen des verlängerten Senator bildete. Sein Name: Commodore

Die Überlegungen mancher Kunden dürften leichter nachzuvollziehen sein als die der Marketingstrategen: Der Senator war ein ordentliches Auto aber ohne wirkliches Oberklasse-Image. Sein «Gesicht» zeichnete ihn jedoch als größten Opel seiner Zeit aus. Also konnte man ja auch den neuen Commodore für weniger Geld nehmen und sich sozusagen die Frontpartie des Senator frei Haus liefern lassen. Neben solchen hausgemachten Verkaufshemmnissen kam im Jahr 1979 noch die zweite Ölkrise hinzu, die den meisten Anbietern von leistungs- und hubraumstarken Fahrzeuge die Verkaufszahlen verhagelte.

1982 komplett überarbeitet

Doch Opel gab nicht auf: 1982 wurde der Senator zumindest optisch komplett überarbeitet. Während auf der technischen Seite vieles beim Alten blieb, zeigte er sich nun mit einem eleganteren und zeitgemäßeren Design. Vor allem die Frontpartie fiel flacher und aerodynamischer aus. Was jedoch immer noch nichts am Grundproblem änderte, dass es sich um einen stark aufgewerteten Rekord handelte.

Und während es diesen Rekord Anfang der 80er Jahre als Grundmodell bereits für etwa 17.000 Mark gab, verlangte Opel laut der Preisliste aus dem Januar 1983 für das Senator-Einstiegsmodell mit 100 kW/136 PS starkem Sechszylinder-Motor immerhin 29.180 Mark. Der luxuriös ausgestattete Senator CD mit Automatikgetriebe und 132 kW/180 PS starkem 3,0-Liter-Motor sollte sogar 46.225 Mark Kosten. Immerhin wies die Liste gerade für dieses Modell kaum mehr aufpreispflichtige Extras aus - lediglich die Lederausstattung für 2287 Mark oder ein hochwertigeres Radio konnten zusätzlich geordert werden.

Omega als Nachfolger

Der Opel Omega Foto: Opel

Die ohnehin nicht überwältigenden Verkaufszahlen sanken trotz der Auffrischung weiter. Als die letzten Modelle 1987 vom Band rollten, zählte man rund 80.000 Exemplare des ursprünglichen Senator und dazu noch 60.000 Stück, die nach der Modellpflege entstanden waren. Zum Vergleich: Mercedes soll allein vom ebenfalls 1978 eingeführten Kombi T-Modell der Baureihe 123 bis zum Jahr 1985 knapp 200.000 Exemplare verkauft haben - die Limousinen kamen auf weit höhere Zahlen.

Nun gibt es Menschen, die aus Misserfolgen lernen. Diese Menschen allerdings hatten es wohl auch 1987 noch nicht in die entscheidenden Positionen bei Opel geschafft. Vielmehr stellte der Autohersteller ein Modell vor, das gemeinsam mit dem Nachfolger des Klassikers Rekord entwickelt worden war. Der Rekord-Nachfolger hieß Omega, die neue Luxuslimousine wieder einmal Senator - und auch am Grundprinzip und der Resonanz hatte sich wenig verändert.

Der neue Senator wurde wegen der Ähnlichkeit zum Omega kritisiert, die Kunden zeigten sich - gelinde gesagt - zurückhaltend. Und so endete nach noch einmal fünf Jahren und 70.000 Exemplaren die verhaltene Karriere der Modellreihe. Bis heute verzichtet Opel auf eine echte Alternative zu Mercedes und BMW im Modellprogramm - und das wirkt nach all diesen Erfahrungen gar nicht mehr seltsam. (dpa/gms)

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