Das Auto für Jedermann

100. Geburtstag bei Ford

Wann gab es das noch? Ein Auto, das immer günstiger wurde. Das T-Modell von Henry Ford begeht ein rundes Jubiläum.

Jede Zeit hat ihr Auto. Immer wieder gibt es ein Modell, das als Standard-Fortbewegungsmittel der Massen gilt. In Deutschland tragen diese Autos meist das Markenzeichen VW. Seit den 70er Jahren hat sich der Golf den Status des klassenlosen Bestsellers gesichert. Es gibt aber nur ein einziges Automobil, das als Urahn dieser Art von Massenmotorisierung gelten kann. Das T-Modell von Ford war es, mit dem vor nunmehr 100 Jahren in den USA alles begann: das Zeitalter des Autos für Jedermann.

Das Auto für Jedermann

Der Golf hat sich bekanntlich zu einem recht ausgeklügelten, hochwertigen und auch entsprechend teuren Automobil entwickelt. Das war beim Ford ganz anders: Die Mannen um Firmengründer Henry Ford hatten den Plan, ein Auto zu konstruieren, das in jeder Hinsicht einfach war. Eines, das sich einfach herstellen, reparieren und bedienen ließ - und günstig war. Schon optisch erinnerte das Gefährt eher an eine klassische Kutsche - größter Unterschied zum Pferdefuhrwerk war der Vorderbau mit Motorhaube und Kühlergrill, zunächst ohne Türen.

Fußgangschaltung

Eine eigene Pedale für den Rückwärtsgang Foto: dpa

Die Bedienungselemente beschränkten sich nur auf das Nötigste. Motor anlassen durch bequemes Drehen eines Zündschlüssels? Fehlanzeige. Die Startprozedur war ein echter Kraftakt, bei dem zunächst ein paar Hebelchen zu bedienen waren. Danach galt es, kräftig an einer Kurbel zu drehen, um den Motor in Schwung zu bringen und ihn zum Start zu bewegen, Verletzungsgefahr inbegriffen. Ein Lenkrad gab es bereits. Die drei Pedale auf dem Boden zum Beispiel waren nur sehr entfernte Verwandte der heutigen Kupplungs-, Brems- und Gaspedale. Beim T-Modell wurde mit einem Hebel am Lenkrad Gas gegeben. Die Handbremse fand sich in Form eines Stocks ebenfalls in der Nähe des Steuers. Die Pedale jedoch hatten gänzlich andere Aufgaben: Wurde auf das linke Pedal getreten, war der erste Gang drin, wurde der Fuß angehoben, fuhr man im zweiten Gang - dem zweiten von zwei Gängen übrigens. Ein Pedal für den Rückwärtsgang.

Das Zeitalter der Fließbandfertigung

1914 startete die Fließbandproduktion bei Ford Foto: dpa

Das Alles war jedoch im Jahr 1908 nichts besonderes mehr, aber ein Auto war bis dahin nur etwas für betuchte Menschen. Ford hatte andere Zielgruppen im Visier. Der Firmenchef versprach sich Gewinne vor allem durch große Stückzahlen mit günstigen Einstiegspreisen. Das T-Modell startete daher für weniger als 900 Dollar. Und wurde im Laufe der Produktionszeit immer günstiger. Das wiederum hatte mit einer weiteren Idee Henry Fords zu tun. Mit dem T-Modell begann auch das Zeitalter der Fließbandfertigung: Anders als oft behauptet, gab es die nicht schon 1908. Die Umstellung erfolgte 1914. Von diesem Zeitpunkt an sorgte eine rationalisierte Fertigung für verkürzte Bauzeiten - bis zu 9000 Autos sollen in guten Zeiten an einem Tag gebaut worden sein.

Trendfarbe Schwarz

Schwarz war billig und schnell trocken Foto: dpa

Mit der Fließbandfertigung ist auch ein legendärer allerdings unverbriefte Satz verbunden, den Henry Ford einmal gesagt haben soll: Nämlich den, dass ein T-Modell in jeder Farbe erhältlich ist, wenn sie denn schwarz ist. Anfangs war das Auto in verschiedenen Lackierungen zu bekommen. Das änderte sich erst 1915: Weil möglichst viele Fahrzeuge möglichst schnell gebaut werden sollten, brauchte man auch einen Lack, der möglichst schnell trocknete. Diese Anforderung erfüllte aber nur ein bestimmter schwarzer Lack - und so gab es das Auto von 1915 bis 1925 tatsächlich nur in Schwarz. All diese Ideen zur weiteren Verbesserung der Produktion führten dazu, dass der Preis des T-Modells bis zum Jahr 1922 auf nur noch 300 Dollar sank. Aber das einfach konstruierte T-Modell überzeugte auch auf andere Weise, etwa durch die die Reparatur etwaiger Defekte mit simpelsten Hilfs- oder Hausmitteln.

Kosename: Thin Lizzie

Betörender Charme Foto: dpa

Der Vierzylindermotor holte aus seinen üppigen 2,9 Litern Hubraum zwar nur bescheidene 20 PS heraus. Das allerdings reichte für Höchstgeschwindigkeiten von um die 70 Stundenkilometer. Die hochgesetzte Karosserie in Verbindung mit den großen Rädern ließ zudem auch das Fahren auf den damals noch wenig ausgebauten Straßen zu. Außerdem zeigte sich das T-Modell alles in allem als sehr zuverlässig, so dass man es bald schon fast liebevoll «Tin Lizzie» nannte - übersetzt etwa «Blechliesel». Das T-Modell gab es als Coupe ebenso wie als zwei- oder viersitziges Cabriolet, als Limousine oder als Lastwagen. Immer wieder flossen Verbesserungen ein: Mal wurde die Beleuchtung von Acethylen auf Elektrik umgestellt, mal die Verdeckbetätigung überarbeitet. Eine größere optische und technische Überarbeitung erfolgte erst 1926 - da neigte sich die Erfolgsgeschichte des T-Modells ohnehin schon ihrem Ende zu. Denn nach fast zwei Jahrzehnten war die Konstruktion nun doch endgültig veraltet. Außerdem hatte die Konkurrenz aufgeholt. Die bis 1927 erreichte Stückzahl von 15 456 868 Exemplaren sicherte dem Ford noch über Jahrzehnte einen Weltrekord - den erst der VW Käfer im Jahr 1972 einholen sollte.

Legende Henry Ford

Henry Ford wurde am 30. Juli 1863 in Wayne County im US-Bundesstaat Michigan geboren. Bereits mit 15 Jahren soll Ford seinen ersten Verbrennungsmotor gebaut haben, später arbeitete er dann als Ingenieur bei der Edison Illuminating Company des Erfinders Thomas Alva Edison. Daneben werkelte er weiter an Verbrennungsmotoren, stellte 1896 mit dem Quadricycle ein erstes Fahrzeug fertig. Dies wiederum führte dazu, dass Ford mit Investoren 1899 die Detroit Automobile Company gründete, die jedoch nach kaum zwei Jahren pleite ging. Ein neuer und erfolgreicher Anlauf folgte 1903 mit der Gründung der Ford Motor Company. Als Henry Ford am 7. April 1947 starb, war das Unternehmen längst zum Weltkonzern gewachsen.(dpa/gms)

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