Blechträume im Zauberwald

Automobile Schätze auf der Route 7

Blechträume im Zauberwald
Ein Grand Wagoneer © Foto: Press-Inform

Mitten im kleinen US-Bundesstaat Vermont hat das berühmte Hemmings-Magazin sein Hauptquartier. Wir haben den Autoverrückten einen Besuch abgestattet – und auf dem Weg den automobilen Charme Vermonts entdeckt.

Von Sebastian Viehmann

Jim hat kaum noch Zähne, und hören tut der alte Farmer auch nicht mehr gut. Doch wenn jemand etwas über seine «Tin Lizzy» wissen will, hält er sich geduldig die Hand ans Ohr, um jeder Frage zu lauschen. Verborgen hinter einer Scheune bei Manchester, Vermont, steht unter einem kleinen Vordach das Ford T-Modell - rund 90 Jahre alt und immer noch fahrtüchtig. Zu besonderen Gelegenheiten holt Jim den Methusalem auf die Straße. «Bei der Hochzeit meiner ältesten Tochter war der Wagen das Brautauto. Hat doch viel mehr Stil als eine fette Limo», findet der alte Farmer.

Überall automobile Schätze

Die Grundregel für Autofans in Vermont lautet: Wenn du eine Scheune oder große Garage siehst, schau hinein. Oder wenigstens dahinter. Praktisch überall verbergen sich automobile Schätze im Halbdunkel zwischen Heugabeln und Traktoren. In einer Scheune nördlich von Manchester etwa parken zwei Mercurys, einer Baujahr 1959, der andere 1960.

Automobile Klassiker bei Hemmings in der Garage Foto: Press-Inform

Beide sind im gleichen lindgrünen Farbton lackiert. Der ältere sieht fast aus wie neu, der jüngere braucht noch viel Arbeit. Ein paar Meilen weiter restauriert ein Mann einen 59er Ford Thunderbird - wegen der eckigen Karosserie nannte man die Autos «Squarebirds» - in seiner Garage. Draußen parken noch ein vergammelter Camaro und ein 68er Pontiac Firebird. Das elegante Pony Car, damals ein harter Konkurrent des Ford Mustang, war einmal ziemlich gut restauriert. «Ich parke ihn hier für einen Bekannten. Leider stand er die letzten Jahre immer draußen», sagt der Garagenbesitzer. Die vielen Roststellen an der Firebird-Karosse tun einem in der Seele weh.

Gründliche Inspektion erforderlich

Ein Dodge Charger Foto: Press-Inform

Dass auf der Wiese rare Klassiker parken, ist in Vermont nichts Besonderes. Irgendwo an der U.S. Route 7A stehen sich zwei Jeep Grand Wagoneers die Reifen eckig. Die großen V8-Kraxler mit der herrlich geschmacklosen Holzbeplankung an der Seite stehen zum Verkauf. Bevor man hier zuschlägt, sollte man das Blech allerdings einer gründlichen Inspektion unterziehen - die Witterung hat ihre Spuren hinterlassen. Da hat es den weißen Grand Wagoneer schon besser erwischt, der vor einer großen Villa in Manchester parkt: Er wirkt wie aus dem Ei gepellt.

Ein Ford T-Modell Foto: Press-Inform

Nicht so frisch, aber eine echte Rarität ist der 71er Dodge Charger, der ein paar Meilen weiter an einer ehemaligen Tankstelle abgestellt ist. Schwarze Rallyestreifen zieren den etwas stumpfen Lack, unter der Haube lauert der bullige Magnum-V8 mit 440 Cubic Inches (7,2 Liter) Hubraum. Das Musclecar ist eins der letzten seiner Art -1972 wurden die Hochleistungsmotoren aus dem Chrysler-Programm gestrichen - und steht zum Verkauf. Ein gutes Omen für den zu erwartenden Sanierungsaufwand ist das kalifornische Nummernschild. Leider ist der Besitzer nirgends auszumachen.


Warum im kleinen Bundesstaat Vermont, der von endlosen Highways und wunderschönen Ahornwäldern durchzogen ist, so viel altes Blech herumsteht, weiß keiner so genau. Die inoffizielle Zentrale der Autoverrückten jedenfalls findet man entlang des New England-Highways Nr. 7 im Städtchen Bennington, etwa eine Autostunde von Albany entfernt. An einer restaurierten Sunoco-Tankstelle vorbei gelangt man zu den Backsteinbauten von Hemmings Motor News. Das berühmteste Klassiker-Magazin der USA wurde 1954 von Ernest Hemmings gegründet und hat unter anderem die Titel Muscle Machines und Classic Car im Programm. Der Hemmings-Katalog mit seiner Fülle von Kleinanzeigen ist die Bibel für amerikanische Autosammler.

Museum im Keller

Ein Grand Wagoneer Foto: Press-Inform

Wenn man sich vorher anmeldet, öffnen die Hemmings-Leute für Besucher auch ihr kleines Museum im Keller. Rund 20 seltene Blech-Gesellen stehen dort, darunter eine ungewöhnliche Lieferwagen-Sammlung, die der 2002 verstorbene Hemmings-Chef Terry Ehrich ins Leben gerufen hat. «Terry hatte immer ein Herz für die Leute der Working Class. Und Transporter geben natürlich auch eine prima Werbefläche ab», erklärt Janet Thompson vom Hemmings-Magazin das ungewöhnliche Sammelgebiet.

Die Lieferwagen sind im klassischen Racing Green lackiert. Viele touren als Blickfang durch Autoshows oder werden sogar für historische Rallyes eingesetzt. Der Höhepunkt der Lust am Automobil sind die «Car Cruises», die regelmäßig an der alten Sunoco-Station stattfinden und bei denen die besten Fahrzeuge der Besucher in verschiedenen Kategorien gekürt werden.

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