Autonomes Auto lernt vom Fahrer

Studie Nissan IDS

Autonomes Auto lernt vom Fahrer
Nissan präsentiert in Tokio sein selbstfahrendes Auto. © Nissan

Auch Nissan arbeitet wie andere Hersteller am autonomen Fahrzeug. Die Japaner interessiert dabei die Interaktion zwischen Technik und Fahrer. Schließlich müsse auch ein Auto berechenbar sein.

Autonomes Fahren - es wird geforscht, getüftelt und erprobt, was das Zeug hält. Dass die Technik inzwischen reif ist, ein Auto - unter bestimmten Voraussetzungen - alleine von A nach B zu bringen, haben mehrere Autobauer bereits bewiesen: Mercedes ließ als erster eine S-Klasse von Mannheim nach Pforzheim fahren, BMW versucht sich auf der Strecke vom Hauptsitz zum Münchner Flughafen und Audi demonstrierte seinen Fortschritt unter anderem in den USA.

Nun hat sich auch Nissan zu Wort gemeldet, und die Japaner denken schon einen Schritt weiter. Denn damit das autonome Fahren Realität wird, braucht es mehr als nur ein paar Sensoren und schnelle Rechner.



Im Rahmen der Tokio Motor Show hat Nissan die selbstfahrende Studie IDS präsentiert und einen erstaunlich konkreten Zeitplan vorgelegt: 2016 wollen die Japaner einen Staufolgeassistenten (ihn gibt es beispielsweise schon bei Volvo und Mercedes) bringen, der quasi dem vorausfahrenden Fahrzeug folgt; zwei Jahre später sollen automatische Spurwechsel auf der Autobahn möglich sein. Und schon 2020 sollen Nissan-Modelle in der Stadt selbstständig über Kreuzungen rollen können.

Dabei stellt vor allem der Stadtverkehr die Forscher vor besondere Herausforderungen: Die Technik tut sich schwer, rote Ampeln eindeutig zu erkennen – das rote Licht könnte ja auch von anderen Fahrzeugen kommen. Außerdem stören zum Beispiel Zäune, durch die wir Menschen problemlos hindurch blicken, das künstliche Kameraauge ungemein. Und dann fehlen vor allem auf Kreuzungen auch noch die Spurmarkierungen, an denen sich der Wagen sonst so gerne orientiert.

Erster Prototyp

Das alles wäre noch gar nicht so schlimm, wäre da nicht noch der Mensch. Große Priorität hat für die Japaner deshalb bei ihrer Forschung die Beziehung zwischen Auto und Fahrer einerseits, aber auch zu den Passanten andererseits - beide müssen dem Fahrzeug vertrauen. Um das Vertrauen des Dann-nicht-mehr-Fahrers zu gewinnen, entwickelt Nissan ein ausführliches Informationssystem, dass offenlegt, was die Technik gerade macht und als nächstes vorhat.

Ein erster Prototyp zeigt im Kombiinstrument an, welche Sensoren gerade was überwachen, wo sie Hindernisse oder Gefahren erkennen und welches Manöver ansteht, also zum Beispiel Überholen oder Abbiegen. Außerdem soll sich das Auto den Stil des Fahrers abgucken, wenn der im manuellen Modus unterwegs ist. Nach circa zehn Fahrten ist die Technik nach aktuellem Stand in der Lage, ihren Dienstherren in Sachen Beschleunigungs- und Bremsverhalten zu kopieren, und schafft mit diesem gewohnten Fahrgefühl zusätzlich Vertrauen.



Deutlich komplexer gestaltet sich das Zusammenleben mit der Außenwelt. Auch hier setzt Nissan auf Kommunikation: Die auf der Messe gezeigte Studie signalisiert den Passanten über blaues LED-Licht, das sich um den ganzen Wagen zieht, dass gerade der Autopilot am Steuer sitzt; außerdem kommuniziert der Nissan über ein Display hinter der Windschutzscheibe mit den Fußgängern und fordert sie auf, über die Straße zu gehen. Diese Unterhaltungen zwischen Mensch und Maschine wollen die Forscher deutlich ausbauen. Es sei wichtig, dass das Auto berechenbar bleibt, so Marteen Sierhuis, der für Nissan im Silicon Valley an der Technik tüftelt. Denn: Auch der Mensch ist berechenbar. Wir haben gelernt, andere Personen einzuschätzen, weil wir uns entweder über Blicke verständigen, oder aber bekannte Verhaltensmuster wieder erkennen. Sehen wir als Fußgänger, dass ein Autofahrer an der Kreuzung einen Schulterblick macht, liegt nahe, dass er Abbiegen will.

Umgekehrt muss aber auch das Auto lernen, menschliches Verhalten, das es über Kameras wahrnimmt, zu interpretieren und darauf sein Handeln abzustimmen, sonst führt das autonome Fahren nicht zu einer Verkehrsentlastung, sondern zum Chaos. Man stelle sich nur einen Zebrastreifen vor, an dem zufällig ein Fußgänger steht, der aber gar nicht über die Straße will – momentan würde das autonome Auto wohl nicht weiterfahren.

Nicht immer regelkonform

Um den Verkehr flüssig zu halten, ist es sogar manchmal nötig, nicht ganz regelkonformes, aber gesellschaftlich akzeptiertes Verhalten an den Tag zu legen. Sierhuis’ Paradebeispiel ist eine amerikanische Kreuzung, an der immer das Fahrzeug Vorfahrt hat, das als erstes kommt. Sieht man nun aber, dass diese Fahrzeug abbiegen will, kann man auch als Nummer zwei sofort weiterfahren, ohne ihm die Vorfahrt zu nehmen; solange selbstdenkende Autos diese Entscheidungen nicht auch treffen können, wird der Verkehr an der Kreuzung immer wieder unnötig ins Stocken geraden.

Um solche Situationen zu erforschen, ist Sierhuis mit seinem Team auf der ganzen Welt unterwegs: In bestimmten Teilen Brasiliens etwa ist es quasi erlaubt, an roten Ampeln weiterzufahren, da Stehenbleiben viel zu gefährlich wäre. Zudem unterscheiden sich auch verschiedene Gesellschaftsgruppen stark voneinander: Banker rund um die Wallstreet verhalten sich im Straßenverkehr ganz anders, als die Studenten auf dem Campus der Stanford University. Doch die Forschen sind guter Dinge, Verhaltensmuster zu definieren, die auf der ganzen Welt gleich sind und diese das Auto zu lehren. Denn: So gern wir selbst unsere Unterschiede betonen – am Ende sind wir doch alle gleich. Sonst könnten wir ja nie im Ausland Autofahren. (SP-X)

Keine Beiträge vorhanden