Das schwere Los

Hintergrund Mercedes E-Klasse

Selten waren die Erwartungen an ein Auto aus dem Hause Mercedes-Benz größer, als bei der neuen E-Klasse. In keinem anderen Modell spiegelt sich die Marke so gern wider. Die E-Klasse der Generation W 212 soll endlich für Ruhe im Konzern sorgen.

Von Stefan Grundhoff

Es wäre übertrieben, würde man bei der Baureihe W 212 von einem emotionalen Auto sprechen. Denn die E-Klasse ist Mercedes und Mercedes bleibt die E-Klasse. Die war nie laut; nie ein Aufschneider. Wer eine E-Klasse fuhr oder fährt, der hat es geschafft. «Die neue E-Klasse ist schlicht die beste Business-Limousine der Welt», orakelt Mercedes Chefdesigner Gorden Wagener. Und selbst aus München oder Ingolstadt gibt es angesichts eines monatelangen Segmentsanteils von 30 Prozent in Europa kaum nennenswerten Widerspruch.

Die Sehnsucht im Hause Daimler

Die Erwartungen an die neue E-Klasse sind gigantisch. Mercedes sehnt sich wieder einmal nach einem echten Seriensieger, der die Massen begeistert und die Konkurrenz in Grund und Boden fährt. Das ist ein schweres Los, denn in Sachen Fahrdynamik hatte BMW mit dem 5er der Baureihe E 60 zuletzt die Hosen an. Der neue 5er kommt Anfang 2009 und er wird wohl wieder einmal für Sorgenfalten bei der Konkurrenz sorgen. Einmal mehr, weil BMW die Designspielereien ad acta gelegt hat und gefällige Volumenware anbietet. Audi ist beim A6 ebenso wie bei fast allen Konzernmodellen über die meisten Zweifel erhaben. So hat man einen zeitlichen Vorsprung von gerade einmal einem guten halben Jahr.

Erinnerungen an den Ponton-Benz

Bessere Sicht bei Nacht Foto: Mercedes

Mercedes hat die neue E-Klasse bewusst als Sicherheitsfahrzeug positioniert. Mit Details wie Einschlafwarner, Spurhalte-Assistent, Abstandstempomat, Lichtassistent, allen erdenklichen Airbags und dem bekannt exzellenten Fahrwerk setzt man klassenübergreifend Maßstäbe. Doch das allein wird kaum reichen. So durfte es beim neuen «E» etwas mehr Dynamik und etwas mehr Design sein. Besonders das Gesicht mit den vier diamantähnlich geschliffenen Frontscheinwerfern dürfte sich beim Publikum schnell einprägen. Der Unterschied zum Vorgänger ist deutlich. «Wer in der Historie die bisherigen Modelle der E-Klasse sieht, wird immer Designpärchen entdecken» so Gorden Wagener, «nach zwei ähnlichen Modellen heißt es dann jedoch mehr Revolution als Evolution. Wie bei der neuen E-Klasse. Die ist wieder ein großer Schritt.» Das Fahrzeug selbst ist dynamischer gezeichnet als der überaus erfolgreiche Vorgänger. Der kann sich, sieben Jahre nach seiner Präsentation, noch immer sehen lassen. Ähnlich zeitlos wirkt bis heute allenfalls die Vorzeige-Generation des W 124. Doch Mercedes spielt beim Design des neuen 212ers auch mit der Historie. Mit den hinteren Radhäusern erinnert man bewusst an den Ponton-Benz der 50er Jahre.

Rückstand bei der Turbotechnik

Zahlreiche Sicherheitsassistenten Foto: Mercedes

Doch Design ist eben nur die eine Seite der Medaille. Nachdem man bei den Triebwerken jahrelang bevorzugt in der zweiten Reihe unterwegs war, soll auch hier beim neuen E-Modell vieles anders werden. Die meisten der neuen Motorvarianten haben einen Direkteinspritzer. Allein bei der Turbo-Technik der Benziner ist man nach wie vor hinten an. Start-Stopp-Systeme, regenerative Bremsen oder gar Hybrid? Kommt alles, so hört man aus Stuttgart, aber nicht zum Start der neuen E-Klasse. Hier ruhen die Erwartungen in erster Linie auf dem neuen E 250 CDI, der mit kraftvoller Leistung und sparsamem Verbrauch in die erste Reihe fahren soll. Den Allradantrieb 4matic wird es ebenso geben wie eine bärenstarke AMG-Version mit über 500 PS. Doch auch hier müssen es zunächst die bekannten Triebwerke tun. Die Power-Turbos der nächsten Generation werden wohl erst Ende 2010 vorgestellt. Doppelaufladung und Registerdiesel dürften der Konkurrenz ab 2011 einen mächtigen Schrecken einjagen.

T-Modell zum Jahresende

Die neue Scheinwerferform Foto: Mercedes

Dass man die E-Klasse als zentrales Modell der Marke stärken will, sieht man auch an den neuen Coupe- und Cabrioversionen. Coupé und Cabriolet auf Basis des müden Rentner-CLK waren gestern. Die Nachfolger feiern im Frühjahr (Coupe) und Herbst (Cabriolet) ihre schnellen Premieren und flankieren zukünftig wieder auf der E-Klasse. Zudem folgt Ende des Jahres noch das enorm wichtige T-Modell. Ähnlich wie bei der Konkurrenz soll es zeitnah auch eine E-Klasse mit langem Radstand geben. Wie wichtig die sein kann, zeigen die Langversionen von Audi A6, VW Magotan oder 5er BMW auf dem asiatischen Markt. Und eine Schwäche kann man sich gerade auf dem imagestarken Wachstumsmarkt ebenso wenig erlauben wie auf dem Hauptmarkt Europa.

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