Stiefkind Motorrad

Fahrassistenten für Biker

Während im Auto ständig neue Fahrassistenten von sich reden machen, ist es beim Motorrad vergleichsweise still. Aber das ist nur ein unvollständiger Eindruck.

Motorradfahren ist nicht ungefährlich. Das dürfte auch den meisten Zweiradfahrern bewusst sein, denn die Unfallzahlen sprechen eine deutliche Sprache. Doch während das Sicherheitszubehör für Autos einen kaum noch überschaubaren Umfang angenommen hat, sieht es bei Motorrädern vergleichsweise dürftig aus. Viele Jahre brauchte allein das ABS, um in der Szene akzeptiert zu werden. Und Airbags sind nur in einem seltenen und teuren Modell zu bekommen. Trotzdem gibt es Fortschritte.

BMW stabilisiert Seitenhalt

Zu den Vorreitern auf diesem Gebiet zählt BMW, wo man seit einiger Zeit das ASC im Programm hat. Was dieses System kann, beschreibt BMW in München so: «ASC verhindert das unkontrollierte Durchdrehen des angetriebenen Hinterrades beim starken Beschleunigen und den damit einhergehenden Verlust an Seitenführung, der zum Ausbrechen des Hinterrades führt.» Fahrer müssen also nicht befürchten, dass der beherzte Dreh am Gasgriff zu einer gefährlichen Situation führt.

Stetig gewachsene Motorleistung

Bremssituation im BMW_Display Foto: BMW

Das ASC kann allerdings noch mehr: «Durch das System wird beim Gasgeben auch verhindert, dass das Vorderrad abhebt. Insgesamt hilft das ASC, unkontrollierbare Fahrzustände zu verhindern», sagt Ruprecht Müller, Motorradexperte im ADAC-Technikzentrum in Landsberg (Bayern). Solche Zustände haben ihre Ursache meist darin, dass es anders als bei den elektronischen Hilfen in Sachen Motorleistung keine Stagnation gab: Wo einst das Gasgeben eine noch beherrschbare Motorkraft freiließ, sind heute Aggregate mit oft deutlich dreistelligen PS-Werten am Werk. Und diese Kraft muss von nur zwei Reifen auf der Straße gehalten werden.

Wegbereiter ABS

Voraussetzung für den Einsatz von Systemen wie ASC ist aber auch der Durchbruch der Bremshilfe ABS bei Motorrädern. Sie machte es überhaupt erst möglich, dass ein solches Anti-Schlupfsystem funktioniert. Laut BMW beruht die Arbeit des ASC darauf, dass die Radsensoren des ABS die Drehgeschwindigkeit der Räder registrieren. Bei einer Differenz der Umdrehungszahl von Vorder- und Hinterrad nimmt die Elektronik je nach Situation die Motorleistung zurück.

ABS nur für Anfänger?

Airbags noch nicht weit verbreitet Foto: ADAC

Während passionierte Motorradfahrer einst bei Einführung des ABS noch die Nase rümpften, regt sich bei solchen neuen Fahrhilfen nur wenig Protest: Das ABS wurde als unsportlich empfunden, geübte Fahrer erreichten nicht selten bessere Bremswerte als die Konkurrenten mit ABS-Hilfe. Auch heute noch sehen selbst Sicherheitsexperten wie Achim Kuschefski den Sinn eines ABS ohne weitere Zusatzhilfen eher bei ungeübten Fahrern: «Für Anfänger oder Wenigfahrer gibt es nichts Besseres als ein ABS - ich sehe die Notwendigkeit aber nicht für sehr gute Motorradfahrer», sagt der Leiter des Instituts für Zweiradsicherheit (ifz) in Essen.

Rennsportnahe Technik

Sicherheit durch Training Foto: ADAC

Anti-Schlupfprogramme oder Traktionskontrollen aber haben ihren Ursprung im Motorradsport. In der Königsklasse MotoGp gelten solche Hilfen als Erfolgsgarant. So gibt der italienische Hersteller Ducati an, dass im limitierten Sondermodell 1098 R eine Traktionskontrolle zu finden ist, deren Technik sehr nahe an den erfolgreichen Rennmaschinen ist. Man will damit nicht für mehr Sicherheit im Straßenverkehr, sondern vielmehr für bessere Rundenzeiten sorgen.

Auch hier vergleichen Sensoren die Drehzahl von Vorderrad und Hinterrad, erklärt Kai Swaton von Ducati Deutschland in Köln. Auf diese Weise soll ein optimiertes Beschleunigen aus Kurven heraus garantiert sein. «Die Regelung funktioniert über eine Unterbrechung der Zündung - unter Umständen könnte in der Folge der Katalysator der serienmäßigen Auspuffanlage beschädigt werden.» Wer die 1098 R ordert, bekommt auch eine Rennauspuffanlage - die wird dann auf der Rennstrecke montiert und dazu die Traktionskontrolle aktiviert.

Begrenzung in unteren Drehzahlen

Promi-Biker Peter Struck (SPD) Foto: dpa

So unterschiedlich die Einsatzzwecke solcher Systeme derzeit noch sind - die Experten gehen davon aus, dass nach und nach weitere Serienmotorräder mit ähnlichen Extras auf den Markt kommen. Schon seit geraumer Zeit versuchen manche Hersteller der unbändigen Kraft ihrer Motorräder auf die eine oder andere Weise Herr zu werden. «Bei einem Motorrad wie der GSX-R 1000 von Suzuki kann zum Beispiel zwischen drei Leistungsstufen gewählt werden», sagt Achim Kuschefski. Der Fahrer wählt also, ob er 180 PS nutzen will, oder ob zum Beispiel auf regennasser Straße eher 100 PS die bessere Wahl sind. Üblich ist es auch, die Leistung der Motoren in den unteren Gängen zu begrenzen - damit sich das Vorderrad beim Beschleunigen nicht zu weit in die Luft hebt und sich die Maschine nicht nach hinten überschlägt.

ESP noch Zukunftsmusik

Wenn die Saison beginnt Foto: BMW

Eine Idee für die ferne Zukunft ist das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP). Für Motorräder wird es vorerst keine Realität.Gerät ein Auto in der Kurve ins Rutschen, greift das ESP gezielt auf die Bremsen der einzelnen Räder zu, um es in der Spur zu halten. Das Motorrad jedoch hat nur zwei Räder. Außerdem weist Achim Kuschefski vom Institut für Zweiradsicherheit in Essen darauf hin, dass ein Motorrad meist in Schräglage rutscht. Diese Schräglage wiederum ist immer unterschiedlich. Die Elektronik müsste sich auf die in jeder Kurve unterschiedlichen Schräglagenwerte einstellen können. (dpa/gms)

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