Hybrid-Motorräder noch die Ausnahme

Vernachlässigtes Thema

Die Kraft der zwei Herzen haben Motorradhersteller im Gegensatz zu ihren Kollegen aus der Automobilindustrie bisher noch nicht für sich entdeckt: Hybrid-Zweiräder sind die absolute Ausnahme. Und dafür gibt es gute Gründe.

Von Felix Rehwald


Für die Automobilbauer ist es Pflicht, sich um das Thema Hybridantrieb zu kümmern. Fast jeder Hersteller tüftelt an der Kombination aus Verbrennungs- und Elektromotor. Viele Firmen haben bereits Fahrzeuge im Testbetrieb - oder sogar schon fix und fertig in den Verkaufsräumen stehen. Die Motorradhersteller haben das Thema dagegen bislang vernachlässigt. Zwei Antriebe auf zwei Rädern sind derzeit noch selten.

20 Kilometer rein elektrisch

Der Piaggio MP3 Hybrid 125 ist nach Herstellerangaben der erste und bislang einzige Roller mit Hybridantrieb der Welt. Wobei er genau genommen nicht einmal als Zweirad durchgeht. Wegen seiner zwei Vorderräder wäre er eigentlich als Dreirad einzustufen. Als Antrieb haben die Entwickler einen 124 Kubikzentimeter großen Einzylinder-Viertaktmotor mit einem bürstenlosen E-Motor mit Permanentmagnet kombiniert. Der Elektromotor kommt auf eine Leistung von 2,6 kW/3,3 PS - im Hybridmodus entwickelt das System 10 kW/14 PS.

Der Strom für den E-Motor kommt aus einer Lithium-Ionen-Batterie, deren Kapazität im reinen Elektromodus für 20 Kilometer reicht. Dann muss sie drei Stunden an der Steckdose aufgeladen werden. Unterwegs gewinnt das Gefährt aber beim Bremsen elektrische Energie zurück. Im Kombinationsmodus aus zwei Drittel Hybrid- und einem Drittel E-Modus kommt der Roller laut Piaggio mit einem Liter Sprit 60 Kilometer weit. Den CO2-Ausstoß beziffert man mit 40 g/km. 9000 Euro müssen Interessenten für den MP3 Hybrid 125 hinblättern.

Kein Markt vorhanden

Ansonsten sieht es bei den Motorradherstellern in Sachen Hybridantrieb mau aus. Nur von Hybrid-Studien einzelner Designer war mal die Rede, wobei es fraglich ist, ob diese futuristischen Konzepte je realisiert werden. «Es scheint so zu sein, dass die Mehrheit der Anbieter beim Hybridantrieb für sich noch keinen Markt sieht», vermutet Achim Marten vom Industrieverband Motorrad (IVM) in Essen. «Oder sie hat die Technik noch nicht parat.»

Es fehlt außerdem am nötigen Druck der Kunden auf die Hersteller, so etwas auf den Markt zu bringen. Laut Ruprecht Müller, Motorradexperte beim ADAC-Technikzentrum in Landsberg, nutzen viele Zweiradfahrer ihre Maschine als reines Freizeitfahrzeug. «Der Verbrauch spielt bei einem Spaßgerät eine untergeordnete Rolle. Er ist selten der kaufentscheidende Grund.» Somit stehen die Motorradbauer nicht so sehr unter dem Zwang, verbrauchsgünstige Modelle zu entwickeln, wie ihre Automobilkollegen.

Enormes Mehrgewicht

Hinzu kommt, dass die zwei Antriebstechniken auch ein erhebliches Mehrgewicht bedeuten. «Die Fahrzeuge werden relativ schwer, und das ist im Motorradbereich immer ein Problem», erläutert Müller. Schließlich müssen die Fahrer ihr Gerät auch im Stand noch handhaben können - ganz zu schweigen von den fahrdynamischen Nachteilen, die ein paar Kilo mehr bei einem Zweirad zwangsläufig bedeuten. «Das Gewicht ist der größte Pferdefuß», betont Müller.

Immerhin gibt es eine andere Alternative für Hybrid-affine Zweiradfahrer: das Erockit, eine Art Zwitter aus Motorrad und Fahrrad. Für das «Human-Hybrid»-Konzept haben die Entwickler einem Fahrrad einen 8 kW/11 PS starken Elektromotor und eine ausgefeilte Regelungselekronik verpasst. Tritt der Fahrer in die Pedale, katapultiert ihn der Antrieb mit zusätzlichem Schub voran.

Auto-Führerschein reicht aus

Die Funktionsweise des Antriebs basiert nach Herstellerangaben auf «Muskelkraftmultiplikation»: Die Elektronik registriert die vom Fahrer aufgewendete Muskelkraft und gibt sie multipliziert mit einem Faktor bis 50 an das Hinterrad ab. Auf diese Weise soll «die Leistung eines Motorrads» drin sein. Immerhin erreicht das Gefährt laut Hersteller eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h.

Rasant ist auch der Preis: Stolze 12.460 Euro soll das Erockit kosten. Und was Interessenten vor dem Kauf beachten sollten: Um es in Deutschland fahren zu dürfen, ist ein Führerschein der Klasse A oder A1 oder der alten Klasse 3 erforderlich – ebenso wie beim Piaggio-Roller. (dpa/tmn)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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