Gemischte Zweirad-Gefühle in Köln

Intermot 2010

Der Motorradmarkt in Deutschland ist weiter rückläufig. Auf der Intermot in Köln zeigen sich manche Hersteller deshalb noch etwas bedeckt. Die wichtigsten Neuheiten sind trotzdem recht beeindruckend.

Von Thilo Kozik

Trotz schlechter Lage und rückläufiger Zulassungszahlen machen die Motorradhersteller derzeit wieder Köln zum Mekka der Zweiradwelt. Alle namhaften Hersteller sind zur Branchenmesse Intermot (bis 10. Oktober) gereist und öffnen dort ihr Schmuckkästchen. Gefüllt ist es mit den neuen Modellen des nächsten Jahrgangs. Da später im Jahr noch die Motorradmesse EICMA in Mailand folgt, halten sich einige Zweiradproduzenten noch bedeckt. Ihre Premieren gibt es erst auf dem für sie wichtigeren italienischen Motorradmarkt.

Lange Bandbreite bei Kawasaki

Der japanische Kawasaki-Konzern bietet eine Bandbreite an Neuheiten vom Sportler bis zum Retroklassiker. Angeführt werden sie vom Supersportler ZX-10R, der mit der neuesten in der MotoGP verwendeten Elektronik ausgerüstet ist. Der Reihenvierzylinder der grünen Rakete soll damit bislang unerreichte 155 kW/210 PS mobilisieren, die von aktuellen Assistenzsystemen wie einer regelbaren Traktionskontrolle und unterschiedlichen Fahrmodi domestiziert wird. Damit nimmt Kawasaki Kurs auf die BMW S 1000 RR, die im vergangenen Jahr die Supersport-Welt mit knapp unter 200 PS aus den Angeln gehoben hat.

Mit den Kawasaki-Modellen Z 750 R und Z 1000 SX kommen außerdem zwei Landstraßensportler neu ins Programm, die mit unterschiedlicher Ausrichtung zum Kurvenausflug locken: Die 101 kW/138 PS starke 1000er richtet sich als vollverkleidete Supersporttouring-Version mit verstellbarem Windschild an Tourenfahrer, die viel Dampf brauchen.

Die 750er ist ein modern gestyltes Naked Bike, dessen Reihenvierer für 78 kW/106 PS gut ist. Einen ganz anderen Fahrgenuss bietet die W800, ein klassisch gestyltes Motorrad, das optisch aus den 50er oder 60er Jahren stammen könnte. Mit echtem Königswellenantrieb und moderner Einspritzanlage schöpft der luftgekühlte Reihen-Zweizylinder aus 773 Kubikzentimetern. Ein Fünfganggetriebe mit Kettenantrieb kümmert sich um die Kraftweiterleitung.

Gewichtsreduktion bei Suzuki

Die GSX-R 750 hat an Gewicht verloren Foto: mid

Suzuki als zweiter japanischer Anbieter renoviert seine GSX-R Supersport-Familie mit einer neuen 600er- und 750er-Variante. Bei beiden Supersportlern hat die Gewichtsminimierung im Fokus gestanden - die GSX-R 600 wiegt stolze neun, die GSX-R 750 gar acht Kilo weniger als das Vorgängermodell. Die noch nicht verratenen Leistungswerte sollen moderat steigen, mittels drei Fahrmodi kann der Fahrer sie an die jeweiligen Gegebenheiten anpassen.

Interessanter als die Supersportler scheint die neuen GSR 750 zu sein, mit einem auf mehr Drehmoment ausgelegten 750-Kubik-Motor aus der GSX-R 750. Optional wird für die GSR das Antiblockiersystem (ABS) angeboten.

Honda und Yamaha zurückhaltend

Die einstmals so stolze japanische Zweiradmacht Honda hält sich in Köln bedeckt und stellt keine echten Neuheiten vor. Gezeigt werden unter anderem die im Spätsommer vorgestellten Motocrosser CRF250R und CRF450R sowie der Roadster VT750S.

Auch der heimische Konkurrent Yamaha hat sich über das Jahr verausgabt: Mit der spät im Jahr erschienenen Super Ténéré und den FZ8-Modellen haben sie die 2011er Neuheiten schon vorweg genommen. Was bleibt, sind die mit einer Kombibremse sinnvoll überarbeiteten Cruiser XVS1300A Midnight Star and XV1900A Midnight Star.

Sechs Zylinder für die K 1600

Sechs Zylinder weist die K 1600 GT auf Foto: BMW

Für die Highlights der Intermot sorgen dagegen die Europäer, allen voran BMW: Der bayerische Hersteller trumpft mit den beiden Sechszylindermodellen K 1600 GT und K 1600 GTL mächtig auf. Die beiden Sechszylinder-Reihenmotoren sind ultrakompakt konstruiert mit Getriebe und Nebenaggregaten hinter den nach vorn geneigten Zylindern. Sie schöpfen aus exakt 1649 Kubikzentimetern Hubraum satte 118 kW/160 PS Leistung und ein gewaltiges Drehmoment von 175 Newtonmetern.

Gut 70 Prozent der Kraft sollen bereits bei 1500 Touren anliegen und über die Kardanwelle an das Hinterrad in der Sportdimension 190/55 ZR 17 transferiert werden. Wie von den Supersportlern bekannt, stehen drei verschiedene per Knopfdruck vom rechten Lenkerende aus wählbare Fahrmodi zur Verfügung. Das BMW Integral-ABS ist serienmäßig, optional gibt es eine Traktionskontrolle und die elektronische Fahrwerksverstellung ESA II.

Comeback von Horex

Ab Mitte 2011 kehrt Horex zurück Foto: Horex

Ebenfalls Sonderausstattung ist das erste adaptive Kurvenlicht bei Motorrädern. Während die GT als Supertourer eher die Dynamik betont, legt die GTL ganz klar den Fokus auf Bequemlichkeit. So gibt es hier eine Zentralverriegelung für alle Schlösser vom Staufach bis zum Topcase.

Mit der neuen Horex lockt ein weiteres innovatives Produkt aus Deutschland, auch wenn die ersten handverlesenen Exemplare des modernen Landstraßenroadsters erst ab Mitte 2011 zu haben sein werden. Versehen mit der exklusiven VR6-Technologie ist die Horex ein Schmuckstück, das viele Besucher anzieht.

Neues Flaggschiff von Ducati

130 PS werkeln bei der Dorsoduro Foto: mid

Genau so wie der neue rote Renner aus Bologna, das neue Supersport-Flaggschiff 1198 SP von Ducati. Natürlich bewahrt das neue Vorzeigemodell die bekannt-schöne Hülle der italienischen Superbike-Familie, doch im Inneren werkeln die nach letzten Erkenntnissen im Rennsport konfigurierten elektronischen Helferlein: Die 1198 SP verfügt serienmäßig unter anderem über eine Traktionskontrolle, einen Schaltautomaten und eine Antihopping-Kupplung, einen Leichtmetall-Tank sowie das Öhlins TTX-Federbein, das auch bei den Werksrennern eingesetzt wird.

Aprilia transportiert sein fröhliches Landstraßenjäger-Konzept Dorsoduro mit einem 1200er Motor auf ein höheres Niveau. Der moderne, flüssigkeitsgekühlte 90-Grad-Vau-Motor leistet in der Spitze 96 kW/130 PS. Auf Wunsch lässt sich die Dorsoduro mit einer Traktionskontrolle ausrüsten, was für ein ruhigeres Gewissen beim Gasaufziehen aus der Kurve sorgt.

Zeitreise mit Moto Guzzi

Als Traditionsunternehmen setzt Moto Guzzi mit der V7 Racer ganz auf die Historie, denn das neue Modell der V7-Baureihe imitiert die historischen Rennmaschinen der 60er Jahre.

Beim Motor geht der Hersteller aus Mandello den bekannten traditionellen Weg mit dem quer eingebauten luft-ölgekühlten Vau-Motor, dessen Leistungsausbeute von 37 kW/50 PS ungeachtet des sportlichen Namens mehr nach Landstraßenabenteuer als nach Rennstrecke riecht.

Neue Triumph-Stilikone

Der britische Traditionshersteller Triumph präsentiert eine neue Version seiner Stilikone Speed Triple. Mit neuem Rahmen, neuen Federelementen, Rädern und mächtig modernisierter Optik will die Engländerin sportliche Naturen befriedigen. Dazu ist sie um gleich drei Kilo abgespeckt worden, ihr markanter 1050-ccm-Dreizylindermotor liefert mit 111 Newtonmeter mehr Drehmoment als das Vorgängermodell und die Leistung ist um fünf auf 100 kW/135 PS gestiegen.

Mehr Leistung als das Basismodell bietet auch das zweite neue Modell der Briten, der ganz in Schwarz getauchte Powercruiser Thunderbird Storm. Mit einer 1700 Kubikzentimeter großen Bigbore-Version des bekannten Paralleltwins der Thunderbird dürfte die Storm mit 156 Newtonmeter Drehmoment für mächtig Wirbel in der Cruiser-Szene sorgen.

KTM für die Rennstrecke

Die neue Duke von KTM Foto: mid

Aus Österreich kommen von KTM Mut machende Signale für den Motorrad-Nachwuchs. Richtig schick kommt die 125 Duke daher, von einem selbst entwickelten Viertakt-Einzylinder mit DOHC-Steuerung und Vierventiltechnik angetrieben, der echte 11 kW/15 PS stark ist. Mit dem mutigen, jugendgerechten Design wollen die Mattighofener die Lust aufs Zweirad unter den Heranwachsenden wecken.

Für erfahrene Piloten hat die orange Marke die RC8 R Track neu im Programm, die bereits ab Werk ein echter Renner ist. Sie ist nicht für die Straße zugelassen, sondern wird direkt auf Bestellung in verschiedenen Ausbaustufen ausgeliefert - vom Clubrenn-Status bis zur homologierten Version für internationale Rennen.

Schwerpunkt Elektromobilität

Die E-Scooter-Studie Foto: Smart

Einen neuen Schwerpunkt setzt die Intermot beim Thema Elektromobilität. Dem voll im Trend liegenden Antrieb ist gleich eine ganze Halle gewidmet. Dort präsentieren eine Vielzahl kleinerer Aussteller ihre Mobilitätslösungen, die hauptsächlich für den innerstädtischen Bereich konzipiert und maximal 45 km/h schnell sind.

Integriert ist auch ein Probe-Parcours, auf dem die elektrifizierten Fahrräder und Roller ausprobiert werden können. Geöffnet ist die Intermot täglich von 9 Uhr bis 18 Uhr, freitags können die Besucher gar bis 20 Uhr die neuen Modelle bestaunen. Die Tageskarte kostet 14 Euro, ermäßigt sind sechs Euro zu zahlen. Für die Zwei-Tages-Karte werden 19 Euro fällig. (mid)

Vorheriger ArtikelSportliches Sondermodell des VW Multivan
Nächster ArtikelBMW X3 ab 39.100 Euro
Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

Keine Beiträge vorhanden