Feuriges Multitalent

Ducati Multistrada 1200 S

Wie Gutes noch besser gemacht werden kann, dafür ist die Ducati Multistrada 1200 S ein gutes Beispiel. Was das Multitalent der Italiener kann, zeigt unser Test.

Von Thilo Kozik

Mit der neuen Multistrada 1200 S verfeinert Ducati die hauseigenen Supersport-Gene mittels innovativer Motor- und Fahrwerkssteuerung mit ungekannter Vielseitigkeit. Auf Knopfdruck wird die 110 kW/150 PS starke Ducati zum Sportler, Tourer, City-Bike oder Enduro. Möglich machen das eine Vielzahl elektronischer Helferlein, die Ducati als "Riding Mode Konzept" definiert. In der Edelversion S sind dafür 17 990 Euro hinzublättern.

Die Hightech-Elektronik macht sich schon vor dem Motorstart bemerkbar: Anstelle eines Zündschlüssels trägt man eine Keycard bei sich, gestartet wird ohne Prozedere mit einem Druck auf den Anlasserknopf, der sich unter dem Notaus-Schalter am rechten Lenkerende befindet.

Setup auf Knopfdruck

Per Knopfdruck am linken Lenkerende einstellbar kann zwischen vier verschiedenen Set-ups gewählt werden, die sich bei Bedarf auch während der Fahrt abrufen lassen. Für den ersten Abschnitt durch bewohntes Gebiet ist sinnvollerweise den Modus "Urban" zu wählen, durch die Unterscheidung zwischen Zweierbetrieb oder Solofahrt gibt man der Federvorspannung den Beladungszustand an. Die vier Modi "Sport", "Touring", "Urban" und "Enduro" unterscheiden sich durch verschiedene Motoren- und Fahrwerkseinstellungen, die Regelstufe der Traktionskontrolle (DTC) und das Ansprechverhalten des ABS.

Die Koffer an der Ducati Ducati

Durch die Ride-by-wire-Technologie, bei der Gasgriffbewegungen elektronisch an die Drosselklappen weitergeleitet werden, stehen drei verschiedene Motorprogrammierungen zur Verfügung. Bedient vom Blinkerschalter, steht der 1198er Desmo-Twin im Sport-Modus in voller Blüte mit 110 kW/150 PS bei 9 250 Umdrehungen und spontaner Gasannahme. Bei "Touring" gibt es ebenfalls die volle Leistung, aber eine zahmere Charakteristik. Im Enduro- und Urban-Modus spricht das große V2-Aggregat noch sanfter an, die maximale Leistung ist auf 74 kW/100 PS gekappt. Tatsächlich regelt das System jedoch deutlich feiner, denn es zieht noch die jeweilige Drehzahl, den eingelegten Gang und die Gasgriffstellung zur Bemessung von Zündung und Einspritzung heran.

Ungeachtet des gewählten Programms zeigt sich der neue Testastretta-11-Grad-Motor, so die Bezeichnung, deutlich zivilisierter als im Supersportler 1198 oder als in der Streetfighter. Unter 3 000 U/min noch nicht ganz leistungsbereit, beeindruckt der 90-Grad-V2-Motor ab dieser Marke mit makellosem Lauf und homogenem Druck insbesondere in der Drehzahlmitte. Auch die neue, weniger kraftaufwendige Nasskupplung trägt das ihrige zum Wohlgefühl im straff gepolsterten, aber nicht unkomfortablen Fahrersitz bei.

Leichte Vorlage

Ein Hingucker, die Ducati Multistrada Ducati

Der breite, leicht nach oben gekröpfte Lenker bedingt eine leichte Vorlage, die Rastenlage sorgt für bequeme Kniewinkel. Zwar sind die 85 Zentimeter Sitzhöhe nicht unerheblich, doch die meisten Multistrada-Piloten dürften den Boden sicher mit beiden Beinen erreichen. Notfalls gibt es im Zubehör einen Tieferlegungssatz um 2,50 Zentimeter. Beifahrer freuen sich über einen ebenso gut gepolsterten Sitz und stabile Haltegriffe, auf denen auch ein Topcase montiert werden kann. Für eine Ducati überraschend, verursacht der Blick in die Rückspiegel keine Klagen. Nicht ganz perfekt schützt die verstellbare Scheibe vor Fahrtwind, doch immerhin zeigt sich der Oberkörper vor unangenehmem Winddruck gefeit.

Die kleine Frontscheibe und der rabenschnabelartige Fortsatz unterm Doppelscheinwerfer geben der Multistrada ein eigenes Gesicht - ganz anders als die bisherigen Ducati-Modelle. Aggressiv und kompakt in Look und Stil bleibt sie unverkennbar eine Ducati, doch das schnittige Heck samt den sich harmonisch einfügenden Seitenkoffern und die langen Federwege machen die 1200er einzigartig.

Serienmäßige Heizgriffe

Bei der Multistrada 1200 S Touring mit serienmäßigen Heizgriffe und Hauptständer erfreuen die ebenfalls ab Werk erhältlichen Seitenkoffer mit gutem Stauvolumen und einfacher Handhabung; abgenommen hinterlassen sie keine unschönen Löcher. Allerdings wirken die Behältnisse im ersten Moment nicht sonderlich hochwertig. Zudem mag der lange Ausleger des Hauptständers manchen Fahrerfuß irritieren. Den Offroad-Zugaben wie dem kleinen Aluminium-Motorschutz traut man sich nicht wirklich derbes Gelände zu, und in die Handprotektoren integrierte LED-Blinker sind keine gute Idee bei unvermeidlichen Umfallern. Tourenfahrer indes dürfen sich über gleich zwei Bordsteckdosen freuen.

Das Besondere an der Multistrada sind aber nicht ihre guten Reisequalitäten, sondern der sportliche Touch, den das Touren mit der Ducati mit sich bringt. Auch andere Allrounder sind schnell, agil und komfortabel, doch das adrenalinfördernde Tempo macht den Unterschied aus - und die Möglichkeiten, die das elektronische Riding Mode Konzept bietet. Den 150 stampfenden Pferden bei einem Trockengewicht von lediglich 189 Kilogramm legt Ducati mit der gut funktionierenden Traktionskontrolle (DTC) ausgangs
der Kurve etwas die Zügel an.

Gute Bremsen

Spaßgerät, die Ducati Multistrada Ducati

Für eine zuverlässige Verzögerung sorgt die Bosch-Brembo-ABS-Bremsanlage - auch wenn diese durchaus später regelnd eingreifen und nicht so stark in den Hebeln pulsieren dürfte. Für Fahrgenuss ohne Reue sorgt zudem die Ducati Electronic Suspension (DES), das elektronisch einstellbare Öhlins-Fahrwerk, das für einen tollen Fahrkomfort bei gleichzeitig sportiver Direktheit sorgt.

Ungeachtet des Tausendsassa-Charakters wird die Multistrada in zwei Varianten angeboten: Als Standard mit ABS, Traktionskontrolle und weniger hochwertigen Federelementen für 14 990 Euro und als Multistrada 1200 S, von der es die hier beschriebene Touring-Variante und eine Sport-Version gibt, die sich durch zahlreiche gewichtssparende Kohlefaser-Teile auszeichnet. Doch egal in welcher Ausprägung, die Multistrada 1200 verknüpft das Leistungspotenzial eines Sportmotorrades mit der leichten Beherrschbarkeit und dem großem Einsatzpotenzial eines tourentauglichen Allrounders dank der Vielzahl technischer Neuerungen. (mid)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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