„Grüne Technologien sind das neue Premium“

Interview Daimler-Entwicklungsvorstand Weber

Für Thomas Weber ist zur Marktdurchdringung der E-Mobilität eine Infrastruktur mit offenen Systemen notwendig. „An den Ladestationen müssen Autos nicht nur Autos von Daimler sondern auch von BMW oder Toyota aufgeladen werden können“, sagte der Daimler- Entwicklungsvorstand der Autogazette.

Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber fordert von den Stromkonzernen mit Blick auf die Elektromobilität einen verstärkten Einsatz regenerativer Energien. "Jedem ist klar, dass sich beim Strommix noch einiges ändern muss hin zu erneuerbaren Energien", sagte Weber im Interview mit der Autogazette.

Thema nicht verschlafen

Dennoch bezeichnete Weber den Einstieg in die Elektromobilität auch mit dem heutigen Strommix als sinnvoll. Dadurch könnten bereits heute zumindest lokal emissionsfreie Fahrzeuge unterwegs sein, so der Manager. Für Weber wäre es fatal, wenn man das Thema verschlafen würde, nur weil die Energieversorger derzeit noch nicht über einem Strommix mit überwiegend grünem Strom verfügen.

Autogazette: Herr Weber, wird Elektromobilität eigentlich ad absurdum geführt, solange die Energieversorger nicht auf regenerativen Strom setzen?

Thomas Weber: Nein, aber natürlich ist die Frage legitim, da Zero-Emissions-Fahrzeuge nur dann Sinn machen, wenn man auch auf regenerativ erzeugten Strom zurückgreift. Trotzdem ist der Einstieg mit dem heutigen Strommix sinnvoll, weil dadurch zumindest lokal emissionsfreie Fahrzeuge unterwegs sind. Jedem ist klar, dass sich beim Strommix noch einiges ändern muss hin zu erneuerbaren Energien. Es wäre aber fatal, deshalb das Thema zu verschlafen.

"Die Kunden schlagen sich um den Smart"

Der Smart Electric Drive Daimler

Autogazette: Bringt es Sie denn nicht in Erklärungsnot, wenn Ihr Partner RWE gerade einmal auf einen Anteil von fünf Prozent nachhaltiger Energie in seinem Strommix kommt.

Weber: Absolut nicht, da wir von Anfang an von lokal emissionsfreien Fahrzeugen gesprochen haben. Am Ende wird zudem der Kunde entscheiden, mit wem er seinen Stromvertrag schließt. Wichtig ist doch, dass das Thema Elektromobilität Fahrt aufnimmt. Dazu gehört, dass es an den Ladestationen offene Systeme gibt. Egal ob der Strom nun von RWE oder Vattenfall kommt: An den Ladestationen müssen Autos nicht nur Autos von Daimler sondern auch von BMW oder Toyota aufgeladen werden können.

Autogazette: Sie bieten den Elektro-Smart im Rahmen des "e-mobility"-Projektes für 700 Euro an. Ist Elektromobilität damit nicht eine Technologie nur für Wohlhabende?

Weber: Wir werden kein Problem haben, Kunden für dieses Fahrzeug zu finden. Die Kunden schlagen sich um diesen Smart. Für Unternehmen ist es chic, ein solches Fahrzeug im Fuhrpark zu haben, auch für Kommunen. Außerdem muss man immer sehen, dass neue Technologien aufgrund der hohen Anlaufkosten immer nach einer Top-down-Strategie erfolgen. Dennoch bleibt es unser Ziel, ein Elektroauto flächendeckend anzubieten. Doch dafür braucht es entsprechende Stückzahlen, dann wird auch der Preis sinken.

"Aller Anfang ist schwer"

Autogazette: Deutschland will Leitmarkt im Bereich der Elektromobilität werden. Glauben Sie, dass dafür die im Aktionsplan Elektromobilität zur Verfügung gestellten 500 Millionen Euro reichen?

Weber: Natürlich ist das wenig, doch aller Anfang ist schwer. Ich bin mir natürlich auch über die Haushaltslage bewusst. Im Vergleich zu dem, was beispielsweise die USA, China oder auch Frankreich machen, sind 500 Millionen Euro nicht viel. Wenn ich mir vor Augen führe, dass fünf Milliarden Euro in die Abwrackprämie geflossen sind, dann muss ich sagen, dass man das Geld hätte besser verwenden können.

Autogazette: Betreiben Sie eigentlich Augenwischerei, wenn Sie sagen, dass die lokale Emission eines Elektroautos bei Null liegt? Schließlich geht es am Ende um die Klimabilanz und da liegt die CO2-Emission nun mal nicht bei Null.

Weber: Wir sagen doch nichts anderes: Ich bitte zum Start einer derartigen Technologie jedoch um die Akzeptanz einer solchen Betrachtungsweise. Eine derartige Diskussion, wie wir sie nun bei den Elektroautos führen, hat bei den Verbrennungsmotoren nie stattgefunden. Beim Verbrennungsmotor haben wir immer nur Diskussionen über Tank-to-Wheel geführt. Natürlich müssen wir rechtzeitig zu einer derartigen Diskussion führen, beispielsweise kann dies über die Steuerbefreiung für Fahrzeuge funktionieren, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Ich habe in meiner langjährigen beruflichen Praxis gelernt, dass Geld eine Lenkungsfunktion haben kann.

Autogazette: Wie groß müssen die Stückzahlen sein, um derartige Fahrzeuge bezahlbar zu machen?

Weber: Bei der Brennstoffzelle haben wir immer gesagt, dass wir 100.000 Fahrzeuge produzieren müssen, um Kostenpositionen zu erreichen, die wir für einen Diesel nach der Euro 6-Norm aufwenden. Wir sind überzeugt, dass wir dann ein solches Auto auch für den Kunden bei den Kosten attraktiv darstellen können.

"Grüne Technologien werden das neue Premium"

Die B-Klasse F-Cell Daimler

Autogazette: Alternative Antriebe bleiben für den Kunden jedoch eine kostspielige Angelegenheit...

Weber: ...natürlich. Grüne Technologie wird keine Billigtechnologie sein. Grüne Technologien werden zukünftig das neue Premium sein.

Autogazette: Die Bundesregierung will bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf den Straßen haben. Was glauben Sie, wie viele E-Autos Daimler bis dahin verkauft haben wird?

Weber: Eine Million Elektrofahrzeuge bis 2020 sind ein optimistisches Ziel. Wir haben das nicht in Zweifel gezogen, weil man ohne visionäre Ziele auch nie auf den Mond gekommen wäre. Mit Blick auf den Smart hoffe ich, dass wir weltweit mit ihm auf Verkäufe im fünfstelligen Bereich kommen.

Das Interview mit Thomas Weber führte Frank Mertens

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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