«Wir machen den Mercedes unter den E-Fahrzeugen»

Mercedes EQC-Chefentwickler Michael Kelz

«Wir machen den Mercedes unter den E-Fahrzeugen»
Michael Kelz bei der Erprobung des EQC im Schwarzwald. © Daimler

Mercedes hat am Dienstagabend die Weltpremiere des EQC gefeiert. Im Interview mit der Autogazette spricht Chefentwickler Michael Kelz über das neue Elektroauto der Schwaben.

Der Autobauer Mercedes wird das erste Elektroauto der EQ-Familie im kommenden Jahr auf den Markt bringen. Damit gehören die Stuttgarter unter den europäischen Premiumherstellern zu den Spätstartern.

«Wieso Spätstarter?»

Doch davon will der Chefentwickler des Mercedes EQC, Michael Kelz, nichts hören. „Wieso Spätstarter? Wir hatten bzw. haben mit der B-Klasssen als auch mit dem Smart batterieelektrische Fahrzeuge im Angebot“, sagte Kelz kurz der Weltpremiere des Mercedes EQC im Interview mit der Autogazette.

Einen Wettbewerbsnachteil kann Kelz durch den Marktstart des EQC im kommenden Jahr nicht erkennen. «Bei der E-Mobilität kommt es derzeit wirklich nicht auf ein paar Monate an.» Vielmehr sei die Ausprägung der Produkte für den Erfolg entscheidend.

«Auch die anderen Hersteller setzten auf das SUV-Segment»

Autogazette: Herr Kelz, wie geht es Ihnen als Chefingenieur damit, dass Mercedes mit dem EQC zu den Spätstartern gehört?

Michael Kelz: Wieso Spätstarter? Wir hatten bzw. haben mit der B-Klasse als auch mit dem Smart batterielektrische Fahrzeuge im Angebot. Doch jetzt kommen wir mit einem neuen Elektroauto in einem neuen Segment und anderen Stückzahlen. Auch die Flexibilität in der Produktion in unserer Fabrik in Bremen ist eine andere. Wir sehen uns sehr gut aufgestellt.

Autogazette: Sieht der EQC deshalb auch wie ein GLC aus, weil er damit auch auf dem gleichen Band wie der GLC laufen kann?

Kelz: Der EQC ist so konzipiert, dass er mit dem GLC auf einer Linie laufen kann und verfügt auch über den gleichen Radstand. Der EQC besitzt aber innen wie außen ein komplett eigenes Design. Der EQC gehört zu der gleichen Architektur, zu der auch die C- und die E-Klasse und der CLS gehören.

Autogazette: Fehlte Ihnen beim Design etwas der Mut, weil das Auto dem GLC ähnelt?

Kelz: Absolut nicht, es ist ein komplett neues Auto. Das gewählte Format entspricht in der Tat dem GLC, weil SUVs das erfolgreichste Segment auf dem Markt sind. Wenn wir den EQC in großen Stückzahlen absetzen wollen, nehmen wir das Fahrzeugsegment mit den höchsten Wachstumsraten. Wenn Sie sich den Wettbewerb anschauen, setzen auch die anderen Hersteller mit ihren E-Autos auch auf das SUV-Segment.

«Es gibt einen klaren Trend zu diesen Fahrzeugen»

Die Reichweite des Mercedes EQC liegt laut NEFZ bei 450 Kilometer. Foto: Daimler

Autogazette: Setzt man nur deshalb auf das SUV-Segment, weil es das stärkste Segment ist?

Kelz: Es gibt einen klaren Trend zu diesen Fahrzeugen.

Autogazette: Die Nachhaltigkeit spielt keine Rolle? Die Karosserieform steht ja nicht für eine besonders gute Effizienz.

Kelz: Es ist sicher richtig, dass der Luftwiderstand eines SUV nicht ganz so gut ist wie der einer Limousine. Auf der anderen Seite werden elektrisch angetriebene Fahrzeuge im Wesentlichen sicher nicht im Langstreckenbereich auf der Autobahn eingesetzt. Diese Form hat auch einen anderen wichtigen Aspekt: nämlich große Räder und die Fahrzeughöhe, die Platz für die Batterie bietet.

Autogazette: Statt dem Erfinder des Automobils hat als erster europäischer Hersteller Jaguar mit dem I-Pace ein E-Auto auf den Markt gebracht. Warum gehört Mercedes wie bei der Brennstoffzelle nicht zu den Vorreitern bei einer Zukunftstechnologie?

Kelz: Wir sind bei der Brennstoffzelle sehr gut unterwegs. Nicht nur bei den Brennstoffzellen, die wir bereits im Angebot hatten, sondern auch mit dem GLC F-Cell, der Ende des Jahres auf den Markt kommt. Über Anlauftermine kann man trefflich streiten: Wir werden sehen, wer am Ende die meisten Autos absetzt. Dafür ist es unerheblich, ob man ein paar Monate schneller auf dem Markt ist.

«Am Ende geht es um die Ausprägung der Produkte»

Das Cockpit des Mercedes EQC mit dem freistehendem Display. Foto: Daimler

Autogazette: Es ist für Sie kein Wettbewerbsnachteil, dass Sie den EQC erst 2019 auf den Markt bringen, während Jaguar den I-Pace als auch Audi den e-tron schon Ende des Jahres bringen?

Kelz: Nein, absolut nicht. Es geht nur um ein paar Monate. Am Ende geht es um die Ausprägung der Produkte. Es wird eine spannende Zeit. Bei der E-Mobilität kommt es derzeit wirklich nicht auf ein paar Monate an.

Autogazette: Sie sind auch deshalb so gelassen, weil der Markthochlauf für die E-Mobilität ohnehin erste 2020 erwartet wird?

Kelz: Was ist ein wirklicher Markthochlauf? Ich denke, dass diese Fahrzeuge auch jetzt ihre Käufer finden werden. Die Käufer, die bisher schon einen Mercedes gefahren haben, bekommen auch jetzt einen Mercedes, nur mit anderem Antrieb.

«Es liegt nicht am Zutrauen in die Technologie»

Der Mercedes EQC hat eine Ladeleistung von 115 kW. Foto: Daimler

Autogazette: Wie ernst meint es ein Hersteller wie Mercedes mit einer Technologie wie der Brennstoffzelle, wenn man ein Fahrzeug wie den GLC F-Cell nur in begrenzter Stückzahl und ausgewählte Kunden zum Leasing anbietet?

Kelz: Es liegt nicht am Zutrauen in die Technologie, weshalb das Fahrzeug nur an ausgewählte Kunden geht. Es ist schlicht die Kostenstruktur. Bei unseren Wettbewerbern ist das nicht anders.

Autogazette: Hyundai bietet den Nexo und Toyota den Mirai indes im freien Verkauf an.

Kelz: Wenn ich für einen Antrieb so viel Geld wie für die Brennstoffzelle ausgeben muss, dann ist der Markt dafür derzeit nicht groß genug. Ich denke, das wird man auch am Absatz der von Ihnen genannten Wettbewerber sehen.

Autogazette: Es heißt immer, dass das Model X von Tesla, der I-Pace von Jaguar als auch der e-tron von Audi Ihre Konkurrenten sind. Sehen Sie das auch so?

Kelz: Derzeit gibt es im Premiumsegment ja noch gar nicht so viele Modelle im Angebot, deshalb geht es eher darum zu sehen, welche Kunden überhaupt auf diese Modelle umsteigen. Ich sehe da noch nicht den großen Wettbewerb. Derzeit geht es darum, dass jeder Hersteller seine Kunden mit einem möglichst gängigen Elektroauto versorgen will. Unser Kernziel war, einen Mercedes zu bauen, wie ihn unsere Kunden von uns erwarten. Wir machen den Mercedes unter den E-Fahrzeuge und sind guter Dinge, das uns das gelungen ist.

«Sind alle auf einem Level unterwegs»

Autogazette: Was hebt den EQC bei der Technik von den Konkurrenten ab?

Kelz: Mit unserem Allradantrieb mit jeweils 150 kW und der dahinterliegenden Fahrtechnologie wie der Traktion haben wir das Fahrzeug auf dem Niveau, wie wir es vom 4Matic kennen. Mit Blick auf die Leistung sind wir alle auf einem Level unterwegs, bewegen uns in dieser Fahrzeuggröße alle um die 400 PS.

Autogazette: Bleibt es bei den 408 PS an Leistung?

Kelz: Das Fahrzeug hat eine Leistung von 408 PS. Die Reichweite nach NEFZ wird über 450 km betragen.

Autogazette: Jaguar bietet eine Ladeleistung von 100 kW, Audi von 150 kW und Sie?

Kelz: Unsere Ladeleistung bei Gleichstrom bewegt sich derzeit bei 115 kW. Wir sind bisher davon ausgegangen, dass die zukünftige Ladeleistung 120 kW sein wird. Entsprechend haben wir uns bei der Entwicklung an diesem Wert orientiert. Die meisten aktuellen Ladesäulen verfügen ohnehin nur über 50 kW. Selbst mit einem 150 kW-Lader könnte ich die Batterie nur für 15 bis 20 Minuten mit dieser Leistung laden, weil es dann zu Ladeleistungsbegrenzungen kommt.

Autogazette: Wie lange brauche ich bei leerer Batterie von 0 auf 80 Prozent?

Kelz: Das ermitteln wir gerade: aktuell sind es von 10 auf 80 Prozent 45 Minuten.

«Am Ende ist es eine Frage der gefühlten Sicherheit»

Am Heck des Mercedes ist dezent der Schriftzug EQC 400 zu sehen. Foto: Daimler

Autogazette: Wieviel Reichweite braucht man aus Ihrer Sicht, damit E-Autos beim Kunden ankommen?

Kelz: Die meisten Leute fahren im Alltag nicht die Reichweiten, die das Auto hat. Mir persönlich würden Reichweiten von realen 200 bis 250 Kilometer reichen. Am Ende ist es eine Frage der gefühlten Sicherheit und der nach wie vor nicht guten Ladeinfrastruktur. Am Ende wünschen sich alle rale 500 Kilometer, doch die muss man auch bezahlen wollen.

Autogazette: Es reicht nicht aus, nur ein E-Auto zu verkaufen. Was bieten Sie dem Kunden ums Auto herum an?

Kelz: Unser Fahrzeug ist bereits vorbereitet für die kommende Plug-and-Charge-Technologie. Sie brauchen also gar keine Karte mehr an die Ladesäule halten, es wird automatisch abgerechnet. Zum Glück hat sich die Industrie auf ein Protokoll hierfür verständigt, sodass wir es berücksichtigen konnten. Bis die Plug-and-Charge-Technologie kommt, bieten wir ihm eine Karte für die Nutzung an den unterschiedlichen Ladestationen. Zudem haben wir natürlich On-Board- als auch Offboard-Berechnungen, sodass der Kunde seine Reichweiten mit den auf dem Weg befindlichen Ladestationen planen kann.

«Es gibt nicht den einen Punkt, den ich besondes cool finde»

Der Mercedes EQC kommt Anfang 2019 auf den Markt. Foto: Daimler

Autogazette: Die Kaufprämie hat keinen Nachfrageschub erzeugen können, nun kommt 2019 das Steuerprivileg für Elektro-Dienstwagen. Ist das der richtige Schritt, den Markthochlauf zu beschleunigen?

Kelz: Jeder Schritt, der den nach wie vor hohen Anschaffungspreis eines E-Autos reduziert, ist ein wichtiger Schritt, um die E-Mobilität in Deutschland nach vorn zu bringen.

Autogazette: Was ist für Sie das coolste an diesem Auto?

Kelz: Es ist das gesamte Fahrerlebnis. Es gibt nicht den einen Punkt, den ich besonders cool finde. Wir wollten ein Elektroauto mit der Sportlichkeit und Fahrdynamik eines CLS und dem Fahrkomfort mindestens auf den Niveau der E-Klasse und das verpackt im gängigen GLC-Format entwickeln. Es sollte ein rundes Produkt sein. Und das ist gelungen.

Das Interview mit Michael Kelz führte Frank Mertens

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