Mercedes eActros: Serienstart für Batterie-Brummi

Mercedes eActros: Serienstart für Batterie-Brummi
Mercedes hat den Actros elektrifiziert © Daimler

Elektrische Pkw und Transporter hat Mercedes schon im Angebot. Mit dem eActros geht es nun auch den schweren Lastern an den Sprit.

Ein leises Klacken neben dem Lenkrad, das ferne Surren einiger Lüfter – und dann gespenstische Ruhe. Wenn Marcel Fickler seinen Actros startet, ist das nicht viel lauter als das Booten eines Computers. Dabei hat Fickler stolze 544 PS unter dem rechten Fuß und ist es eigentlich gewohnt, dass ein kleines Erdbeben durch die Kabine rollt und ihm die Ohren klingeln, wenn er seinen Truck startet. Doch Fickler sitzt nicht in irgendeinem Truck, und der Druck auf den Startknopf zündet keinen 15,6 Liter großen Diesel. Der Mercedes-Werksfahrer thront hinter dem Lenkrad eines eActros, mit dem die Schwaben die elektrische Revolution nun auch an die Laderampe bringen wollen: Nach drei Jahren im Feldtest geht der Laster jetzt als Pritsche oder Koffer mit zwei oder drei Achsen in Serie.

Wie jeder e-Fahrer schwärmt auch Fickler nicht nur von der Ruhe, die im Lkw besonders segensreich ist, weil sich der Lärmpegel in der Kabine nahezu halbiert. Mindestens so begeistert ist er vom Fahrverhalten des Lasters: Zumindest wenn er leer ist, erinnert in das Spurtvermögen fast ein bisschen an seine Zeit bei AMG und immer wieder freut er sich an den verdutzen Gesichtern in so manchem Pkw, wenn er beim Kavalierstart kurz die Nase vorn hat. „Immerhin kommen hier neun Tonnen in Fahrt“, sagt Fickler. „Und da ist die Ladung noch nicht dabei.“ An der Ampel mag das ein Spaß sein, doch etwa in Autobahnauffahrten ist das auch ein echter Sicherheitsgewinn, weil er besser beschleunigen und schneller einfädeln kann. Und dem Verkehrsfluss dient es obendrein.

Zwei E-Motoren sind in der zweiten Achse integriert

Nach drei Jahren im Feldtest geht der Laster jetzt als Pritsche oder Koffer mit zwei oder drei Achsen in Serie. Foto: Daimler

Nicht minder ungewohnt ist das Bremsen. Zwar arbeiten Trucker schon immer mit dem so genannten Retarder, einer Motorbremse, die über einen Hebel am Lenkrad bedient wird. Doch mit der Rekuperation geht diese Energie nicht als Wärme verloren, sondern wird wieder in die Batterie gespeist und bringt Fickler ein paar Kilometer weiter. Und wenn er sich nicht die Mühe mit dem Hebel machen will, kann er im digitalen Cockpit auf dem Touchscreen auch in den One-Pedal-Mode wechseln und den Actros allein durch das Lupfen seines Fußes zum Stillstand bringen. Spätestens dann fühlt sich der Trucker wie ein Tesla-Fahrer – nur mit besserem Ausblick.

Angetrieben wird der eActros von zwei E-Maschinen, die in der zweiten Achse integriert sind und ein zweistufiges Automatikgetriebe nutzen. Gespeist werden sie aus tonnenschweren Batteriepaketen, die genau dort am Rahmen befestigt sind, wo sonst die vielen Hundert Liter Diesel in ihren Tanks schwappen: Konfektioniert in Blocks zu jeweils 105 kWh gibt es den eActros mit 315 oder 420 kWh, die bei durchschnittlicher Beladung für 300 oder 400 Kilometer reichen sollen, bevor der Laster an die Ladesäule muss. Wenn die vollen 25 Tonnen erreicht sind oder er mit Hänger gar auf 40 Tonnen kommt, sind es allerdings 20 Prozent weniger.

In gut einer Stunde von 20 auf 80 Prozent Kapazität

Die einzelnen Akku-Blöcke haben eine Kapazität von jeweils 105 kWh. Foto: Daimler

„Dort brauchen wir im besten Fall eine gute Stunde für den Sprung von 20 auf 80 Prozent“, sagt Projektleiter Dalibor Dudic und räumt ein, dass die Zeit dabei das geringste Problem ist. „Das lässt sich locker in die Lenk- und Ruhezeiten integrieren oder an der Laderampe erledigen,“ berichtet ein anderer Fahrer. Viel schwieriger ist es, eine Ladesäule zu finden. Denn öffentliche Zapfpunkte für elektrische Laster gibt es quasi noch nicht und die Pkw-Säulen von Ionity & Co sind allenfalls eine theoretische Möglichkeit.

Auch deshalb sieht Dalibor Dudic die Zukunft des eActros erst einmal im Verteilerverkehr, wo die Strecken in der Regel bei höchstens 200 Kilometern am Tag liegen und eine Ladesäule auf dem Betriebshof sämtliche Reichweitensorgen ausräumen kann. Mittelfristig allerdings weiß auch Dudic, dass der elektrische Truck weiter fahren muss, wenn die Energiewende auch beim Nutzfahrzeug gelingen soll. Und billiger werden muss er natürlich auch. Schließlich kostet der eActros etwa dreimal so viel wie ein konventioneller Laster und tut sich damit extrem schwer in einem Markt, wo es nicht um Prestige geht, sondern um Profit.

Modell mit 500 Kilometern Reichweite in Arbeit

Der E-Antrieb kommt auf 544 PS und bis zu 400 Kilometer Reichweite. Foto: Daimler

Doch bei den Kosten hilft die Regierung, die nicht nur auf die Lkw-Maut verzichtet und den E-Trucks zwei Tonnen zusätzliche Nutzlast schenkt. Und was den Aktionsradius angeht, hat Daimler große Pläne. So arbeiten die Schwaben nicht nur an einem elektrischen Actros, der mit 500 Kilometern Reichweite auch für die Langstrecke taugen soll, sondern wollen parallel zum Marktstart im Jahr 2025 gemeinsam mit der Konkurrenz immerhin 1700 Ladesäulen in ganz Europa aufstellen.

Zwei Jahre später soll dann auch die gemeinsam mit Volvo entwickelte Brennstoffzelle für den Actros in Serie gehen: „Wir müssen anerkennen, dass Transport ein Teil des Problems ist, wenn es um den Klimawandel geht. Gleichzeitig können und werden wir Teil der Lösung sein“, sagt Truck-Chefin Karin Radström – und der eActros ist für sie dabei nur der Anfang. (SP-X)

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