Mercedes nimmt der Gefahr den Schrecken

Car-to-X Technologie wird eingeführt

Mercedes nimmt der Gefahr den Schrecken
Mit Car-to-X-Kommunikation warnt Mercedes vor Unfällen. © Daimler

Mercedes lässt ab Spätherbst Fahrzeuge miteinander kommunizieren und sorgt damit für einen Sicherheitsgewinn. Jetzt bleibt abzuwarten, wie schnell andere Hersteller es den Schwaben gleich tun.

Von Frank Mertens

Plötzlich taucht hinter einer Kurve das Ende eines Staus auf – für jeden Fahrer eine Schecksekunde. Wer jetzt nicht rechtzeitig reagiert und beherzt auf die Bremse tritt, kracht ins Stauende. Doch zukünftig kann der Autofahrer über eine solche Gefahrensituation rechtzeitig informiert werden: der Stuttgarter Autobauer Mercedes wird im Spätherbst im Rahmen seiner so genannten "Intelligent Drive"-Strategie die Car-to-X Technologie auf die Straße bringen. Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich der Informationsaustausch von Fahrzeug zu Fahrzeug und von Fahrzeug zur Verkehrsinfrastruktur.

Drive Kit Plus auch als Nachrüstlösung

Nachdem Daimler seit Jahrzehnten intensiv an der Car-to-X Technologie forscht, sieht man sich nun als erster Autohersteller weltweit "dank des Drive Kit Plus und der Drive-Style-App in der Lage, dieses Systems einzuführen", wie Jochen Hermann als Leiter Fahrassistenzsysteme der Autogazette sagte. "Würde man darauf warten, dass jedes Auto oder jede Ampel mit dem System ausgerüstet ist, würde man es nie einführen." Die Technologie von Mercedes ist dabei so konzipiert, dass sie nicht nur bereits ab Werk in Neufahrzeuge verbaut werden kann, sondern zu einem überschaubaren Preis von 690 Euro auch als Nachrüstlösung für ältere Mercedes-Modelle zur Verfügung steht. Entsprechend kann auch für eine schnelle Verbreitung zumindest in der Mercedes-Modellpalette gesorgt werden.

Wer mit dem Drive Kit Plus-System (es ist über eine Schnittstelle mit dem Smartphone verbunden) ausgestattet ist, bekommt beispielsweise ein sich nahendes Stauende im Display oder eine Gefahrensituation in seiner Nähe auf der Karte angezeigt und kann sich entsprechend darauf einstellen. Daimler nimmt der Gefahr deutlich den Schrecken und dürfte damit nachhaltig für eine Verringerung von Unfällen sorgen.

Gespräche mit anderen Herstellern

Natürlich entfaltet die Car-to-X Technologie erst dann richtig ihre Wirkung, wenn auch andere Autobauer dieses System nutzen und Warnhinweise über Gefahrensituationen wie Unfällen oder Geisterfahren über eine Cloud miteinander austauschen. Doch bis andere Hersteller sich anschließen, sei es nur noch eine Frage der Zeit. "Wir stehen natürlich im Gespräch mit anderen Autobauern", sagte Christian Weiß, der bei Daimler Car2X verantwortet. Doch bereits im jetzigen Stadium würde durch die neue Technologie ein deutlicher Sicherheitsgewinn ermöglicht.

Jochen Hermann, Frank Mertens und Christian Weiß im Gespräch zu Car-to-X-Kommunikation
Jochen Hermann, Frank Mertens und Christian Weiß im Gespräch Daimler

Denn das System zeigt nicht nur Unfall- oder Pannenfahrzeuge, sondern auch Wanderbaustellen, Geisterfahrer, Einsatzfahrzeuge der Polizei oder Rettungsdienste oder eine Straßenwitterungsgefahr an. Gerät ein Auto beispielsweise in der Kurve auf eine Eisfläche, wird der nachfolgende Verkehr darüber entsprechend mit einem Warnhinweise auf der Landkarte des Navigationssystem informiert. Drive Kit Plus nutzt dafür die Vernetzung mit den Informationen des Fahrzeuges wie beispielsweise dem ESP. Öffnet ein Fahrer beispielsweise die Motorhaube seines Fahrzeuges oder er drückt den Warnblinker, erscheint auf dem Display anderer Autofahrer in der Nähe ebenso ein Warnhinweis.

Andere Verkehrsteilnehmer vor Gefahren warnen

Doch beim System kann der Fahrer auch proaktiv tätig werden. Sieht er beispielsweise eine Gefahrensituation, kann er darüber mit einem einzigen Tastendruck die anderen Verkehrsteilnehmer informieren. Er ist sogar in der Lage, verschiedene Gefahrensituationen wie Unfall, Glätte oder die Warnung vor einem Geisterfahrer ins System einzugeben. Nachdem es in den zurückliegenden Monaten zu einigen schlimmen Unfällen durch Geisterfahrer gekommen ist, warnt das System den Fahrer auch davor, sollte er selbst einmal in die falsche Richtung auf die Autobahn auffahren. In einem späteren Schritt soll das System zugleich auch vernetzt sein mit den Verkehrsleitzentralen der Länder, die dann die von den Autofahrern in der Cloud abgespeicherten Informationen an angeschlossene Rundfunkanstalten zur Weiterverbreitung zur Verfügung stellen.

Car-to-X zeigt auch Einsatzfahrzeuge an.
Einsatzfahrzeuge werden auch als Warnhinweis angezeigt Daimler

Doch was ist, wenn einmal das Mobilfunknetz nicht zur Verfügung steht, durch das die Informationen ausgetauscht werden? Natürlich sei so etwas nicht komplett auszuschließen, gibt Weiß zu. Doch zum einen nutzt Drive Kit Plus die Außenantenne des Fahrzeuges und verfügt dadurch über eine bessere Empfangsleistung, zum anderen sind die Warnhinweise in der Regel schon über die Cloud ans System des Fahrzeugs weitergeben worden.

Das System von Mercedes ermöglicht seinen Nutzern über derzeit bestehende Fahrassistenzsysteme hinaus einen Blick voraus und vor allem um die Ecke. Genau dorthin, wo die bisherigen Systeme die Gefahr noch nicht erkennen können. Entsprechend kann man den Schritt der Schwaben nur begrüßen, bei dieser Technologie die Vorreiterrolle zu übernehmen und das System schon zu einem Zeitpunkt auf den Markt zu bringen, wo andere Hersteller noch zögerlich agieren.

Keine Beiträge vorhanden