Future Truck: Von der Vision zur Revolution

Autonom fahrender Lkw von Mercedes

Future Truck: Von der Vision zur Revolution
Daimler arbeitet mit Nachdruck am Future Truck. © Daimler

Mercedes hat gerade seinen autonom fahrenden Future Truck 2025 vorgestellt. Damit soll nicht nur der Fahrer entlastet werden, sondern auch Unfälle und Staus vermieden werden. Doch bis dahin müssen noch etliche Fragen geklärt werden.

Von Frank Mertens

Wer an auf der Autobahn fahrende Lkws denkt, denkt dabei fast nur an Negatives: Für das Gros der Autofahrer sind Brummis nichts weiter als ein Ärgernis. Sie fahren Stoßstange an Stoßstange, scheren aus, sorgen für Staus und sind an Massenkarambolagen durch abgelenkte Fahrer beteiligt.

Geht es nach dem Lkw-Bauer Mercedes, soll das bald ein Ende haben. In der Vorwoche haben die Stuttgarter auf einem abgesperrten Teilanschnitt der A14 bei Magdeburg ihren „Mercedes-Benz Truck 2025“ vorgestellt. Er soll, nicht weniger hat sich Mercedes zum Ziel gesetzt, den Güterverkehr revolutionieren. Die Vision von Mercedes ist dabei klar: Der autonom fahrende Lkw soll dazu beitragen, Unfälle signifikant zu reduzieren, möglichst sogar gänzlich zu vermeiden. Gelingen soll dies mit einem so genannten Highway-Piloten, der im Actros zum Einsatz kommt.

Autopilot entlastet Fahrer

Dieser Autopilot ermöglicht es, bis Tempo 85 km/h vollkommen autonom unterwegs zu sein. Das führt dazu, dass der Fahrer nachhaltig entlastet wird: Statt sich stundenlang bei monotonen Fahrten auf der Autobahn konzentrieren zu müssen, kann der Brummi-Fahrer stattdessen entspannen oder sich anderen Aufgaben zuwenden wie die ansonsten lästige Suche nach einem Parkplatz. Während sich der Fahrer anderen Aufgaben widmet, übernimmt der Autopilot dessen Job: er tut dies, wie die Jungfernfahrt auf der A14 zeigte, so souverän, dass der Fahrer stressfreier sein Ziel erreichen kann.

Dabei greift der Future Truck auf fast die gleiche technische Basis zurück, mit der schon die Mercedes S-Klasse im Vorjahr eine Strecke von über 100 Kilometer zurücklegte. Zum Einsatz kommt dabei ein ausgeklügeltes Radar- und Sensoriksystem, das den Fern- und Nahbereich scannt.



Dabei deckt der Frontradar eine Reichweite von 250 Metern ab und erfasst einen Öffnungswinkel von 18 Grad. Im Nahbereich wird ein Abstand von 70 Metern abgedeckt, der Winkel beträgt hier 130 Grad. Dieser Radarsensor ist bereits heute Basis für den Notbrems- und den Abstands-Assistenten.

Zudem kommt noch eine Stereokamera im oberen Bereich der Windschutzscheibe – an dieser Stelle ist derzeit bei den herkömmlichen Actros-Lkws eine Monokamera für den Spurhalteassistenten montiert, zum Einsatz. Sie hat eine Reichweite von 100 Metern und einen horizontalen Bereich von 45 Grad und vertikal 27 Grad aufweist. So ausgerüstet kann der Future Truck ein- und zweispurige Fahrbahnen und sämtliche Objekte wie beispielsweise Fußgänger oder auch Baustellen erkennen. Auf dem Standstreifen parkenden Fahrzeuge oder Baustellenfahrzeuge oder auch überholende Autos werden mit seitlichen Radarsensoren identifiziert.

Rechtliche Anpassungen nötig

Ein autonomer Lkw von Daimler soll bald in Deutschland fahren.
Der Fahrer kann sich während der Fahrt entspannen Daimler

Dank der Ausrüstung mit diesen Assistenzsystem können sich Autofahrer schon einmal mit dem Gedanken anfreunden, spätestens im Jahr 2025 Lkw-Fahrer zu sehen, die Zeitung lesend oder mit einem Tablett in der Hand in der Kabine sitzen, gegebenenfalls zur Entspannung auch ihre Füße auf die Mittelkonsole gelegt haben. Was sich wie Zukunftsmusik anhört, ist greifbar nah. Technisch könnte Mercedes seinen Future Truck bereits früher als 2025 auf den Markt schicken.

Doch noch bedarf es rechtlicher Anpassungen: Wie schaut es beispielsweise mit dem Datenschutz aus, wie mit der Produkthaftung? Es sind eine Vielzahl von Fragen zu klären, wie Daimler-Vorstand Wolfgang Bernhard sagte. Bernhard begrüßt es, dass das Wiener Abkommen für den Straßenverkehr gerade modifiziert wurde und damit Hürden auf dem Weg zum autonomen Fahren beseitigt wurde. „Nun gilt es, diese Neuregelung schnell in die deutsche Straßenverkehrsordnung zu übertragen.“

Der Daimler-Vorstand hofft, dass der Future Truck die Diskussion hin zum autonomen Fahren befördert und schnell zu einem Ergebnis kommt, möglichst vor dem Jahr 2025. Wenn nicht? Dann wird es diese Technologie halt nicht zunächst auf dem Heimatmarkt geben, sondern auf Märkten, die autonomes Fahren bereits erlauben wie beispielsweise in Arizona. Doch es sind Fragen, die lösbar sind, sagt der Manager. Zugleich gehe es natürlich auch darum, Vertrauen für die neue Technologie zu schaffen. Es müsse eine soziale Akzeptanz für autonomes Fahren geschaffen werden.

Assistenzsysteme verringern Unfälle

Wer an die Verringerung der Unfälle denkt, der wird kaum am autonomen Fahren vorbeikommen. Denn durch den Einsatz von Fahrassistenzsystemen wie beispielsweise Spurhalteassistent oder ESP können Crashs signifikant reduziert werden. Klaus Ruff von der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft verweist in diesem Zusammenhang auf eine mit dem Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) begleitende Untersuchung, bei der 1332 Fahrzeuge mit und ohne Assistenzsystem über drei Jahre 350 Millionen Kilometer zurückgelegt haben – mit klaren Ergebnis: bei den Fahrzeugen mit Assistenzsystem passierten ein Drittel weniger Unfälle als bei denen, die ohne diese Technik unterwegs waren.

Moderne Assistenzsysteme würden den Fahrer deutlich entlasten und die Verkehrssicherheit erhöhen, stellt Ruff fest. „Es spricht viel dafür, dass die Weiterentwicklung der Assistenzsysteme und ihre intelligente Vernetzung diesen positiven Trend zukünftig fortführen werden“, betonte Ruff. So wie es in der Luftfahrt oder in der Seewirtschaft bereits Autopiloten gibt, sollte es sie entsprechend auch im Straßenverkehr geben, so der Experte. Das autonome Fahren, glauben Experten, wird letztlich auch das Berufsbild des Lkw-Fahrers verändern. Das scheint auch notwendig zu sein.

Denn der Branche fehlt der Nachwuchs. Da bei einem autonom fahrenden Lkw vieles automatisch geregelt werde, werde auch der Fahrer vom Zeitdruck entlastet, „der heute einen großen Teil seiner Arbeitsbelastung“ ausmache, wie Ruff sagt. In der Idealvorstellung von Mercedes kann der Brummi-Fahrer in Zukunft Tätigkeiten ausüben, die bislang den Disponenten in der Spedition vorbehalten waren. Er würde damit quasi vom Fahrer zum Transportmanager.

Staus vermeiden

Mercedes Future Truck 2025 fährt autonom.
Der Future Truck ist autonom unterwegs Daimler

Doch inwieweit können autonom fahrende Lkws den Verkehrsfluss optimieren, gegebenenfalls sogar Staus vermeiden helfen? Durch die Vernetzung: Denn die wird in Zukunft noch weiter zunehmen. So kommuniziert der Lkw ständig mit anderen Verkehrsteilnehmern, tauscht sich über seine Position aus und informiert auch über Staus, der Länge und Baustellen. Die vernetzten Fahrzeuge können darauf automatisch reagieren und ihr Tempo entsprechend darauf einstellen, sodass ein besserer Verkehrsfluss entsteht und der ohnehin begrenzte Platz auf den Autobahnen besser genutzt wird.

Letztlich soll die Vernetzung auch zu einer gesteigerten Effizienz beitragen – und damit zu einer deutlichen Kosteneinsparung im preissensiblen Güterverkehr. „Die Effizienzpotentiale der Zukunft liegen nicht im Fahrzeug allein, sondern im Zusammenspiel von Fahrzeugen, Infrastruktur und Logistiksystem“, sagte Uwe Clausen, Institutsleiter beim Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik.

Das hört sich alles gut an. Doch bleibt der Future Truck auch für den kleinen Spediteur bezahlbar? Ja, sagt Daimler-Vorstand Manager. „Die Kosten werden nicht astronomisch hoch sein. Wir werden nur Erfolg haben, wenn der Preis attraktiv ist.“

Und was sagt die Branche zu dem Future Truck? Der BGL sieht autonom fahrende Fahrzeuge durchaus positiv, wie Hauptgeschäftsführer Karlheinz Schmidt am Montag der Autogazette sagte. "Doch das ist noch Zukunftsmusik. Was für unsere Branche wichtig wäre, wäre ein Abbiegeassistent. Er könnte jetzt Leben retten. Doch auf ein solches System warten wir bislang vergeblich. Hier besteht dringender Handlungsbedarf."

Inwieweit der autonom fahrende Lkw das Berufsbild des Fahrers attraktiver machen könne, bleibt für Schmidt abzuwarten. Denn der Nachwuchsmangel liege nicht ausschließlich darin begründet, dass der Job des Lkw-Fahrers unattraktiv sei. "Wir haben - wie auch andere Branchen - schlicht unter dem demografischen Wandel zu leiden." Ein wenig, sagt der Hauptgeschäftsführer des BGL, komme es ihm in der Diskussion um den Güterverkehr der Zukunft so vor, als dass bei einer Panne sofort der Neuwagenverkäufer kommt, anstatt erst einmal den Pannendienst zu schicken. Die Hersteller hätten mit der Entwicklung von Fahrassistenzsystemen wie beispielsweise dem Abstandswarner oder Spurhalte- und Notbremsassistenten ohne Frage viel für die Verringerung von Unfällen getan, doch jetzt müsse zeitnah der seit langem geforderte Abbiegeassistent kommen. „Natürlich ist es wichtig, in die Zukunft zu schauen. Doch die Bedürfnisse der Gegenwart dürfen dabei nicht vernachlässigt werden.“

Vorheriger ArtikelVW baut weitere zwei Werke in China
Nächster ArtikelA3-Familie beschert Audi Rekordhalbjahr
Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

Keine Beiträge vorhanden