KTM Freeride E: Ökologisch korrekt die Berge hinauf

Elektrische Enduro

KTM Freeride E: Ökologisch korrekt die Berge hinauf
Die KTM Freedride E - elektrisch unterwegs. © KTM

KTM hat hat mit der Freeride E eine elektrisch angetriebene Enduro an den Start geschickt. Wer auf ihr unterwegs ist, wird selbst von Wanderern in den Bergen wohlwollend begrüßt.

Zündung einschalten, Fahrzeug „scharfmachen“, Fahrprogramm wählen, Fahrgriff drehen – so einfach ist es, mit der KTM Freeride E vom Parkplatz vor dem Hotel in Saalbach-Hinterglemm loszufahren. Kein Viertaktmotor blubbert, kein Zweitakter kreischt.

Stattdessen sind beim Durchfahren des Ortszentrums das Abrollgeräusch der grobstolligen Reifen, das Laufgeräusch der Antriebskette und ein dumpfes Surren des Elektromotors zu hören. Es scheint während unserer Tages-Testtour auf die Berge rund um Saalbach-Hinterglemm niemanden zu stören: Manche Wanderer winken uns freundlich vorbei, andere winken uns gar zu. Wären wir auf einer normalen Enduro mit Verbrennungsmotor unterwegs, würden sie uns bestimmt zum Teufel wünschen. Mindestens.

Moralisches Überlegenheitsgefühl

Einen Gutteil des Kaufpreises von gut 11.000 Euro investiert man in ein moralisches Überlegenheitsgefühl gegenüber Verbrennungs-Fahrern einerseits und andererseits in das Wissen, mit der Freeride E unterwegs auf weitaus mehr Akzeptanz anderer Umweltnutzer zu stoßen. Denn nichts stinkt, und als lärmend kann man die Geräuschentwicklung des sehr zierlich wirkenden, nur 110 Kilogramm wiegenden Fahrzeugs beim bösesten Willen nicht empfinden. Ja, wir sind mit ausgesprochen gutem Gefühl unterwegs auf geschotterten Bergstraßen, Wanderwegen und auf Downhill-Trails, die normalerweise mutigen Mountainbiketreibern vorbehalten sind. Niemand stört sich an unserem Tun.

Ganz im Gegenteil: Das Interesse an den Elektro-Enduros ist groß. Mountainbiker stoppen ihren Anstieg und gieren nach einer kurzen KTM-Probefahrt, Wanderer zücken die Handy-Cam und fragen nach Reichweite und Kaufpreis. Der kann übrigens durchaus relativ betrachtet werden: Denn feine Mountainbikes, ganz ohne E-Assistenz natürlich, können durchaus bei 8.000 Euro liegen. Da ist die Kluft zur Freeride E dann nicht mehr groß.

Exoten auf deutschen Straßen

KTM Freedride E
Die Freeride lässt sich einfach im Gelände bewegen KTM

Elektromotorräder sind absolute Exoten auf den deutschen Straßen: Mehr als ein paar hundert davon gibt es aktuell nicht. Bislang stammen sie von Firmen, die weithin unbekannt sind: Johammer, Zero oder Brammo heißen sie. Von den Großen der Branche hat kürzlich Harley-Davidson aufhorchen lassen mit einem elektrischen Prototyp, über dessen Bau aber erst in zwei Jahren entschieden werden soll.

Vorgeprescht ist von den Platzhirschen alleine BMW, allerdings im Elektroroller-Segment, nicht bei den Bikes. KTM legt nun ein klares Bekenntnis ab: „Wir ziehen das durch“, verspricht Firmensprecher Thomas Kuttruf und nennt als Beweis, dass man schon auf der Motorradmesse Intermot in Köln Anfang Oktober die nächste Stufe zünden wird: Dann wird eine Freeride in Supermoto-Ausführung präsentiert werden.

Die Freeride E gibt es in zwei Versionen: Homologiert und damit für die Straße zugelassen als Modell XC und ohne Homologation (es fehlen Blinker, Spiegel, Kennzeichenhalter und Beleuchtung) als Modell SX. Dieses ist ausschließlich für den Einsatz auf privaten, abgesperrten Strecken vorgesehen. Von denen gibt es bereits mehr als nur eine Handvoll, nämlich als „Freeride E Parks“. Dort können sich Freunde des elektrischen Offroadfahrens teils auf Wiesen oder in einstigen Kiesgruben, aber auch in der Halle auf losem Untergrund austoben. Lokal emissionsfrei und auch extrem lärmarm.

Mit Führerscheinklasse A1 zu fahren

Die XC-Version darf schon von all jenen gefahren werden, die einen Führerschein A1 besitzen, wie er für das Fahren von Leichtkrafträdern bis 11 kW/15 PS nötig ist. Mit dieser Leistung ist auch die elektrische KTM homologiert. Doch das wassergekühlte E-Triebwerk kann mehr: 16 kW/22 PS beträgt die Spitzenleistung. Mit ihr wird das gefühlt federleichte Fahrzeug maximal etwa 75 km/h schnell. Schnell? Auch das ist relativ, denn natürlich ist die E-XC nicht für die Straße gemacht, sondern fürs Offroadfahren. Und da sind Tempi jenseits der 50 km/h oft schon sehr schnell.

KTM Freedride E
Die Freeride kommt bei Wanderern gut an KTM

Dank der sehr stark profilierten Reifen ist die Traktion auch auf feuchtem Untergrund ausgezeichnet, und auch das Bremsen bergab lässt sich – ein spezielles ABS ist in Entwicklung – dank gut abgestimmten Bremsen fein dosieren. Der große Lenkeinschlag macht das Manövrieren in engen Passagen leicht, die langen Federwege halten mächtige Reserven für harte Landungen bereit. Dass KTM Offroader bauen kann, demonstriert auch die Freeride E – es gibt auch zwei Freerides mit Verbrennungsmotoren – aufs Eindrücklichste.

2,6 kWh beträgt die Kapazität der 260 Volt-Batterie. Je nach Intensität der Belastung kann man mit einer Füllung rund eine bis nahezu zwei Stunden fahren, sagt KTM. Wirklich ausprobieren konnten wir das noch nicht. Ist die Batterie (fast) leer, kann man sie via Ladegerät in eingebautem Zustand in knapp 1,5 Stunden wieder füllen, oder man tauscht das leere 23 Kilo-Paket einfach gegen ein volles. Dazu müssen nur die Sitzbank hochgeklappt und vier Schrauben gelöst werden. Die zweite Batterie muss man freilich zuvor für rund 3.200 Euro zusätzlich erworben haben. 700 Zyklen soll sie verkraften, bevor ihre Leistung auf 80 Prozent abgesunken ist. Drei Jahre Garantie gewährt KTM auf sein Kraftpaket.

Einfaches Offroad-Fahren

Das Fahren in und auf den Bergen ist faszinierend mit der KTM Freeride E. Für weniger Geübte ist es zudem weitaus einfacher als mit konventionellen Enduros, weil das komplizierte Zusammenspiel mit Schaltung, Kupplung und Gas entfällt. Jetzt genügt dosiertes Drehen am rechten Lenkerende, dann ist alles geritzt. Drei Fahrprogramme für unterschiedlich kräftiges Ansprechverhalten versprechen den Schwächeren nicht zuviel Kraft auf einmal und Versierten stets mehr als genug Kraft, getreu dem Firmenmotto „Ready to Race“. Die Auslegung passt, so der erste Eindruck.

Alles in allem: Die KTM Freeride E hat in unseren Augen Zukunft. Denn ihr Einsatzzweck benötigt relativ wenig Reichweite, dafür wenig Gewicht, viel Handlichkeit – und viel soziale Akzeptanz. Mit all diesen Faktoren kann sie aufwarten. Und Spaß macht sie zudem – und wie! (SP-X)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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