Autozulieferer feilen am Profil

Nach der Krise

Autozulieferer feilen am Profil
Produktion beim Autozulieferer allgaier © dpa

Die Autobranche hat 2010 eine Renaissance erlebt. Die von den Autoherstellern abhängigen Zulieferer trauen dem Braten aber noch nicht so ganz. Sich breiter aufstellen und möglichst flexibel sein, lauten die Strategien für die Zukunft.

Von Stefanie Koller und Bernd Glebe

Flexibel sein - das wird für die Autozulieferer mehr denn je zur Zauberformel. Ob Produktionsabläufe, Kundenstruktur, Beschäftigungsmodelle oder die weltweite Aufstellung: Die Unternehmen müssen schnell auf Unvorhergesehenes reagieren können und dabei trotzdem noch rentabel bleiben. Zwar steuert so mancher Zulieferer wie der Branchenprimus Bosch nach dem dramatischen Krisenjahr 2009 schon wieder auf Rekordumsätze zu. Doch der Kostendruck in der Branche ist noch immer enorm und die künftige Entwicklung auch in der Boom-Region Asien lässt sich nur schwer vorhersehen.

Risiko Überkapazitäten

Dass die Branche nach den dramatischen Einbrüchen 2009 im vergangenen Jahr fast wie Phoenix aus der Asche auferstanden ist, liegt vor allem an China und anderen asiatischen Länder wie Indien. Autobauer wie Daimler wollen künftig auch verstärkt dort produzieren, wo das Wachstum ist. Für die Zulieferer heißt das, dass sie fast keine andere Wahl haben, als mitzuziehen. Ohne Risiko ist das aber nicht. Vor allem für viele kleine Unternehmen ist das ein schwieriger Schritt, der mit enormer Kraftanstrengung verbunden ist.

Außerdem könnte es im Land des Lächelns langsam eng werden, weil jeder ein Stück vom Kuchen abhaben möchte. «Das Risiko, dass Überkapazitäten entstehen, ist groß», warnt der Autoexperte Stefan Bratzel. Zudem werde das Wachstum in China nicht ewig so rasant weitergehen und abflachen. Für die Zulieferer sei es deshalb wichtig, in verschiedenen Märkten aktiv zu sein, um mögliche Einbrüche besser verkraften zu können.

Mehrere Standbeine erforderlich

Mehrere Standbeine haben - dieses Motto gilt auch für die Kundenstruktur. Zu sehr von einer Branche oder gar einem großen Autobauer abhängig zu sein, macht leicht verwundbar. Der weltgrößte Autozulieferer Bosch hatte sich schon lange vor der Krise zum Ziel gesetzt, das zu ändern. Unternehmenschef Franz Fehrenbach ist fleißig dabei, die Zukunftssparten auszubauen und setzt dabei unter anderem auf die Solarbranche. Zwar wirft die Solarzellenherstellung noch nicht die ganz großen Gewinne ab; die Richtung geht aber klar nach oben.

Auch der Filterspezialist Mann+Hummel will unabhängiger werden. Firmenchef Alfred Weber hat die Losung ausgegeben, in einigen Jahren nicht mehr 90 Prozent des Umsatzes im Geschäft mit der Autoindustrie zu machen, sondern nur noch rund zwei Drittel. Ihr Know-how bei der Filtertechnik wollen die Ludwigsburger verstärkt auch in der Industrie und zur Reinigung von Trinkwasser zu nutzen.

Flexibilität bei Produktion

Flexibilität sei auch bei der Produktion gefragt, sagt Branchenexperte Bratzel. «Zum Beispiel sollten Produktionslinien so ausgelegt sein, dass man nicht nur ein Produkt für einen Kunden dort fertigen kann.»

Mit flexiblen Instrumenten bei der Beschäftigung haben die Zulieferer bereits während der Krise umfassende Erfahrungen gesammelt - Kurzarbeit, Arbeitszeitkonten und Verzicht auf Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld. Leiharbeit sehen Bosse von Autobauern wie Daimler-Chef Dieter Zetsche und den Zulieferern gleichermaßen als extrem wichtiges Instrument an, um in der wettbewerbsintensiven Branche auch in Zukunft flexibel auf Nachfrageveränderungen reagieren zu können. Die IG Metall läuft dagegen massiv Sturm gegen einen zu großen Anteil von Leiharbeitern in Unternehmen.

Rasanter Aufschwung im vergangenen Jahr

Durch die flexiblen Maßnahmen gelang es während der Krise jedoch vielen Firmen zumindest in Deutschland, die Stammbelegschaft und damit Know-how an Bord zu halten. Dies sei eine entscheidende Voraussetzung gewesen, am rasanten Aufschwung 2010 teilzunehmen, bestätigt Bratzel die Einschätzung aus vielen Vorstandsetagen. Zudem seien die Betriebe gerade auch in der Forschung und Entwicklung auf erfahrene Fachkräfte angewiesen. Sie sollen die Lösungen für die Zukunftsthemen der Autoindustrie wie die Optimierung des Verbrennungsmotors, alternative Antriebe und den Leichtbau vorantreiben.

Trotz aller Vorsicht stehen die Zeichen aber gut für die Branche: 2010 ist nach einer Studie des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach für viele Zulieferer zum profitabeltesten ihrer Geschichte geworden. 2009 hatte noch jedes fünfte der weltweit 100 größten Unternehmen rote Zahlen geschrieben.

«Wachstum wird abflachen.»

Auch für 2011 stehen die Ampeln nach Einschätzung von Experten auf grün: Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC geht für ein knappes Drittel der Hersteller und Zulieferer von einem Umsatzplus von mehr als 15 Prozent aus. «Für die Zulieferer wird 2011 kein schlechtes Jahr», sagt auch Bratzel. «Das Wachstum wird aber im Vergleich zu 2010 abflachen.» (dpa)

Vorheriger ArtikelDiesel mag es gerne warm
Nächster ArtikelVDIK: Deutscher Automarkt im Dezember im Plus
Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

Keine Beiträge vorhanden