Wut auf den «eiskalten Kapitalismus»

Karmann nach dem Insolvenz-Antrag

Die Mitarbeiter im Osnabrücker Werk erfuhren es von ihren Vorgesetzten, dann standen die Bänder still. Nach der Insolvenz herrscht im Betrieb Empörung über Vorstände und Eigentümer: «Von Moral und Anstand keine Spur.»

Die weltweite Autokrise hat ein weiteres Opfer. Am Mittwoch stellte der Cabrio-Hersteller Karmann einen Insolvenzantrag beim Osnabrücker Amtsgericht. 3470 Mitarbeiter blicken in eine ungewisse Zukunft. «Die Stimmung im Betrieb schwankt zwischen Wut und Enttäuschung», sagt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Gerhard Schrader. «Aber die Wut überwiegt. Die Mitarbeiter konnte man nicht mehr mit Vielem enttäuschen.» Die Arbeit ruhte an diesem schwarzen Mittwoch im Werk.

Die Belegschaft sei von den Vorgesetzten informiert worden, sagte Schrader. Von der Unternehmensführung war niemand zu erreichen. Der Unternehmenssprecher schickte per Mail eine Pressemitteilung an die Medien. Die Autokrise und der jüngst mit den Arbeitnehmern vereinbarte Sozialplan habe zur Zahlungsunfähigkeit geführt. Für den Osnabrücker IG-Metall-Bevollmächtigten Hartmut Riemann ist diese Begründung eine «Unverschämtheit».

Kein zusätzliches Kapital von den Eigentümern

«Es handelt sich gar nicht um Sozialplankosten oder Transferleistungen», sagt Riemann empört. «Es handelt sich um Auslauflöhne in der Kündigungsfrist, auf die jeder Mitarbeiter auch ohne Sozialplan ein individuelles Recht hat.» Karmann habe schon diese Lohnzahlungen nicht mehr stemmen können und hätte dafür einen Kredit aufnehmen müssen. Riemann macht die Gesellschafter des Traditionsunternehmens für das Debakel verantwortlich. «Diesen Kredit haben sie aus unserer Sicht nicht energisch genug vorangetrieben.»

Auch der IG-Metall-Chef Heinz Pfeffer aus dem westfälischen Rheine, wo Karmann ein Zweigwerk betreibt, macht die Gesellschafter für die Insolvenz verantwortlich. «Nur durch zusätzliches Kapital der Eigentümerfamilien wäre eine Insolvenz vermeidbar gewesen», betont Pfeffer.

Jahrelang hätten die Familien von den Gewinnen des einst boomenden Unternehmens ihr Privatvermögen vergrößert, aber überließen es in der Krise sich selbst. Hier zeige sich ein «eiskalter Kapitalismus», sagt Pfeffer in einer Mitteilung, «von Moral und Verantwortung keine Spur.»

Sanierung wegen der Krise gescheitert

Nach Darstellung des Unternehmens hat vor allem der durch die Krise auf dem Automarkt verursachte Umsatzrückgang die Zahlungsunfähigkeit verschuldet. Im September 2008 hatte der Autobauer angekündigt, künftig auf die Fahrzeugproduktion zu verzichten und war in Sozialplanverhandlungen mit den Arbeitnehmern getreten. Karmann wollte nur noch Zulieferer für Dachsysteme und Fahrzeugentwicklung sein.

Die Kalkulation damals hätte die Kosten für den Arbeitsplatzabbau berücksichtigt und sei noch von einem ausgeglichenen Ergebnis ausgegangen. Doch die Finanzmarkt- und Autokrise habe die ursprüngliche Planung zunichte gemacht.

Hoffnung richtet sich auf den Insolvenzverwalter

Nun richten sich die Hoffnungen der Geschäftsführung und der Belegschaft auf den Insolvenzverwalter. Der Wirtschaftsprüfer Ottmar Hermann aus Frankfurt wurde vom Amtsgericht vorläufig mit der Aufgabe betraut. «Er muss sich erst eine Übersicht verschaffen», sagt sein Sprecher.

Nach Eigendarstellung ist das Unternehmen im Kern gesund und frei von Bankkrediten. Aber auch wenn es eine Perspektive für ein Unternehmen Karmann ohne Autoproduktion gibt, haben mehr als 1300 Mitarbeiter aus dem Autobau keine Zukunft mehr im Unternehmen. Dass sie nun ohne Sozialplan und ohne Transfergesellschaft in die Arbeitslosigkeit gehen, ist sehr wahrscheinlich. (Elmar Stephan, dpa)

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