75 Jahre Jeep: Vom Militär-Wagen zum stylischen Kraxler

Design-Kontinuität erhalten

75 Jahre Jeep: Vom Militär-Wagen zum stylischen Kraxler
Jeep blickt auf 75 Jahre zurück. © Jeep

Jeep hält seit 75 Jahren die Fahne hoch. Im Laufe des Dreiviertel-Jahrhunderts hat die mittlerweile zu Fiat gehörende Marke zahlreiche Verwandlungen mitgemacht.

Während so manche Automarken aus den Anfängen des letzten Jahrhunderts den schleichenden Niedergang nicht abwenden konnten, steht Jeep heute als propere Marke da mit einem umfangreichen Modellprogramm. Die Amerikaner bieten eine ansehnliche Bandbreite vom hartgesottenen Neu-Nostalgiker Wrangler bis zum luxuriösen Hubraummonster à la Grand Cherokee SRT plus neuerdings den stylischen Kompakt-Kraxler Renegade.

Kompakt, sogar noch deutlich kompakter ging es zu Beginn der Marke zu, als die ersten militärischen (1941) und im Jahr 1944/45 auch zivilen Varianten des Minimal-Geländewagens unter dem Namen Willys-Overland sowie dem Label CJ (Civilian Jeep) mit seitlichem Reserverad und Heckklappe die Produktionshallen verließen. Wer heute mit dem bullig klingenden und auch entsprechend kräftig zupackenden 3,50 Meter-Vehikel samt 2,2-Liter großem Vierzylinder-Benziner unter der Haube (je nach Ausführung 60 oder knapp über 70 Pferdchen) die City unsicher macht, darf sich freundlicher Passanten-Blicke sicher sein. Man entert diese frühen 4x4-Fahrzeuge ohne Türen, stattdessen gibt es Seile zum Festhalten, also Vorsicht in Kurven.

Drei Gänge für den Jeep Cherokee

Die frühen Willys- respektive Jeep-Ausgaben muten derartig stylisch an, dass ein gewiefter Oldtimer-Händler sie glatt in den Reihen der so genannten Latte Macchiato-Mütter verkaufen könnte, wäre die Sitzplatzanzahl nicht reglementiert. Auch die Lenkung dürfte zu straff ausfallen fürs bequeme Einparken, wobei die innenstadttauglichen Abmessungen ja gegeben sind. Die frühen Willys sind Fanautos reinsten Wassers, zumal die erforderliche Kraft für den Tritt auf das stehende Bremspedal im Alltag nicht entspannt aufgebracht werden will von einer Klientel, die zwar auffallen, aber keine Arbeit hinter dem Steuer haben möchte. Ganz zu schweigen von dem störrischen Dreigang-Getriebe, das sich mit etwas Eingewöhnung aber dennoch recht gut schalten lässt.

In den Sechzigern und Siebzigern fuhr man Wagoneer und Cherokee. Vor allem letzterer Name ist vielen Autokennern noch heute ein Begriff, schließlich wird der Cherokee ja nach wie vor angeboten. Drei Gänge gibt es bei unserem Testexemplar übrigens auch analog zum Urvater Willys, allerdings per Planetengetriebe eingestellt und vom einem hydraulischen Wandler begleitet. Obwohl nur 4,66 Meter lang, ist dieser Cherokee ein Ungetüm. Erklimmen muss man ihn geradezu, und die mächtige Breite von zwei Metern hinterlässt ihre Spuren.

Schweißperlen im Jeep Cherokee

Jeep blickt auf 75 Jahre zurück.
Jeep Scrambler (l.) und Cherokee Jeep

Die Zweitürigkeit erinnert an die Opel Caravan der Siebziger, auch Kombi genannt. Nützlich wie ein Kombi ist auch der Cherokee, abgesehen davon, dass er seinem Fahrer den Angstschweiß auf die Stirn treiben könnte, wenn es mal durch enge Gassen geht. Doch einfach nicht abschrecken lassen und dem herrlichen V8-Bollern lauschen, wenn der in dieser Version mit Doppelvergaser ausgerüstete 5,9-Liter seine Arbeit aufnimmt und den Jeep-Klassiker machtvoll aus dem Drehzahlkeller anschiebt.

Die Lenkung geht leichter als jene einer nagelneuen S-Klasse, nur eben nicht variabel in der Servowirkung. Rückstellmoment? Nicht vorhanden. Präzision? Präzise muss hier der Fahrer sein. Die Frage nach der PS-Zahl kann man auch nicht so richtig beantworten, eigentlich müsste der 79er 129 haben, aber eine Rolle spielt das eh nicht. Kaum zu glauben, dass es diesen ausladenden Jeep auch mit Reihensechszylinder und Schaltgetriebe gab.

Design-Kontinuität über Jahrzehnte gegeben

Jeep blickt auf 75 Jahre zurück.
Sehr spartanisch ging es im Wlly Jeep zu Jeep

Genau wie unseren kurzzeitig geborgten CJ-8 Scrambler. Das ist ein schrulliger Pickup mit 4,2-Litern Hubraum und manuellem Fünfganggetriebe – geboren in den Achtzigern, auf Basis des CJ-7 (ein Siebziger-Kind) realisiert. Man sollte Cherokee und Scrambler hintereinanderfahren, um die Soundunterschiede kennenzulernen. In einer Zeit, als die motorischen Lautäußerungen einfach Produkt der Maschinengattung und nicht des gewählten Fahrprogramms waren, hatte der Klang mitunter noch eine natürliche Bedeutung.

Nebenbei liefert er heute vor allem die Erkenntnis, dass ein konstruktiv absolut vibrationsfrei laufender Reihensechszylinder nicht zwingend ein Leisetreter sein muss – beispielsweise dann nicht, wenn die Dämmung entsprechend mager ausfällt. Auf Dämmung pfeift der Scrambler sowieso und wäre ein Graus für die modernen Entwicklungsabteilungen, die sich intensiv dem Thema Geräusch und Vibrationen verschrieben haben. Wie dem auch sei, wer in den Jeep-Pickup steigt, fährt mit nach oben zeigenden Mundwinkeln. Und das, obwohl die Lenkung diesen Namen gar nicht verdient hat, sondern mehr Peilung ist.

Schön an den amerikanischen Offroadern ist, dass sie – egal, ob historisch oder neu – bis auf wenige Ausnahmen immer eine gewisse Design-Kontinuität aufweisen. Und selbst wenn die Gestaltung wie beim aktuellen Cherokee mal ein wenig vom Jeep-Mainstream abweicht: Die sieben Schlitze im Kühlergrill sind seit vielen Jahren gesetzt. In dieser Disziplin wiederum stellt der Ur-Cherokee den Ausnahmefall dar. Ein waschechter Jeep ist er dennoch. (SP-X)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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