«Zwei Prozent Marktanteil ist magische Grenze»

Interview mit Kia-Deutschland-Geschäftsführer Thomas Bade

Thomas Bade setzt Kia Deutschland hohe Ziele. Im Interview mit der Autogazette spricht der neue Geschäftsführer über Meilensteine, hohe Innovationsgeschwindigkeiten und dem Unterschied zwischen Pflicht- und Kürprogramm.

Bei Kia ist eine neue Bescheidenheit zu Tage getreten. Nachdem vor zwei Jahren der damalige Geschäftsführer Haydan Leshel einen Angriff auf die Importeursspitze versprochen hatte («Wir legen uns gerne mit den Stärksten an»), ist Nachfolger Thomas Bade angesichts der Wirtschaftskrise zurückhaltender. «Durch die Gesamtmarktsituation werden wir etwas vorsichtiger an die Sache herangehen. Wir konnten uns im Laufe des Jahres von 1,1 Prozent Marktanteil auf 1,5 Prozent steigern. Im nächsten Jahr wollen wir die 1,5 Prozent halten», sagte Bade im Interview mit der Autogazette.

Brennstoffzellentechnik vorhanden

Doch die überarbeiteten Modellreihen wie Cee'd und Sorento sowie der neue Kia Venga sollen den weiteren Erfolg des südkoreanischen Autoherstellers in Deutschland sichern. «Mittelfristig wollen wir zwei Prozent Marktanteil erreichen.» Dabei will sich Bade nicht auf Stückzahlen festlegen. Man müsse die Marktanteile als Zielsetzung nehmen. «Alles andere halte ich für nicht unbedingt sachgerecht.»

Dass sich Kia von dem Elektrohype noch fernhalte, findet Bade nicht Besorgnis erregend. «1999 war der Konzern Hyundai/Kia die Nummer elf der Welt, nach dem ersten Quartal 2009 sind wir Nummer vier in den Verkäufen. Das allein zeigt die hohe Innovationsgeschwindigkeit des Unternehmens, die sich auch an den nächsten Produkten zeigen wird.» Auch das vor zwei Jahren von Hyundai und Kia für 2010 angekündigte Brennstoffzellen-Fahrzeug sei im Prinzip fertig. «Die Technik ist da», sagte Bade. Nur fehle die Infrastruktur.

Marktanteile statt Stückzahlen

Neueintritt auf dem Markt: Der Kia Venga Foto: Kia

Autogazette: Vor zwei Jahren hat Ihr Vorgänger einen Platz in der Spitzengruppe der Importeure angekündigt. Zwei Jahre später und bei einem Marktanteil von 1,5 Prozent scheint der Angriff abgeblasen zu sein.

Thomas Bade: Durch die Gesamtmarktsituation werden wir etwas vorsichtiger an die Sache herangehen. Wir konnten uns im Laufe des Jahres von 1,1 Prozent Marktanteil auf 1,5 Prozent steigern. Im nächsten Jahr wollen wir die 1,5 Prozent halten. Mittelfristig wollen wir zwei Prozent Marktanteil erreichen.

Autogazette: Trotz Auslaufens der Abwrackprämie, von der Kia profitiert hat?

Bade: Besonders unsere kleinen Modellreihen Picanto und Rio haben davon profitiert. Unseren Absatz konnten wir um 80 Prozent von Januar - August 2009 erhöhen. Dieses Ergebnis ist allerdings belieferungsbedingt, die Nachfrage war Anfang 2010 kommt zudem der Venga auf den Markt, . . .

Autogazette: ...der kleine Familienvan, der auf der IAA seine Weltpremiere gefeiert hat,...

Bade:...hinzu kommen der neue Sorento, vom dem wir uns einen großen Erfolg versprechen sowie der überarbeitete Cee’d, der den Absatz stabilisieren wird.

Autogazette: Das heißt, Sie haben keine Angst vor dem kommenden Jahr, wenn den Prognosen zufolge nur 2,8 Millionen Autos verkauft werden?

Bade: Wir werden unsere angepeilten 1,5 Prozent Marktanteil erreichen.

Autogazette: 100.000 Fahrzeuge sollten pro Jahr in Deutschland verkauft werden. Geben Sie sich heute bescheidener?

Bade: Ich möchte mich nicht auf Stückzahlen festlegen. Hat man einen Markt von vier Millionen, sind 100.000 Fahrzeuge 2,5 Prozent Marktanteil, bei drei Millionen sind es schon vier Prozent. Man kann nicht über Stückzahlen reden, sondern muss die Marktanteile als Zielsetzung nehmen. Alles andere halte ich für nicht unbedingt sachgerecht.

Fließende Segmentgrenzen

Die Kombiversion des überarbeiteten Cee'D Foto: Kia

Autogazette: Damals sorgte vor allem der Cee'd für Aufbruchsstimmung. Ist der Angriff auf den Golf verpufft?

Bade: Wir liegen derzeit mit dem Cee'd bei einem Segmentanteil zwischen 2,5 und drei Prozent. Das ist schon ganz gut. Außerdem beobachten wir eine starke Überschneidung der Segmentgrenzen. Das klassische Golfsegment gibt es im Grunde genommen gar nicht mehr. Wir sehen zum Beispiel auch den neuen Sorento vom Produktkonzept zwischen den kleinen und großen SUVs. Eine klare Segment-Differenzierung wie vor zehn, zwanzig Jahren gibt es heute nicht mehr.

Autogazette: In welchem Segment stufen Sie den Venga ein?

Bade: Er wird für uns neue Kunden erschließen, die wir bisher nicht erschließen konnten. Erstes europäisches Produkt dieser Kategorie war der Opel Meriva. Mittlerweile verschwimmen auch dort die Grenzen.

Autogazette: Neben dem Cee'd wurde der Sorento als Meilenstein bezeichnet, ein dritter sollte folgen. Wird diese Rolle der Venga einnehmen?

Bade: Der dritte Meilenstein war der Soul, der vierte ist der Venga. Der fünfte, sechste, siebte und achte kommen bis 2011.

Autogazette: Inwiefern?

Bade: Im Jahr 2012 wird der Soul das älteste Modell der Kia-Produktpalette in Europa sein. Unter den Meilensteinen wird auch der Nachfolger des heutigen Rio sein, der in einem der volumenstärksten Segmente Anfang 2011 auf den Markt kommen wird.

Entscheidende fünf Jahre

Autogazette: In wie weit ist der Imagewandel vom koreanischen Billigprodukt zum qualitativen Hersteller vollzogen?

Bade: Mit dem Picanto und Sorento, später auch mit dem Cee’d, haben wir uns in der Wahrnehmung der Kunden von diesem Image entfernt. Aber das benötigt seine Zeit, siehe Toyota oder Audi im Premiumsegment. Das hat zwanzig Jahre gedauert. Wir sind 1993 als einer der jüngsten Hersteller auf den deutschen Markt gekommen. Von daher werden die nächsten fünf Jahre in der Wahrnehmung für uns entscheidend sein.

Autogazette: Verfügt die Marke Kia schon über einen gewissen Stamm an treuen Käufern?

Bade: Nach 16 Jahren haben wir viele Kunden, die sich wieder einen Kia gekauft haben. Nichtsdestotrotz haben wir mit unserer aktuellen Modellpalette immer noch ein sehr hohes Eroberungspotenzial.

Autogazette: Auf der IAA wurde ein Autogas-Hybridfahrzeug vorgestellt, das auch nach Europa kommen soll . . .

Bade: . . . zunächst wird es nur eine Testflotte geben, erst danach wird man sehen, ob das Auto in Europa verkauft wird.

Schnelle Serienreife

Der Kia Forte Hybrid LPI ist zunächst nicht für Europa vorgesehen Foto: Kia

Autogazette: Ist das der Weg von Kia in die automobile Zukunft?

Bade: Es ist einer von den Wegen, die in die Zukunft führen. Wir sind mit dem Thema Brennstoffzelle in der Erprobungsphase technisch sehr weit fortgeschritten. Ich sehe Gas-Hybrid als Übergangsphase an. Aus heutiger Sicht werden Brennstoffzelle und Elektroantriebe einen nachhaltigeren Durchsetzungswert genießen. Aber da werden wir noch einige Zeit brauchen, bis wir tragfähige Konzepte haben.

Autogazette: 2007 wurde von Kia ein serienreifes Brennstoffzellenfahrzeug angekündigt, das zeitnah auf den Markt kommen sollte. Wo ist es?

Bade: Die Technik ist da. Aber es wird immer noch an der Batterieleistung, sprich Reichweite gearbeitet. Zudem müsste auch die Infrastruktur für Wasserstofftankstellen vorhanden sein. Das ist momentan nicht gegeben. Darum würde eine Markteinführung nichts bringen. Wenn der Markt es erfordert, dann können wir aber recht schnell ein solches Auto zur Serienreife bringen.

Autogazette: Noch vor der Brennstoffzelle steht der Elektroantrieb. Doch an dem derzeitigen Elektrohype beteiligt sich Kia nicht?

Bade: Wir haben kein reines Elektroauto, nicht heute und nicht im nächsten halben Jahr. Aber gehen Sie davon aus, dass unser Konzern bei diesen Themen sehr aufmerksam ist.

Hohe Innovationsgeschwindigkeit

Der neue Kia Sorento Foto: Kia

Autogazette: Aber ein Wettbewerbsnachteil wäre doch zu befürchten?

Bade: 1999 war der Konzern Hyundai/Kia die Nummer elf der Welt, nach dem ersten Quartal 2009 sind wir Nummer vier in den Verkäufen. Das allein zeigt die hohe Innovationsgeschwindigkeit des Unternehmens, die sich auch an den nächsten Produkten zeigen wird. Das trägt unsere Hoffnung auf zwei Prozent Marktanteil in Deutschland. Das ist die erste magische Grenze für uns. Die wollen wir in absehbarer Zeit schaffen. Danach schauen wir weiter.

Autogazette: Dann kommen andere magische Grenzen?

Bade: Zwei ist eine magische Grenze, da fängt man an, sich abzugrenzen. Mit den neuen Produkten werden wir das schaffen.

Autogazette: Der Cee'd wird für Europa gebaut, der Venga auch. Ist es denkbar, dass sich eines Tages Kia Europe als eigenständiges Unternehmen abspaltet?

Bade: Kia Europe wird immer eine hundertprozentige Tochter bleiben, daran ändert auch die Produktionsstrategie nichts.

Autogazette: Werden denn im Umkehrschluss der Venga oder der Cee’d mal den Weg nach Korea schaffen?

Bade: Das wäre theoretisch möglich. Aber der koreanische Markt richtet sich eher nach den amerikanischen Modellen. Es gibt in Korea eine hohe Affinität zu den USA.

Autogazette: Was noch fehlt ist die sportliche Ausrichtung: Opel hat OPC, Mazda MPS. Wird es ein solches Label auch von Kia geben?

Bade: Das ist noch weit weg. In Deutschland werden einige Sondermodelle vom Sorento und Soul von Irmscher präsentiert. Eingriffe in die Motortechnik gibt es dabei aber nicht, wir beschränken uns auf die optische Sportlichkeit. Wir wollen erst den Massenmarkt bedienen. Das ist für uns das Pflichtprogramm, das andere wäre die Kür.

Das Interview mit Thomas Bade führte Thomas Flehmer

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