«Zu lange standen die Kosten im Vordergrund»

Seat wird seine Modellpalette zukünftig ausbauen. «Wir müssen mehr anbieten, wir müssen in anderen Segmenten präsent sein», sagte Seat-Vizepräsident Giuseppe Tartaglione im Interview mit der Autogazette.

Der spanische Autobauer Seat konnte in den ersten vier Monaten dieses Jahres in Deutschland mit 20.000 verkauften Fahrzeugen einen neuen Rekordabsatz erzielen. Giuseppe Tartaglione führt diese Entwicklung darauf zurück, dass Seat in den zurückliegenden Monaten sein Image deutlich schärfen konnte.

Zunehmendes Vertrauen

«Die Kunden gewinnen zunehmend immer mehr Vertrauen in die Marke. Jetzt müssen wir dieses Vertrauen rechtfertigen. Dazu gehört eine neue Markenstrategie - und dazu gehören attraktive Produkte», sagte Tartaglione im Interview mit der Autogazette.

Tartaglione, der seit dem 1. Januar dieses Jahres Vorstand für Vertrieb und Marketing beim spanischen Autobauer ist, kündigte für die Modelle Detailverbesserungen an. «Zu lange standen nur die Kosten im Vordergrund, doch wir müssen mehr auf die Kundenwünsche hören. Wir müssen das im Blick haben, was der Kunde von uns erwartet. Die Technologie bei uns stimmt. Doch wenn der Kunde in das Auto einsteigt, muss er sich sofort wohl fühlen, er muss die Qualität spüren. Deshalb wollen wir unsere Produkte zukünftig in den Details verbessern», sagte der 55 Jahre alte Manager. Zugleich kündigte Tartaglione eine Ausweitung des Angebotes an. «Wir haben eine junge Kundschaft, die zu wenig Wahlmöglichkeiten hat. Wir müssen mehr anbieten, wir müssen in anderen Segmenten präsent sein.»

Qualitätssteigerung im Innenraum

Mit Detailverbesserungen meint Tartaglione insbesondere eine Qualitätssteigerung im Innenraum. Der Kunde soll erstmals auf dem Autosalon in Paris (30. September bis 15. Oktober) sehen können, was das bedeutet. Dort präsentiert Seat den Altea Kombi. Tartaglione selbst spricht von einem Altea Station Wagon. «Es ist ein Altea XL. Es ist ein Altea mit mehr Komfort», so der Seat-Vizepräsident. «Bestehende Produkte werden wir langsam, Schritt für Schritt, in den Details verbessern. Wir nehmen die Kritik an, dass wir mehr Lebendigkeit in unsere Autos bringen müssen.»

Die Qualitätssteigerung wird auch Einfluss auf den Preis haben. «Wenn sie dem Kunden das geben, was er haben will, wird er auch bereit sein, dafür einen angemessenen Preis zu zahlen.»

«Stehe vor großer Herausforderung»

Giuseppe Tartaglione vor dem Leon FR Foto: Werk

Autogazette: Herr Tartaglione, Sie sind seit dem 1. Januar bei Seat Vorstand für Vertrieb und Marketing. Damit ist die Schonfrist der ersten 100 Tage abgelaufen. Wie hoch ist der Druck, unter dem Sie angesichts der schwierigen Situation bei Seat stehen?

Giuseppe Tartaglione: Ich habe vorher gewusst, was auf mich zukommt und bedauere diesen Schritt überhaupt nicht. Ich stehe vor einer großen Herausforderung. Ich bedauere es auch deshalb nicht, weil Seat in den ersten vier Monaten dieses Jahres gute Verkaufszahlen erzielen konnte. Darüber sind wir sehr glücklich. Als Verantwortlicher in der Autobranche werden Sie außerdem nie Ruhe haben.

Autogazette: Wo sehen Sie Ihre Hauptaufgaben?

Tartaglione: Ich sehe mich in meiner neuen Position wie ein Trainer. Wenn Sie eine Mannschaft haben, die das glaubt, was sie sagen und man dann selbst das Gesagte für seinen Teil mit Inhalt füllt, dann haben sie schon einen guten Teil des Jobs gemacht.

Motivator der Mannschaft

Autogazette: Sie sind also der Motivator der Mannschaft?

Tartaglione: Ja, ich sehe mich als Motivator. Ich glaube daran, dass ich die Mannschaft motivieren kann. Ich denke auch, dass das Team bereit war, sich motivieren zu lassen, nachdem hinter Seat ein schwieriges Jahr liegt. Mit kleinen Schritten befinden wir uns jetzt wieder auf dem richtigen Weg. In Italien haben wir bereits einen neuen Mann. Dort liegen wir bei der prozentualen Absatzentwicklung vor unserem italienischen Konkurrenten. Und auch in Deutschland, unserem wichtigsten Absatzmarkt außerhalb Spaniens, bekommen wir zum 1. Juni einen neuen Verantwortlichen und genauso in Großbritannien.

Autogazette: In Deutschland löst Matthias Heinz als Deutschland-Geschäftsführer Michael Grosche ab, der zur Nutzfahrzeugsparte bei VW wechselt. Wie problematisch ist ein solcher Wechsel vor dem Hintergrund des schwierigen Marktumfeldes?

Tartaglione: Die guten Ergebnisse in einem Land sind auf die Human Resources, auf die Händler-Organisation und die Produkte zurückzuführen. Wir sind glücklich, ein derart gutes Team in Deutschland zu haben. Sicherlich ist ein Wechsel immer ein Risiko, doch es wird durch ein eingearbeitetes Team und die Händlerorganisation minimiert.

«Konnte Image schärfen»

Autogazette: In Deutschland konnten Sie in den ersten vier Monaten mit 20.000 Fahrzeugen einen Rekordabsatz verzeichnen. Das ist ein Plus von fast 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch ist das mehr als ein Strohfeuer?

Tartaglione: Wir freuen uns zunächst über dieses Ergebnis. Es ist einfacher, Argumente zu finden, weshalb es so gut läuft, als Argumente zu finden, weshalb es nicht so gut läuft.

Autogazette: Und weshalb läuft es so gut?

Tartaglione: Es läuft so gut, weil wir unser Image schärfen konnten. Der Respekt vor der Marke ist da. Die Kunden gewinnen zunehmend immer mehr Vertrauen in die Marke. Jetzt müssen wir dieses Vertrauen rechtfertigen. Dazu gehört eine neue Markenstrategie - und dazu gehören attraktive Produkte.

Autogazette: Sie sprechen die Markenstrategie an. Doch viele Kunden wissen nicht, wofür die Marke steht. Sie werben zwar mit „auto emoción“, doch diese Emotionen kamen bisher nicht beim Käufer an. Wie wollen Sie das ändern?

Tartaglione: Wir konzentrieren uns nicht mehr allein auf unsere Sportlichkeit;. Wir haben ein progressives Design. Wir wollen Lebendigkeit, ein Stück «easy life» vermitteln. Zu lange standen nur die Kosten im Vordergrund, doch wir müssen mehr auf die Kundenwünsche hören. Wir müssen das im Blick haben, was der Kunde von uns erwartet. Die Technologie bei uns stimmt. Doch wenn der Kunde in das Auto einsteigt, muss er sich sofort wohl fühlen, er muss die Qualität spüren. Deshalb wollen wir unsere Produkte zukünftig in den Details verbessern.

Autogazette: Nach dem progressiven Design soll es demnach zu dem längst erforderlichen Qualitätssprung im Innenraum kommen?

Tartaglione: Genau das. Aber wir wollen dies nicht nur, wir machen das!

Neue Segmente erschließen

Der Seat Altea Foto: Werk

Autogazette: Wann machen?

Tartaglione: Wir haben damit schon angefangen.

Autogazette: Und bei welchem Modell?

Tartaglione: Sie werden es schon beim neuen Altea sehen, den wir auf dem Autosalon in Paris vorstellen und damit ein neues Segment für uns erschließen werden.

Autogazette: Sie meinen den Altea Kombi?

Tartaglione: Es ist ein Altea Station Wagon. Nicht Wagon, nicht Station. Es ist ein Altea XL. Man wird sehen, was ich meine. Es ist ein Altea mit mehr Komfort.

«Produkte in Details verbessern»

Autogazette: Wir werden dort also beispielsweise einen Altea erleben, bei dem die Mittelkonsole weniger Plastikcharme verbreiten wird...

Tartaglione: ... so negativ würde ich es nicht ausdrücken! Bestehende Produkte werden wir langsam, Schritt für Schritt, in den Details verbessern. Wir nehmen die Kritik an, dass wir mehr Lebendigkeit in unsere Autos bringen müssen.

Autogazette: Sie bewegen sich mit den Seat-Modellen in einem preissensiblen Segment. Inwieweit wird sich diese Qualitätssteigerung im Preis niederschlagen?

Tartaglione: Wenn sie dem Kunden das geben, was er haben will, wird er auch bereit sein, dafür einen angemessenen Preis zu zahlen.

Autogazette: Sie werden dem Kunden also in ihrer gesamten Produktpalette mehr Qualität in den Details anbieten?

Tartaglione: Genau das. Wenn sie ein Auto nicht mögen, kaufen sie es nicht, auch wenn man als Hersteller mit dem Preis immer weiter runtergeht.

Autogazette: Seat-Chef Andreas Schleef hatte auf dem Autosalon in Genf eine Erhöhung der Marketingaktivitäen angekündigt. Davon ist zumindest in Deutschland nichts zu merken. Ist mir da etwas entgangen?

Tartaglione: Wir sind hier bereits sehr aktiv. In Spanien haben wir viel investiert, beispielsweise in das ATP-Turnier Open Seat 2006 in Barcelona oder in die spanische Pop-Gruppe La Oreja de Van Gogh. In Italien werben wir mit dem Motorradweltmeister Loris Capirossi, der eines unserer Autos fährt. In Deutschland wirbt Cora Schumacher für uns, und zusammen mit ihr legen wir dieses Jahr eine sehr gute WTCC-Performance hin.

Autogazette: Planen Sie auch für andere Märkte verstärkte Maßnahmen?

Tartaglione: Natürlich.

«Bekanntheitsgrad in Deutschland zu gering»

Autogazette: Seat hat also das Marketingbudget erhöht?

Tartaglione: Allein das bringt noch keinen Erfolg. Sie müssen wissen, was sie damit genau machen. In Spanien ist Seat bereits eine bekannte Marke. In Deutschland kennt man Seat zwar auch, aber der Bekanntheitsgrad der Marke ist noch zu gering. Dort, wie auch in Spanien, müssen wir dem Kunden mehr Informationen zu unseren Produkten geben. Nur wenn der Kunde das Produkt kennt, kann er eine Kaufentscheidung treffen.

Autogazette: Wie sind Sie mit den bisherigen Marketingaktivitäten zufrieden? Gefällt Ihnen, was dort gemacht wurde?

Tartaglione: Die Vergangenheit hilft mir, meine Lehren zu ziehen. Doch ich möchte nur über die ersten vier Monate dieses Jahres sprechen. Die Aktionen, die wir gemacht haben, haben die Marke bekannter gemacht.

Autogazette: Sie haben den Leon mit einem Spot beworben, in dem ein schwarz lackierter Leon durch eine dunkle, neblige Landschaft fährt und sich einige Männer in einer Bar darüber unterhalten, ihn gesehen zu haben. Gefällt Ihnen ein solcher Spot?

Tartaglione: Die Leute erinnern sich durch den Spot an den Leon. Es gibt aber auch einen Spot mit einem athletischen Mann...

Autogazette:...Sie meinen den Spot mit Tennisstar John McEnroe?

Tartaglione: Ja, in diesem Spot repräsentiert Herr McEnroe die Marke, und deren Bekanntheit zu steigern war das Ziel.

Pfiffige Werbung

Autogazette: Doch der Spot ist pfiffig und spielt Pfiffigkeit in der Werbung nicht eine entscheidende Rolle?

Tartaglione: Klar, sie sorgt für Sympathie. So haben wir in Spanien momentan einen witzigen Spot mit Gummi-Enten. Mit ihm werben wir für den Toledo. Wir überlegen gerade, ihn auch in anderen Ländern zu zeigen. Wir müssen Sympathien gewinnen, positive Stimmung vermitteln.

Autogazette: Wird das Marketing demnach unter Ihrer Leitung pfiffiger?

Tartaglione: Es wird pfiffiger, es wird anders. Ich bin beispielsweise sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit mit Herrn Capirossi in Italien. Man fragt sich: Warum fährt er Seat, wenn er vom Motorrad steigt?

Internet wichtiger Werbeträger

Autogazette: Die Kunden von Seat haben ein Durchschnittsalter von 37 Jahren. Muss eine solche Zielgruppe nicht anders angesprochen werden als ein älteres Publikum? Am Montag ist eine Studie der Beratungsfirma Capgemini herausgekommen - danach ist das Internet für Autokäufer die wichtigste Informationsquelle ist. Wurde das Internet als Werbeträger vernachlässigt?

Tartaglione (lacht): Sie haben hundertprozentig Recht, ich stimme Ihnen vollauf zu. Wir werden in diese Richtung gehen. Denn nicht nur Leute bis 37 Jahre gehen ins Internet, sondern auch die ältere Zielgruppe. Hier muss die Werbung durchaus gewagter sein, an die Limits gehen.

Autogazette: Lassen Sie uns über die Modelle reden: Reicht die jetzige Produktpalette, um erfolgreich zu sein?

Tartaglione: Nein, wir haben eine junge Kundschaft, die zu wenig Wahlmöglichkeiten hat. Wir müssen mehr anbieten, wir müssen in anderen Segmenten präsent sein.

«Respekt des Teams ist wichtig»

Autogazette: Woran wollen Sie sich am Ende des Jahres messen lassen, am Absatz, der im zurückliegenden Jahr bei 422.000 Fahrzeugen lag?

Tartaglione: Der Respekt und der Enthusiasmus meines Teams ist mir wichtig. Aber natürlich auch der Markt, der unseren Erfolg bestimmen wird.

Autogazette: Sie wurden bereits als Nachfolger von Seat-Chef Andreas Schleef gehandelt. Wie fühlt man sich in dieser Rolle?

Tartaglione: Wir sind sehr, sehr froh, einen solchen Präsidenten wie Herrn Dr. Schleef zu haben. Jeder wäre stolz, mit einem solchen Präsidenten zusammenarbeiten zu können.

Autogazette: Werden Sie sein Nachfolger, wann auch immer?

Tartaglione: Ich konzentriere mich auf meine jetzige Aufgabe, und dies ist zur Zeit meine größte Herausforderung.

Das Interview mit Giuseppe Tartaglione führte Frank Mertens

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