Sommerlad: Mehr Menschen interessieren sich für Chevrolet als für Daewoo

Nur 100 Tage nach dem Wechsel von Daewoo zu Chevrolet hat sich die Namensänderung ausgezahlt. Das Interesse der Kunden sei gestiegen, sagte Chevrolet-Geschäftsführer Günther Sommerlad der Netzeitung.

Netzeitung: Herr Sommerlad, Daewoo firmiert jetzt seit hundert Tagen in Deutschland unter dem Namen Chevrolet. Hat sich das ausgezahlt?

Günther Sommerlad: Es hat uns in der Akzeptanz einen weiteren Schub gebracht. Nach dem ersten Quartal diesen Jahres konnten wir im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bereits ein Zulassungsplus vermelden. Ende Mai weisen wir mit plus 0,1 Prozent auch bei den Marktanteilen eine Steigerung auf.

Für die Marke Chevrolet interessieren sich erkennbar mehr Menschen als für Daewoo - und das bezieht sich nicht nur auf die Volumenträger wie den Matiz oder unseren Bestseller Kalos, sondern gilt auch für den Lacetti, Nubira, Rezzo oder den Evanda, die jetzt mit dem Markennamen einfach mehr Aufmerksamkeit gewonnen haben.

Mehr Anfragen für größere Modelle

Netzeitung: Die Skepsis in den zurückliegenden 100 Tagen ist also gewichen?

Sommerlad: Wenn wir neun oder zehn Monate zurückblicken, als die ersten Gerüchte in die Öffentlichkeit kamen, dass Daewoo zu Chevrolet wird, und mit der Stimmung nach den ersten 100 Tagen vergleichen, dann hat sich der Wechsel absolut positiv ausgewirkt. Seit der ersten Ankündigung am 15. September vergangenen Jahres und der Umsetzung am 19. Februar hat sich ein Wandel vollzogen in der Darstellung und vor allem in der Einstellung unserer damaligen Daewoo-Partner. Damals herrschte eine spürbare Skepsis vor, die peu à peu einer gewissen Erwartungshaltung gewichen ist - und bereits der 19. Februar hat sich bei den Partnern positiv ausgewirkt. Wir konnten schon im Februar mehrere Rekordzahlen bei Verkäufen, Aufträgen und Zulassungszahlen vermelden.

Netzeitung: Sie sprachen die Skepsis der Händler an, aber wie sieht es bei den Kunden aus? Autos von Chevrolet gelten ja als «Spritfresser»...

Sommerlad: ... wir haben die Kunden speziell informiert, dass sich nur der Markenname ändert, nicht aber der Händler, nicht der Service. Zudem haben wir bei unseren Handels- und Servicepartnern das Symbol für Daewoo - im Hinblick auf den Daewoo Service - überhaupt nicht entfernt.

Netzeitung: Ist mit dem Namens-Wechsel ein Umdenken bei den Kunden entstanden, werden mehr größere als kleinere Modelle nachgefragt?

Sommerlad: Wir legen sehr, sehr großen Wert darauf, keine Kunden zu verlieren. Nach der Namensänderung zu Chevrolet haben wir den Eindruck, dass wir bei den nicht so volumenstarken Modellen, beim Lacetti angefangen, besser punkten. Und das «Besser punkten» werden wir natürlich vorantreiben. Die Attraktivität des Namens Chevrolet hat auch ihren Niederschlag gefunden in Anfragen von Kundenseite.

Spürbarer Wandel bei Partnern

Chevrolet Matiz Foto: Werk

Netzeitung: Zielen Sie mit dem Matiz und dem Kalos besonders auf jüngere Kunden ab?

Sommerlad: Dem würde ich ganz vehement entgegen treten - und zwar bei unserer gesamten Palette. Zuletzt haben wir einen Evanda an ein Paar verkauft, das um die 70 Jahre alt war. Sie verabschiedeten sich mit den Worten: «Wenn Sie in zwei Jahren wieder so ein schönes Fahrzeug haben, kaufen wir den nächsten». Wir wollen für alle unsere Modelle Kunden von 18 bis 80 Jahre.

Netzeitung: Was war für Sie das nachhaltigste Erlebnis in den zurückliegenden 100 Tagen?

Sommerlad: Absolut positiv war der spürbare Wandel unserer Partner beim Markennamenswechsel. Nach dem Paukenschlag im Februar konnte man merken, wie die Unsicherheiten auf allen Seiten verschwunden und einer großen Zuversicht gewichen ist.

Netzeitung: Sie konnten im ersten Quartal den Marktanteil von 0,5 auf 0,6 erhöhen. Streben Sie jetzt gleich 0,8 Prozent an?

Sommerlad: Nicht in diesem Jahr. Mit dem neuen Matiz, der ab dem ersten Juni-Wochenende erhältlich ist, und weiteren Aktionen, streben wir einen Anteil zwischen 0,6 und 0,7 Prozent an. Eine weitere Steigerung peilen wir im nächsten Jahr an: Dann sind der SUV und unsere Stufenhecklimousine im Kleinwagensegment, der Aveo, auf dem Markt. Zudem werden uns ganz besonders die neuen Diesel-Antriebsaggregate einen weiteren Schwung geben.

Preiswert-Segment gefragt

Netzeitung: Wann werden die ersten Dieselmodelle, die bisher noch überhaupt nicht in Ihrem Programm sind, genau kommen?

Sommerlad: Wir peilen die AMI Leipzig im kommenden Jahr an. Wenn sich das realisieren lassen sollte, werden wir noch vor dem Sommer 2006 die ersten Produkte im Handel anbieten.

Netzeitung: Der VDA hat einen Aufwärtstrend beim Automarkt in Deutschland ausgemacht. Wie ist Ihre Einschätzung?

Sommerlad: Es scheint sich etwas zu entwickeln: Der Käufer gewinnt Interesse am Premium-Segment, an den Preiswert-Marken, zu denen wir gehören. Und an dem Segment, das aus Endkunden-Sicht unter 10.000 Euro liegt. Diese Stimmung wird allerdings fast ausgeglichen durch ein Vakuum, was sich nach wie vor bei den Volumenmarken zeigt - vorrangig in der Unteren Mittelklasse, der Mittelklasse und der Oberen Mittelklasse.

Konkurrent im Preiswert-Segment: Der Dacia Logan Foto: nz/Flehmer

Daher drängen momentan mehrere Hersteller mit Modellen unter 10.000 Euro in den Markt - und zwar nicht nur die Koreaner oder Japaner, sondern auch die Deutschen. Ich nenne hier nur VW mit dem Fox und Ford mit dem Ka Student. Dazu kommen die europäischen Importeure mit dem Dacia Logan, Peugeot mit dem 107 oder Citroen mit dem C 1. Das Konzert ist also vielstimmiger geworden.

Netzeitung: Bisher bieten Sie nur die Modelle von Daewoo an. Wann werden Kunden die Möglichkeiten haben, auch amerikanische Modelle bei Ihnen zu ordern?

Sommerlad: Es gibt zwei Vertragspartner von GM. Unser Vertrag baut ganz klar auf Daewoo auf und wurde durch den Wechsel des Markennamens überhaupt nicht verändert. Für die Modelle Tahoe, Trail Blazer und auch Corvette, Hummer und Cadillac ist weiterhin die niederländische Firma Kroymans zuständig.

Das wird auch so bleiben - mit der Ausnahme, dass die unter Chevrolet laufenden Modelle in den nächsten Jahren aus diesem Vertrag aussteigen werden. Allerdings besteht die übergeordnete Absicht von GM, alle Kunden östlich des Atlantiks aus Europa oder dem fernen Osten zu bedienen. Davon ganz abgesehen, dass sich heute jeder Mensch weltweit jedes Auto beschaffen kann.

Profitieren von verschiedenen Plattformen

Netzeitung: Sie gehören jetzt zu General Motors. Werden Sie auch von deren Plattformen zum Beispiel von Opel profitieren können?

Sommerlad: Es gibt eine gegenseitige Bereicherung. Beim SUV S3X nutzen sowohl wir als auch Opel die Plattform, Saab kann möglicherweise ebenfalls zugreifen. Man profitiert von den Plattformen der verschiedenen Fertigungswerke von GM - egal, ob in Europa, Südostasien oder auch in den USA. Das ist eine Globalisierung, die uns jetzt hilft, unsere Produktpalette in einem schnellerem Tempo zu ergänzen, wir schöpfen nicht exklusiv nur aus Korea die Entwicklungen ab.

Netzeitung: Wird denn auch noch ein Van, der bisher fehlt, dazustoßen?

Sommerlad: Das ist durchaus wahrscheinlich. Allerdings noch nicht in einer Reichweite, in der es sich momentan lohnen würde, darüber zu sprechen. Wir können eine Planungssicherheit nur bis Ende des nächsten Jahres geben. Alles, was sich darüber hinaus befindet, ist einer zu starken Schnelllebigkeit aufgrund der Wettbewerbssituation unterworfen und nicht genau zu konkretisieren.

Ein Prozent Marktanteil angepeilt

Netzeitung: GM-Europachef Carl-Peter Forster hat für 2005 ein schwieriges Jahr prognostiziert. Was bedeutet das für Sie?

Sommerlad: Wir sind in einer anderen Ausgangslage. Wir sind aus einer Konkurssituation gekommen. Entweder ist danach gleich alles ganz aus oder man wächst und hat Erfolg. Wir mussten uns innerhalb weniger Monate, ab Oktober 2002, etablieren. Im Vergleich zu einer etablierten Volumenmarke wie Opel liegen Welten dazwischen.

Opel hat sicherlich eine sehr starke Durststrecke mit Imageverlusten hinter sich. Das hat immer noch Konsequenzen bis in das Jahr 2005 hinein. Insbesondere diese Auswirkungen auf das unternehmerische Ergebnis machen das Jahr 2005 zu der schwierigen Strecke, die Herr Forster angesprochen hat.

Netzeitung: Wie sehen denn angesichts der schwierigen Marktverhältnisse Ihre mittelfristigen Ziele aus?

Sommerlad: Mit der Ergänzung durch den SUV, eventuell durch einen Van und durch die Dieselmotoren, werden wir erst 2007 ein komplettes Geschäftsjahr für unsere Ziele anpeilen können. Dann sehe ich Chancen auf die Ein-Prozent-Marke.

Neue Dieselmotoren aus Seoul

Netzeitung: Dieselfahrzeuge werden immer beliebter und nehmen eine immer wichtigere Stellung im Markt ein. Haben Sie diesen Trend eigentlich verschlafen?

Sommerlad: Aus GM-Sicht haben wir mit dem geregelten Drei-Wege-Katalysator Ende der achtziger Jahre hervorragend dagestanden. Da konnte kaum einer mithalten. Dafür haben wir nicht so gut bei der Entwicklung der Dieselaggregate ausgesehen, obwohl wir immer einen Diesel im Angebot hatten. Ich muss bekennen, dass wir bei den Dieselaggregaten nicht die beste Hand gehabt haben. Da sind wir manchmal gegenüber anderen zweiter oder dritter Sieger gewesen.

Chevrolet hat mit den neuen Dieselmotoren, die in Seoul gefertigt werden, nun allerdings Aggregate vom Feinsten im Programm. Konstruiert werden diese von VM Motori in Italien.

Netzeitung: Sie werden dann aber bestimmt eine Welle von Skepsis gegenüber neuen Dieselmotoren in Bezug auf die so genannten Kinderkrankheiten erwarten müssen ...

Sommerlad: ... ich traue uns zu, dass wir den Boden gut vorbereiten. Wir haben eine lange Vorlaufzeit und werden in der Lage sein, eine einwandfreie Qualität anzubieten.

Chevrolet setzt auf Flüssiggas

Erstes Auto mit Flüssiggas: Der Chevrolet Nubira Foto: Werk

Netzeitung: Nicht nur bei den noch fehlenden Dieselmodellen, auch bei den Benzinern ist Chevrolet noch nicht auf dem umweltgerechten Stand. Die Fahrzeuge weisen lediglich die Euro-Norm 3 auf. Ist das nicht marktschädigend?

Sommerlad: Ich sage nicht, dass es ein Vorteil ist, um Gottes Willen. Die Einstellung zu den Euro-Normen ist bei den deutschen Kunden schon ausgeprägt. Mit dem neuen Matiz und ab dem Modelljahr 2006 für die übrigen Modelle, also noch in diesem Jahr, erfüllen wir mit allen Fahrzeugen die Euro 4-Norm.

Netzeitung: Verschiedene Fahrzeughersteller setzen auf Hybrid-Fahrzeuge oder Diesel mit Partikelfilter. Sie gehen den alternativen Weg mit Autogas und Flüssiggas. Ist das für Sie der Weg in die Zukunft?

Sommerlad: Frankreich, Italien oder Benelux zeigen mehr Interesse für Autogas als für Erdgas. Aus Sicht der Infrastruktur haben auch wir uns dazu entschlossen, diesen Weg zu gehen. Das Tankstellennetz in Deutschland ist noch nicht so sehr ausgebaut, wächst aber mit jedem Tag. Zudem nehmen immer mehr Garagen das Schild weg «Nicht erlaubt für Flüssiggas oder Autogas». Der Liter Flüssiggas ist außerdem noch preiswerter als Erdgas.

Netzeitung: Das heißt, Sie setzten von Chevrolet aus verstärkt auf Flüssiggas?

Sommerlad: Ja, absolut. Wir sind praktisch mit dem Markennamen gestartet, nachdem wir im vorigen Jahr bei der Einführung des Nubira Kombi vorgefühlt hatten. Jetzt kann jedes Modell - mit Ausnahme des Matiz - zusätzlich zu Benzin mit Gas ausgestattet werden. Durch den Einbau des Gastanks mit einer Füllmenge von circa 50 Litern Inhalt kann nun jeder bis zu acht- oder neunhundert Kilometer mit beiden Aggregaten, Gas und Benzin, fahren. Der Gastank wird Platz sparend in der Reserveradmulde untergebracht - der Kunde hat also keinen Verlust an Stauraum.

Wir denken, dass wir - besonders durch die wirtschaftliche Situation im Flottengeschäft, bei Taxen und Fahrschulen, - auf große Resonanz stoßen werden.

Einstieg ins Taxigeschäft geplant

Der Chevrolet Evanda Foto: Werk

Netzeitung: Sie planen den Einstieg in das Taxigeschäft?

Sommerlad: Wir haben bei der AMI einen Evanda mit Flüssiggas als Taxe vorgestellt. Es hat durchaus große Resonanz gefunden. Wir nehmen gerade die ersten Aufträge entgegen, darum ist es noch zu früh, konkret darüber zu sprechen. Und wir sind uns natürlich bewusst, dass der Taximarkt ein sehr harter ist.

Netzeitung: Chevrolet will sich mit Daewoo besonders in Osteuropa einnisten. Welche Bestrebungen hat Chevrolet denn auf dem Boommarkt China und vor allem mit welchen Modellen?

Sommerlad: Die Zeit ist jetzt reif, in China Fuß zu fassen und zu investieren. Das tun auch wir und haben mit der Globalmarke Chevrolet auch sehr gute Chancen. Denn Chevrolet ist die am weitesten verbreitete Marke von General Motors überhaupt - durch die Markennamenänderung mehr denn je.

Netzeitung: Wird dann dort eher der Evanda gefahren oder der Suburban?

Sommerlad (lacht): Das ist jetzt reine Spekulation. Mit der Einführung des Dieselmotors im kommenden Jahr hat der Evanda aber gute Chancen.

Das Interview mit Günther Sommerlad führte Thomas Flehmer

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