Skoda-Vorstandschef Wittig: Wir sind reif für den nächsten Sprung

Skoda trotzt dem Markttrend. Vorstandschef Detlef Wittig will das Unternehmen nach Vorlage einer Rekordbilanz aus der Konsolidierungs- in eine Wachstumsphase führen, wie er der Netzeitung sagte.

Der tschechische Autobauer Skoda rechnet trotz der schwachen Autokonjunktur auch in diesem Jahr mit einem Absatzrekord. «Getragen von dem neuen Octavia und dem Octavia Combi hoffen wir, dass wir unser Wachstum in Deutschland fortsetzen können», sagte Skoda-Vorstandschef Detlef Wittig im Interview mit der Netzeitung.

Wittig, der der VW-Tochter seit dem 1. Oktober 2004 vorsteht, blickt auch zuversichtlich auf die weltweite Entwicklung der Marke. Nachdem man im zurückliegenden Jahr insgesamt rund 450.000 Fahrzeuge absetzen konnte, will man in diesem Jahr in «Richtung 500.000 gehen, auch wenn diese Zahl aufgrund des schwachen Umfeldes kurzfristig schwer zu erreichen sein wird», so Wittig. Dass Skoda sich entgegen dem Marktrend so gut entwickeln konnte - in 2004 setzte man in Deutschland über 96.000 Fahrzeuge ab - liegt für den 62 Jahre alten Manager in der «Preisgestaltung und Werthaltigkeit unserer Produkte». Vor dem Hintergrund einer «stabilen Produktreihe» will Wittig Skoda «aus einer Konsolidierungs- nun in eine Wachstumsphase» führen.

«Reif für den nächsten Sprung»

Netzeitung: Herr Wittig, Sie stehen jetzt 100 Tage an der Spitze von Skoda: Was haben Sie bei Ihrem Amtsantritt am 1. Oktober vorgefunden?

Detlef Wittig: Ich habe sowohl ein funktionierendes Unternehmen als auch eine funktionierende Marke vorgefunden. Beides hat sich gut entwickelt. Die internen Strukturen sind stabilisiert und das Unternehmen hat sich in den zurückliegenden Jahren konsolidiert. Von daher sind wir reif für den nächsten Sprung.

Netzeitung: Sie haben am Donnerstag auf der Bilanzpressekonferenz trotz des schwierigen Marktumfeldes eine Rekordbilanz für 2004 vorgelegt: Der Umsatz stieg um 5,8 Prozent auf rund 5,12 Milliarden Euro, der Gewinn vor Steuern auf 161 Millionen Euro. Zum 100-jährigen Firmenjubiläum herrscht also nur eitel Sonnenschein?

Wittig: Nein, es herrscht nirgends nur eitel Sonnenschein. Es gibt auch bei uns etliche Dinge, die wir zu festigen, zu korrigieren oder zu verbessern haben. Doch auf der Grundlage dieses Ergebnisses haben wir eine gute Ausgangsbasis für den nächsten Sprung. Wir müssen nicht erst viele Schritte rückwärts machen, um aufzuräumen, sondern wir können viele Dinge ohne Umwege sofort angehen.

Netzeitung: Was muss denn gefestigt oder korrigiert werden?

Wittig: Seit 1994 beziehungsweise 1995 haben wir bei Skoda bei der

Der Skoda Octavia Conbi 4x4. Foto: © Werk

Produkt- und Qualitätspolitik ein Niveau erreicht, das sich über die Jahre zunehmend stabilisiert hat. So verfügen wir seit drei oder vier Jahren über ein Produktions- und Absatzniveau von 450.000 Fahrzeugen und über eine stabile Produktreihe, die jetzt mit der zweiten Generation des Octavia hervorragend fortgeführt wird. Für Skoda bedeutet das, dass wir aus einer Konsolidierungs- nun eine Wachstumsphase machen müssen.

«Herausforderung gemeistert»

Netzeitung: Im Wachstum liegt also Ihre Priorität?

Wittig: Ja! Das kann deswegen eine Priorität sein, weil wir in den letzten zwei, drei Jahren eine Konsolidierungsphase vollzogen haben. In diesem Kontext haben wir auch vor drei, vier Jahren die Herausforderung gemeistert, die in der unerwarteten Stärkung der tschechischen Krone, also des Wechselkurses zum Euro aber auch zum Dollar, lag. Für ein stark exportorientiertes Unternehmen wie Skoda war dies eine große Herausforderung.

Netzeitung: Wie sind Sie diesen Wechselkurs-Schwankungen begegnet?

Wittig: Wir sind zwar Teil der Europäischen Union, doch wir sind nicht Teil von Euroland. Wir haben keine Euro- sondern eine Kronenbasis. Und die Krone hatte gegen den Euro um eine Größenordnung von 15 bis 20 Prozent aufgewertet. Das heißt, dass unsere Materialkostenbasis sich um einen ähnlichen Betrag verschlechtert hatte. Das musste durch eine Senkung der Produkt und der Fixkosten ausgeglichen werden.

Netzeitung: Sie sind der erste Deutsche an der Spitze dieser tschechischen Traditionsmarke: Hatten Sie mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen?

Wittig: Ich weiß es nicht, aber ich höre, dass es keine großen Akzeptanzprobleme gab. Und das lag sicherlich an drei Gründen. Erstens: Die Zusammenarbeit in diesem Joint Venture zwischen VW und Skoda gestaltet sich sehr positiv. Das hat über die Jahre zu einer gegenseitigen Wertschätzung geführt und nicht zu einem Misstrauensklima. Zweitens: Durch den Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union sind wir heute Partner innerhalb eines größeren gemeinsamen Gebildes. Und drittens gibt es sicherlich den persönlichen Faktor: Da ich nicht unbekannt war, fiel es auch etwas leichter.

«Andere Kulturbasis berücksichtigen»

Netzeitung: Muss ein Unternehmen im Ausland anders gemanagt werden als in Deutschland?

Wittig: Grundsätzlich muss man den Faktor einer anderen Kulturbasis

Skoda zeigt auf dem Autosalon Genf die Studie eines SUV mit dem Namen Yeti. Foto: © Werk

berücksichtigen. Eine deutsche Managementkultur ist ja auch nicht vergleichbar mit einer Managementkultur beispielsweise in Frankreich, USA oder China. Das ist natürlich auch in einer deutschen und einer tschechischen Führungskultur der Fall. Zudem liegt hier noch eine besondere Facette vor, da Führungskulturen aus der Vergangenheit durch die Revolution von 1989 abrupt verändert wurden. Wenn man dieses alles nicht berücksichtigt, kann man keine maximale Leistungsbereitschaft der Mannschaft erwarten.

Netzeitung: Wie stellt sich denn die Führungsstruktur im Unternehmen dar, stehen ausschließlich Deutsche an der Spitze?

Wittig: Wir haben eine Struktur, wenn man Top-Down geht, die aus fünf Vorstandsmitgliedern besteht. Das sind rein zufällig fünf Deutsche. Doch das ist nicht das gesamte Management der Gesellschaft, das aus 250 Personen besteht. Von unseren 23.500 Mitarbeitern sind 40 Deutsche beziehungsweise Ausländer. Skoda ist also ein tschechisches Unternehmen.

Netzeitung: Skoda hat in Deutschland im zurückliegenden Jahr mit 96.465 Einheiten erneut einen Absatzrekord aufgestellt. Haben Sie diese Zahlen vor dem Hintergrund des schwierigen Marktumfeldes überrascht?

Wittig: Es freut uns, aber es überrascht uns nicht total, weil es unseren Planungen entsprach. Aber wir hatten - wie alle anderen in der Automobilindustrie auch - nicht mit so einen schwierigen Umfeld gerechnet. Da die Gesamtnachfrage im zurückliegenden Jahr deutlich schwächer war und es einen heftigen Konditionen-Wettbewerb gab, erfüllt uns dieses Ergebnis mit Stolz.

«Verfügen über vernünftige Preise»

Netzeitung: Wenn Sie von Konditionen-Wettbewerb sprechen, meinen Sie sicher die Rabattschlacht. Rechnen Sie damit, dass sie auch in diesem Jahr weitergeht?

Wittig: Solange keine Gesamtmarkterholung und Gesundung da ist, wird die Rabattschlacht tendenziell weitergehen. Wir haben uns nicht in die offene Discountschlacht begeben, weil wir bereits über vernünftige Preise verfügen. Im Rahmen unseres 100-jährigen Jubiläums werden wir auch eine Serie von besonderen Fahrzeugen anbieten: Dabei geht es aber nicht um Discounte, sondern um gut ausgestattete Fahrzeuge. Da wir uns im Gegensatz zu Mitbewerbern in einer expansiven Phase befinden, müssen wir an dieser Rabattschlacht nicht teilnehmen.

Netzeitung: Welche Absatzerwartung haben Sie für 2005 in Deutschland und weltweit?

Wittig: Wir gehen zunächst einmal davon aus, dass sich die Rahmenfaktoren nicht sensationell verbessern werden. Zwar sehen wir hie und da im europäischen Markt einen Hoffnungsschimmer, doch in Deutschland sehen wir ihn nicht. Getragen von dem neuen Octavia und dem Octavia Combi hoffen wir, dass wir unser Wachstum in Deutschland fortsetzen können: Wir peilen die 100.000er an. Und bei den Marktanteilen: Da liegen wir jetzt bei drei Prozent. Und auch die wollen wir übertreffen. Wir wollen also wieder ein Wachstum hinlegen - auch weltweit.

Netzeitung: Was heißt das vor dem Hintergrund von jetzt 450.000 abgesetzten Fahrzeugen für den Weltmarkt?

Wittig: Wir wollen in Richtung 500.000 gehen, auch wenn diese Zahl aufgrund des schwachen Umfeldes kurzfristig schwer zu erreichen sein wird.

Netzeitung: Welche Erklärung haben Sie denn dafür, dass Skoda sich entgegen dem Markttrend so gut in Szene setzen konnte?

Wittig: Die Erklärung liegt in der Preisgestaltung und Werthaltigkeit unserer Produkte. Dadurch ist Vertrauen in die Marke gewachsen, ein in der Verkaufspsychologie entscheidender Punkt.

Netzeitung: In der Werbung setzen Sie darauf, Skoda als ein Vernunftsauto darzustellen. Doch wo bleiben die Emotionen, die für das von Ihnen angepeilte Wachstum nicht unbedeutend sind?

Wittig: Es ist sicher nicht unvernünftig, wenn man vernünftige Argumente

Der Skoda Superb Foto: © Werk

auf seiner Seite hat. Das zeigt unser Erfolg. Doch wir setzen nicht nur auf die Ratio. So haben wir Ende des vergangenen Jahres in Italien den Designpreis für das schönste Auto erhalten. Das heißt: Wir verfügen mit dem Octavia nicht nur über ein rational gestaltetes Fahrzeug, sondern in diesem Styling steckt neben Emotion auch Eleganz. Allerdings kann man aus der Rationalität auch Emotionen ziehen. Nämlich eine hohe Zufriedenheit, die zum Wiederverkauf führt - und die haben wir. Und diese Zufriedenheit herrscht nicht nur mit dem Produkt, sondern auch mit dem Service.

«Hohe Loyalitätsrate»

Netzeitung: Wie viele Kunden, die bereits einen Skoda fahren, bleiben denn der Marke treu?

Wittig: Das sind 60 Prozent. Das ist eine enorm hohe Loyalitätsrate für eine Marke, die, da sie expandiert, eigentlich erobert.

Netzeitung: Seit Mitte Januar steht der Octavia Combi 4x4 bei den Händlern, der ein Lifestyle-Fahrzeug sein soll. Soll er zu einem Imagewandel beitragen?

Wittig: Wir untersuchen alles, was man mit der Marktforschung untersuchen kann. Als wir den Octavia Combi gebracht haben, haben wir festgestellt, dass wir mit ihm ein viel jüngeres und kaufkräftigeres Publikum erreichen als beispielsweise mit der Limousine. Eigentlich hatten wir das Gegenteil erwartet. Dass dem so ist, liegt auch an Emotionen. Das von uns gewählte Styling weist nicht nur den Nutzcharakter eines Kombi auf, sondern verfügt eben über etwas, was man mit Lifestyle assoziiert. Wir haben das zielbewusst auf den kleineren Fabia Combi übertragen, den wir noch Pkw-ähnlicher gemacht haben als den Octavia Combi. Mit Erfolg: Der Fabia wird je zur Hälfte als Combi und als Limousine gekauft. Doch wenn man die Combi-Käufer fragt, was sie gekauft haben, merken sie gar nicht, dass sie einen Combi gekauft haben: Für sie ist es ein freizeit- und lifestyleorientierter PKW. Und mit weiteren Konzepten wollen wir in diese Richtung gehen und weitermachen.

Netzeitung: 1936 gab es bei Skoda mit dem Popular schon einmal einen Roadster. Denken Sie über so etwas vor dem Hintergrund eines Imagewandels auch nach?

Wittig: Bevor wir über solche Nischenmodelle reden, haben wir noch einige andere Schularbeiten zu machen. Es gibt für uns Segmente auf dem Markt, die wir wirtschaftlich zuverlässig für uns gestalten können und die auch einen Schuss zusätzlicher Emotionalität bringen. Und da wollen wir zunächst ran. Als junge Marke müssen wir weiter einen ordentlichen Cash-Flow haben, um so an den Ausbau unseres Produktprogramms gehen zu können. Roadster sind zu stark in einer Nische beheimatet.

Netzeitung: Gehören zu diesen anderen Segmenten auch Mini-Vans? 2003 gab es ja schon einmal die Studie des Roomster.

Wittig: Wir haben bei Skoda über die Jahre gemerkt, was die Marke prägt.

Der Skoda Roomster. Foto: © Werk

Und es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Kunde bei uns ein gutes Fahrzeug zu einem guten Preis bekommt. Also: Bei uns gibt es viel Auto fürs Geld. Vor diesem Hintergrund werden wir das Thema Raumkonzept weiter vorantreiben. Ob das nach heutiger Beschreibung Vans oder Combis sind, wird man sehen. Auf jeden Fall haben wir noch viel Platz für Dinge, die wir bringen können.

Netzeitung: Was muss sich aus Ihrer Sicht denn tun, dass die Menschen Ihre Kaufzurückhaltung aufgeben?

Wittig: Da nenne auch ich die üblichen Schlagwörter: Kaufsicherheit, Kaufzuversicht und Zukunftszuversicht. Als Skoda können wir unseren Kunden eine Kaufsicherheit geben: Das Geld, was man bei uns anlegt, ist sicher angelegt. Auf dieser Basis werden wir in Deutschland auch in diesem Jahr einige freudige Monate haben.

«Für Ergebnis selbst verantwortlich»

Netzeitung: Belastet die angespannte Finanzsituation im Muterkonzern VW auch die strategische Ausrichtung bei Skoda?

Wittig: Jede Marke im Konzern ist für sein Volumen und sein Ergebnis selbst verantwortlich. Wir haben selbstverständlich unsere eigene Kostenstruktur in Ordnung zu halten?

Netzeitung: Das Sparprogramm ForMotion hat für Skoda keine Auswirkungen?

Wittig: Auch wir sind Teilnehmer im ForMotion-Programm. Ich will aber anmerken, dass wir bereits schon vor dem ForMotion-Programm so etwas hatten, wenngleich unter anderem Namen. Das war ein Produkt-Kosten-Optimierungsprogramm: Es ist über viele Jahre sowohl beim Fabia als auch beim Octavia gut gelaufen. Wir haben das ForMotion-Programm des Konzerns aufgegriffen und genau das gleiche Instrumentarium wie bei unserem Produkt-Kosten-Optimierungsprogramm aufgesetzt. Damit haben wir ebenfalls ganz erkleckliche Beträge zur Ergebnisverbesserung beigetragen: Zwar können wir nicht mit Milliarden glänzen, aber wir haben in der 100 Millionen-Euro-Größenordnung im Rahmen des ForMotion-Programms zur Produktkostensenkung beigetragen.

«Einen Schlag mehr leisten»

Netzeitung: Die Zugehörigkeit zu VW bringt sicher den Vorteil, dass man sich aus dem Konzernregal bedienen kann. Aber ist es nicht auch hinderlich für Innovationen, für die Eigenständigkeit einer Marke?

Wittig: Zunächst einmal wäre Skoda heute nicht so erfolgreich, möglicherweise sogar nicht mal mehr existent, wenn es so einen Konzernhintergrund nicht gäbe. Für eine kleinere Marke ist es immer besonders spannend mit einer größeren Marke in den Wettstreit um eine bessere Lösung zu treten. Für den Kleinen ist das ein Umstand, der zu besonderen Leistungen anspornt. Wir müssen immer einen Schlag mehr leisten, um uns durchzusetzen.

Netzeitung: Und, haben Sie auch schon mal einen Schultersieg erringen können?

Wittig (lacht): Ja, den hat es gegeben.

Netzeitung: Und wo?

Wittig: Das lassen wir mal außen vor.

Boommarkt Indien

Netzeitung: Allenthalben wird von den Boommärkten in China und Indien gesprochen. Spielen diese Märkte auch für Skoda eine Rolle?

Wittig: Ich denke, dass Skoda mit seinem Konzept einer preisgünstigen Preisgestaltung für diese Märkte goldrichtig ist. Deswegen haben wir vor ein paar Jahren einen Schritt nach Indien gemacht. Wir haben im letzten Jahr dort bereits 7000 Autos verkauft. In diesem Jahr hoffen wir auf eine Größenordnung von 10.000 Fahrzeugen, vielleicht ein paar mehr.

Netzeitung: Das hört sich nach Akzeptanz an?

Wittig: Wir fangen langsam an, in Indien Fuß zu fassen. Wir sind dort mit dem Superb Auto des Jahres geworden. Zuvor sind wir mit dem Octavia prämiert worden. Man nimmt uns wahr. Allerdings müssen wir noch unsere Angebotspalette erweitern. Gleiches können wir uns für China vorstellen, auch für Russland. Wenn wir dort klare Rahmenbedingungen für Investitionen in Montagen und Produktion haben, gehen wir auch dort hin.

Das Interview mit Detlef Wittig führte Frank Mertens

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