Schleef: Kein Zweifel an Rückendeckung des Shareholders

Seat-Chef Andreas Schleef hat neue Modelle des spanischen Autobauers angekündigt. Im Interview mit der Autogazette spricht der Seat-Chef über Fehler, neue Modelle und seine Zukunft.

Autogazette: Herr Schleef, überrascht es Sie, noch Seat-Chef zu sein?

Andreas Schleef: Nein. Es war auch niemals anders gedacht, als dass ich das weiter mache. Dazu gibt es auch die klare Aussage unseres Konzernvorsitzenden. Es ist in meinem Lebensalter das Normalste der Welt, dass man sich mit einem Termin beschäftigt, an dem man seine Aufgaben an einen Nachfolger übergibt. Ich bin innerhalb des Konzerns ohnehin eine Ausnahme. In meinem Alter gibt es sonst niemanden, der eine solche Aufgabe bekleidet, so dass ich die Diskussion etwas verwundert betrachte.

Frage des richtigen Zeitpunktes

Autogazette: Wie lange werden Sie denn noch an der Spitze von Seat stehen?

Schleef: Das ist eine Frage des richtigen Zeitpunktes. Es gibt hierzu eine interne Absprache…

Autogazette: … verraten Sie uns, wie sie ausschaut?

Schleef: Sie wird nicht verraten, weil es zu nichts führt. Zu gegebener Zeit werden die Mitarbeiter unterrichtet, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist und wer der Nachfolger wird.

Autogazette: Bis wann läuft denn Ihr Vertrag?

Schleef: Mein Vertrag läuft bis zu meinem 65. Lebensjahr, also bis September 2008.

Gedanken über Vertragsverlängerung

Autogazette: Nach dem bisherigen Stand der Dinge ist ein vorzeitiger Übergang jedoch wahrscheinlich.

Schleef (lacht): Wir haben seit kurzem eine neue Bundesregierung, die das Rentenalter auf 67 Jahre hoch gesetzt hat, von daher könnte man sich ja auch Gedanken über eine Vertragsverlängerung machen.

Autogazette: Hätten Sie denn unter den jetzigen Bedingungen daran überhaupt noch Interesse?

Schleef: Ich bin in Berlin aufgewachsen und von daher von etwas altmodischer preußischer Pflichterfüllung geprägt. Die Aufgabe bestimmt das, nicht ich. Die Gesundheit muss stimmen und der Shareholder muss überzeugt sein, dass ich da was nütze, dann entziehe ich mich der Pflicht nicht. Der Lotse geht nicht von Bord, bevor das Schiff nicht in sicheren Gewässern ist.

Volle Rückendeckung

Der Seat Altea Foto: nz/Mertens

Autogazette: Sie haben den Shareholder angesprochen: Haben Sie das Gefühl, dass Sie dessen volle Rückendeckung genießen?

Schleef: Da habe ich keinen Zweifel.

Autogazette: Seat hat erstmals seit zehn Jahren wieder rote Zahlen geschrieben. Der Verlust bezifferte sich in 2005 auf 62 Millionen Euro, nachdem man im Vorjahr noch einen Gewinn von 145 Millionen Euro erzielen konnte. Wo liegen dafür die Hauptgründe?

Schleef: Das erste war der Volumenrückgang im Verkauf. Das zweite eine erhebliche Verschärfung im Markt was Margenergebnisse und Vertriebsaufwand betrifft. Zudem schlägt sich der gesamte Personalabbau mit seinen Kosten nieder und es sind Investitionen in die Zukunft enthalten.

Autogazette: Wie hoch sind die getätigten Investitionen für die Zukunft?

Schleef: Da es produktrelevante Investitionen sind, gebe ich Ihnen dazu keine Auskunft. Wir haben Vorinvestitionen in Modelle der Zukunft getroffen. Die publizierte Zahl ist die, dass wir ab 2006, 2007 bis 2008 zusätzliche 700 Millionen in Produkte investieren.

Dreijahresplan

Autogazette: Wie viel Zeit haben Sie denn noch, Seat wieder in die Gewinnzone zu bringen?

Schleef: Wir haben einen Dreijahresplan. Das heißt, dass wir uns in diesem Jahr beim operativen Geschäft noch schwer tun werden, schwarze Zahlen zu schreiben. Mit Sicherheit werden wir im nächsten Jahr schwarze Zahlen schreiben. Ab 2008 werden wir in einem nennenswerten Umfang zum Konzernergebnis beitragen.

Autogazette: Wenn Sie selbstkritisch sind und sich die Strategie der zurückliegenden Jahre anschauen: Müssen Sie sich Fehler vorhalten lassen?

Schleef: Rückblickend hätte man Dinge anders machen können. Wir haben relativ lange im strategischen Bereich an dem Markengruppenmodell gearbeitet. Wir haben uns die Frage gestellt, ob es Sinn macht, die Marken Audi und Seat zusammenzubringen. Das hat dazu geführt, dass wir uns mit den Modellreihen Ibiza, Altea und Leon gut aufgestellt gesehen haben. Dieses Produktprogramm hätte sich im Vergleich zum Audi-Programm gut ergänzt. Letztlich haben wir uns dafür entschieden, zwar den Weg der Markengruppenstrategie im Hinblick auf die Kooperation auf technischem Gebiet zu gehen, ansonsten aber im Markt getrennt zu bleiben.

Zu enge Produktlinievielfalt

Autogazette: Ist die Produktvielfalt denn ausreichend?

Schleef: Wir haben eine zu enge Produktlinienvielfalt für eine schlagkräftige Handelsorganisation. Unter der Marke Seat werden wir in Zukunft deshalb mehr Modellreihen und Derivate benötigen Sonst haben wir als eigenständige Marke mit Blick auf unsere Handelsorganisation erhebliche Schwierigkeiten.

Autogazette: Was muss sonst noch getan werden?

Schleef: Ich habe zu lange geglaubt, dass unsere hervorragenden neuen Produkte ausreichend sind, die Marke voranzubringen. Ich muss mit Ausnahme Spanien feststellen, dass wir aufgrund unserer geringen Größe einen zu niedrigen Bekanntheitsgrad haben. Daraus resultiert, dass wir nicht die notwendigen Imagewerte besitzen, die man braucht, um unsere Produkte im angemessenen Umfang an die Kunden zu bringen. Deshalb müssen wir zur Behebung dieses Defizits unsere Aktivitäten über die Produkte hinaus für Marke und Markt verstärken.

Erhöhtes Marketing

Autogazette: Also Marketing?

Schleef: Ja, wir müssen die Marketingaktivitäten erhöhen, um dieses Defizit zu schließen. Das lässt sich leisten, wobei es nicht nur Geld kostet, sondern auch Zeit. Auf der Basis eines guten Produktangebotes lässt sich so etwas darstellen. Wenn die Situation anders wäre, hätten wir ein Problem.

Autogazette: Sie haben das Produktportfolio angesprochen: In welche neuen Segmente will Seat hinein?

Schleef: Wir werden zusätzliche Derivate auf Basis unserer bestehenden Modellreihen bringen. Im zweiten Halbjahr werden wir mit Premiere auf dem Pariser Salon auf der Basis des Altea ein weiteres Derivat vorstellen...

Autogazette: ...Sie sprechen vom Altea-Kombi, der in 2007 kommen soll...

Schleef: ...im September feiert er seine Premiere. Markteinführung soll spätestens im ersten Quartal 2007 sein. Darüber hinaus werden wir zusätzliche Modellreihen bauen, die wir heute nicht haben. In der Breite gibt es Varianten, vom SUV bis zum Roadster, zudem könnte man sich unten einen A/00, den wir schon mal hatten - den Arosa - vorstellen. Oder darüber, beispielsweise auf der B-Plattform: also A4, Passat oder Superb-Größenordnung. Doch bis solche Fahrzeuge auf die Straße kommen, braucht es Zeit.

Verbesserter Innenraum

Audi-Chef Martin Winterkorn Foto: dpa

Autogazette: Sie sprechen immer wieder vom qualitativen Wachstum. Bedeutet das auch, dass der Plastikcharme im Innenraum zukünftig der Vergangenheit angehören wird?

Schleef: Für bestimmte Modellreihen haben wir berechtigte Kundenkritik einstecken müssen. Das Material ist ja nicht schlecht, doch das Wort Plastik suggeriert geringere Wertigkeit. Deshalb müssen wir das, was wir mit dem Außendesign erreicht haben, auch auf den Innenraum übertragen. Unser neuer Designer Luc Donckerwolke hat ein besonderes Gespür für solche Dinge. In Bälde wird man sehen, was ich meine. Wir werden für bestimmte Modelle andere Interieurs bringen, die die Kunden überraschen und hoffentlich auch überzeugen werden.

Autogazette: Hat Sie die Aussage von Audi-Chef Martin Winterkorn eigentlich überrascht, dass Seat wieder verstärkt auf sportliche Kleinwagen setzen solle?



Schleef: Nachdem die Entscheidung im letzten Jahr getroffen wurde - was Seat nun ist - nämlich eine Singulär- und keine Komplementärmarke - können wir nun eine Ausweitung des Gesamtproduktprogramms vornehmen. An unserem Produktionsstandort Martorell können wir nun auf den investierten Plattformen für Auslastung sorgen. Die Ausweitung der Produkte bedeutet nicht unbedingt, dass diese auch nur in Martorell gebaut werden. Umgekehrt können wir den Standort besser auslasten, in dem wir auf der Basis der installierten Plattformen für Schwesterfirmen im Konzern Modelle bauen.

Neuer Alhambra kommt

Der Alhambra Foto: Werk

Autogazette: Also sollen Autos von VW dort gebaut werden?

Schleef: Oder auch Audi. Ist ja auch immer Strategie des Konzern gewesen, dass eine Marke nicht immer nur die eigenen Fahrzeuge produziert. Was rein wirtschaftlich auch unsinnig wäre. In Bratislava wird beispielsweise ein Touareg, Cayenne und ein Q7 gebaut.

Autogazette: Ist bereits eine Entscheidung über den Nachfolger des Alhambra gefallen?

Schleef: Es wird einen Alhambra-Nachfolger geben, doch das Timing kann ich noch nicht nennen, da wir hier vom VW Sharan abhängig sind. Er ist aber überfällig. Doch lieber spät als gar nicht.

Mehr Verkäufe 2006

Autogazette: Der Absatz ist im Vorjahr um 4,5 Prozent auf 422.000 Fahrzeuge zurückgegangen. Wie schaut die Erwartung für dieses Jahr aus?

Schleef: Wir werden in diesem Jahr sicherlich mehr verkaufen als im Vorjahr. Genaueres kann ich nicht sagen, da der Markt jeden Monat Überraschungen bringt. Bereits in den ersten zwei Monaten haben wir deutliche Steigerungen erzielt. In Spanien sind wir im Januar beim Marktanteil Nummer eins geworden.

Autogazette: Rechnen Sie damit, dass sich mit Blick auf die Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19 Prozent viele Kunden in 2006 für einen Neuwagenkauf entscheiden?

Schleef: Das ist rein deutsches Thema. Es wird erst im letzten Quartal Zusatzverkäufe geben. Drei Prozent ist eine Zahl, besonders für Privathaushalte. Die große Frage wird sein, ob das dann ein Anziehen der Konjunktur ist oder ausschließlich ein Vorziehen. Ich will nicht in Pessimismus machen, aber so wie ich den deutschen Markt einschätze, ist die Konsumneigung gering. Unsere Planungen gehen zur Stunde nicht davon aus, dass die Mehrwertsteuererhöhung viel bringt. Wenn es anders ist, umso besser. Ich rechne nur mit einer saisonalen Verschiebung, nicht mit einem Konjunkturprogramm.

Wichtiges US-Markt

Autogazette: Ab wann wird es einen Markteintritt in den USA geben?

Schleef: Wenn der Weg, den Seat gegenwärtig nimmt, erfolgreich ist, wovon ich überzeugt bin, muss Wachstum nachkommen. Wachstum heißt: Zuwachs in den bestehenden Märkten und in zusätzlichen Märkten. Wenn sie als Marke überleben wollen, müssen sie weltweit vertreten sein. Und nur die Marken, die auch in den USA wettbewerbsfähig sind, sind auf Dauer auch weltweit eigenständig erfolgreiche Marken. Von daher müssen wir in die USA. Ich werde dies als Seat-Chef aber nicht mehr erleben - das jedoch unabhängig von der derzeit geführten Diskussion.

Das Interview mit Andreas Schleef führte Frank Mertens

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