«Rabatte wirken wie eine Droge»

Interview mit dem Psychologen Hans J. Markowitsch

Die Abwrackprämie verführt den Kunden zum Autokauf. «Aus der Hirnforschung weiß man, dass Rabatte im Gehirn Lustzentren aktivieren. Das ist wie beim Sex oder beim Heißhunger auf Schokolade», sagte der Psychologe Hans J. Markowitsch der Autogazette.

Die staatliche Abwrackprämie löst beim Kunden ein irrationales Kaufverhalten aus. «Jeder Besitzer eines alten Autos sagt jetzt: Schnell her mit einem neuen. Dabei spielt keine Rolle, ob ich auf anderem Wege mehr sparen könnte, beispielsweise durch den Kauf eines Gebrauchten», sagte der Psychologe Prof. Hans J. Markowitsch im Interview mit der Autogazette. «Wir erleben hier ein scheuklappenartiges Verhalten», fügte der Neurowissenschaftler hinzu.

Zum Autokauf verführt

Wie der Wissenschaftler der Universität Bielefeld sagte, würden das Gros der Kunden durch die Abwrackprämie zum Autokauf verführt, «obwohl es die Haushaltskasse eigentlich nicht zulassen würde».

«Irrationales Kaufverhalten»

Autogazette: Befinden sich die Deutschen wegen der Abwrackprämie im Rauschzustand?

Hans J. Markowitsch: Sie sind irrational in ihrem Kaufverhalten. Jeder Besitzer eines alten Autos sagt jetzt: Schnell her mit einem neuen. Dabei spielt keine Rolle, ob ich auf anderem Wege mehr sparen könnte, beispielsweise durch den Kauf eines Gebrauchten. Wir erleben hier ein scheuklappenartiges Verhalten.

Autogazette: Mit Ratio hat der Run auf die Autohäuser derzeit also nichts zu tun?

Markowitsch: Die wird weitgehend ausgeschaltet. Die Leute haben ihr Bauchgefühl, und dadurch stehen die Emotionen im Vordergrund.

Autogazette: Sind die Deutschen zu einem Land der Schnäppchenjäger geworden?

Markowitsch: Das waren viele Deutsche schon früher. Das zeigen auch Werbeanzeigen, in denen stark auf Schnäppchenangebote gezielt wird. Doch das ist kein deutsches Problem, das erlebt man auch in anderen Ländern. Ich kenne das aus den USA. Dort ist ja ständig Sale.

«Rabatte aktivieren Lustzentren»

Autogazette: Rabattversprechen wirken auf den Kunden also quasi wie eine Droge?

Markowitsch: Ja. Aus der Hirnforschung weiß man, dass Rabatte im Gehirn Lustzentren aktivieren. Das ist wie beim Sex oder beim Heißhunger auf Schokolade.

Autogazette: Weit mehr als eine Million Anträge auf Abwrackprämie sind beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eingegangen. Kommt das einem Herdentrieb gleich?

Markowitsch: Da ist schon etwas dran. Jeder meint derzeit etwas zu verpassen, wenn er sich kein neues Auto mit Abwrackprämie zulegt. Das ist ein Verhalten, das wir von der massenpsychologischen Seite kennen: Wenn einer anfängt, springen andere auf.

«Zum Autokauf verführt»

Autogazette: Gibt es für das Kaufverhalten einen Unterschied, ob ich eine Prämie von einem Hersteller oder vom Staat bekomme?

Markowitsch: Ich würde es so sehen, Dem Staat vertraut man mehr als einem Hersteller. Hier denkt jeder, dass man weniger übers Ohr gehauen wird als beim Autohersteller, der das Auto vorher vielleicht verteuert hat, um erst dann einen Rabatt zu geben.

Autogazette: Fühlt man sich besonders clever, wenn man sich jetzt ein Auto kauft und dafür Geld vom Staat einsackt?

Markowitsch: Bestimmt. Wofür sonst zahlt der Staat einem was? Bei allem anderen nimmt der Staat, verlangt immer mehr Steuern. Doch bei der Abwrackprämie gibt er einem Geld.

Autogazette: Rabattversprechen verführen Kunden also zu einem Kauf, den sie sonst aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht getätigt hätten?

Markowitsch: Das trifft sicher auf 85 bis 90 Prozent der Käufer zu. Sie werden durch die Prämie vom Staat zum Autokauf verführt, obwohl es die Haushaltskasse eigentlich nicht zulassen würde.

Das Interview mit Prof. Hans J. Markowitsch führte Frank Mertens

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